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Luisa und Theo taten beide so, als würden sie schlafen. Doch in Wahrheit hing jeder der beiden seinen Gedanken nach. Sie konnten sich beide ein dauerhaftes Leben außerhalb der Engelwelt nicht vorstellen. Das war das Leben, das sie von Anbeginn an kannten. Sie waren Engel und keine Menschen. Irgendwann wurden beide vom Schlaf übermannt. Sie träumten wirre Dinge und wachten am Morgen wie gerädert auf.
„Und? Was sagst du nun?“, fragte Theo als erstes. Luisa versteckte ihren Kopf im Kopfkissen und Theo verstand die Antwort nicht. Als sie aufschaute war ihr Gesicht nass von den Tränen. „Wir haben doch in Wahrheit keine andere Wahl. Wir müssen das auf uns nehmen“, sagte sie, und Theo nickte erschlagen. „Glaubst du, dürfen wir noch ein letztes Mal zurück in die Engelwelt?“, fragte Luisa. Theo dachte eine Weile nach und sagte dann: „Ich weiß nicht einmal, ob ich das will. Wenn ich nochmal in die Engelwelt gehe, möchte ich sicher nicht mehr weg.“
Sie hatten beide ganz vergessen, dass Martin ja mittlerweile auch zuhause war. Doch er hatte sie gehört und kam zu ihnen ins Zimmer. „Was ist los mit euch beiden? Ihr seht ja aus, als wäre etwas Schreckliches passiert.“ Theo und Luisa schwiegen zunächst, doch dann sagte Theo: „Ist es auch. Wir sollen Menschen werden und in der Menschenwelt bleiben“, sagte er. Als er es aussprach, übermannte ihn wieder die Trauer. Martin, der ja nicht wusste, wie es in der Engelwelt war, konnte nicht das ganze Ausmaß der Tragödie erfassen. Er kannte ja nur die Menschenwelt. „Aber hier ist doch auch schön“, sagte er. „Gerade jetzt, wo ihr so viel Gutes in die Welt gebracht habt.“ Und er begann zu erzählen, welche Projekte gestern schon wieder zustande gekommen waren und was noch alles schon bereitstand. Theo und Luisa hörten nur mit halbem Ohr zu. Sie waren viel zu beschäftigt damit, zu überlegen, wie ihr Leben ab jetzt aussehen würde.
Eine Stunde später kam Phanuel und sagte ihnen, dass der Elohim sie nun erwartete und ihre Entscheidung hören wollte. Mit zitternden Beinen und ganz schwach gingen sie hinüber in Klaras Wohnung. Klara schien schon Bescheid zu wissen, denn sie hatte schon Kakao gekocht und stellte ihnen wortlos eine Tasse davon hin. Doch weder Theo noch Luisa konnten sich vorstellen, dass sie jetzt etwas trinken konnten. Sie wollten rasch das Gespräch hinter sich bringen.
„Wie ist eure Entscheidung nun?“, fragte der Elohim. „Ich werde bleiben“, sagte Luisa und ihre Stimme zitterte. „Ich auch“, sagte Theo. Der Elohim schaute sie ernst an. „Seid ihr euch sicher?“, fragte er noch einmal. Die beiden sahen sich kurz an und Theo sagte: „Ja, wir haben viel hin und her überlegt. Wir wissen zwar nicht, wie unser Leben dann aussehen wird, aber wir haben auch keine andere Wahl. Nein zu sagen und wieder in die Engelwelt zurückkehren geht irgendwie auch nicht“, sagte Theo.
„Das ist eine mutige Entscheidung und ich werde dafür sorgen, dass ihr es hier auf der Erde wirklich guthaben werdet.
Mittlerweile war auch Hannes eingetroffen und erzählte, dass bereits zwanzig Sender auf den Zug aufgesprungen waren und dass allerorten die Dinge ins Rollen kamen. Die Menschen hatten begonnen, Verantwortung zu übernehmen und es wurden ständig mehr. Der Elohim erzählte nun auch Hannes von seinem Plan zwölf Engel hier auf der Erde zu lassen, die gemeinsam diese Entwicklung stabilisieren würden. „Wieso ausgerechnet zwölf?“, fragte Hannes.
„Da stellst du eine wichtige Frage“, sagte der Elohim. „Ich will versuchen, es zu erklären. Als Christus, das höchste Sonnenwesen, damals auf die Erde kam, hatte er zwölf Jünger, die Menschen waren. Zwölf ist eine magische Zahl. Zwölf Wesenheiten und auch Menschen können sehr viel transformieren. Wenn wir etwas Geistiges auf der Erde durchsetzen wollen, brauchen wir eine Gruppe von zwölf. Wenn wir etwas Physisches erreichen wollen, reichen acht Wesenheiten. Für Christus war es ebenfalls keine leichte Entscheidung. Auch für uns in der geistigen Welt war es schwer. Die Menschen gewannen etwas hinzu, aber wir haben unser höchstes Wesen verloren. Und auch er tat sich damals schwer damit, da er ja wusste, was ihn erwartete. Und bis heute ist er ja im feinstofflichen Feld der Erde anwesend und wirkt da immer noch mit. Und nun braucht es das nächste Opfer aus der geistigen Welt, also in dem Fall aus der Engelwelt und das sind die Zwölf, die sich nun entschieden haben, ihr Leben als Engel für eine Zeit zu opfern. Und wie bei Christus wird es auch bei diesen Engeln sein. Wenn sie ihr Leben als Menschen beendet haben, kommen sie einerseits wieder zurück in die Engelwelt, ihre Energie wird aber bei den Menschen bleiben und weiterwirken. Es ist ein großes Opfer und eine große Tat für die Menschen.“
Als Luisa und Theo das hörten, fühlte sich ihre Mission etwas besser an. Sie taten also etwas, das vorher auch Christus, das große Sonnenwesen, getan hat. Das klang nicht mehr ganz so traurig, sondern es war in der Tat ein Opfer, aber es hatte mehr Bedeutung, als nur die, dass sie ihre Engel-Existenz aufgeben mussten.
„Und wie wird unser Leben dann aussehen?“, fragte Luisa, denn das beschäftigte sie sehr. „Ihr zwölf werdet über die ganze Erde verteilt werden und ihr werdet euch in bestimmten Projekten wiederfinden. Ihr werdet euch aber nicht mehr an euer Engeldasein erinnern. Ihr werdet als Menschen hier auf der Erde eure Mission erfüllen. Wir werden jeden eurer Schritte begleiten und euch auch helfen, wenn ihr straucheln solltet. Aber ihr werdet erst wieder lernen müssen, an uns und an die geistige Welt zu glauben“, sagte der Elohim.
Theo und Luisa dachten über die Worte des Elohim nach. „Werden wir hier bei Klara, Hannes und Martin bleiben?“, fragten sie. „Nein, ihr werdet euch ab morgen an einem völlig anderen Ort in einem völlig anderen Leben finden. Wir können euch nicht hierlassen, denn Martin, Klara und Hannes wissen ja Bescheid. Es würde nicht funktionieren, wenn ihr hierbleiben würdet.“
„Bleiben wir zusammen?“, fragte Theo. Der Elohim schüttelte erneut den Kopf. „Nein, ihr werdet euch in einer Familie finden und dort euren Platz einnehmen. Wir haben zwölf Familien gefunden, mit Jugendlichen in eurem jetzigen Alter hier auf der Erde, deren Seelen sich bereit erklärt haben, dass ihr den Körper dieser jungen Menschen übernehmen dürft. Das wurde schon lange in der geistigen Welt vorbereitet. Die Seele dieser jungen Menschen verlässt den Körper und ihr tretet an ihre Stelle. Daher werdet ihr auch ganz anders aussehen. Aber wie gesagt, ihr werdet morgen aufwachen und vielleicht werdet ihr eine Zeit brauchen, bis ihr euch an das neue Dasein gewöhnt habt, aber ihr werdet nicht wissen, warum. Das war bei Christus auch nicht anders, als er in den Körper von Jesus eingetreten ist“
Luisa und Theo fühlten sich völlig überfahren. Das war doch alles wie ein schlechter Traum. Nicht nur, dass sie nicht mehr in die Engelwelt zurückdurften, sie durften auch nicht zusammenbleiben. Das hätte das Ganze ja noch erträglicher gemacht. Wenn es hart kam, kam es richtig hart!
Luisa und Theo wussten bereits, dass es sinnlos war zu fragen, ob sie noch einmal in die Engelwelt zurückdurften. Sie kannten die Antwort bereits.
„Was machen wir jetzt bis morgen?“, fragte Theo. „Wir haben noch eine Menge zu tun. Heute ist große Sitzung mit Martin, Hannes, Klara und den Erzengeln. Wir werden diese Projekte hier noch einmal besprechen, solange ihr hier seid und dann geht’s auch schon los. Der Wechsel in die Körper der Menschen wird beginnen, sobald ihr eingeschlafen seid.“
In diesem Moment traten auch die Erzengel ins Zimmer und Klara kochte noch rasch Tee und stelle wieder einmal Kekse auf den Tisch.
Luisa und Theo wurden sich bewusst, dass sie das letzte Mal in dieser vertrauten Runde sitzen würden, und dadurch waren sie auch nicht so aufmerksam wie sonst. Doch es verlief alles prima. Die Erzengel hatten das Ruder übernommen, Hannes war ein perfekter Organisator, Klara kannte so viele hilfreiche Menschen und Martin war die Seele des ganzen Unterfangens. Und über all dem wachte der Elohim.
Sowohl Luisa als auch Theo erkannten, dass es gar nicht so wichtig war, dass sie hier waren. Es würde alles seinen Weg gehen. Doch sie hatten Angst. Was würde sie erwarten? Luisa nahm sich vor, dass sie einfach nicht einschlafen würde. Aber noch ehe sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste sie, dass es nicht funktionieren würde, und es fiel ihr der letzte Satz aus dem Gedicht ein, das sie gestern gelesen hatte: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche Euch allen eine gute Nacht und schöne Träume!
Manou