Heute Nacht war wieder ein reinigendes Gewitter. Es ist wunderbar, die Stimmung am Morgen, nach dem Gewitter, wenn der Himmel blitzblau ist und man das Gefühl hat, dass die ganze Welt frisch geputzt ist. Frei von all den negativen und bedrückenden Gedankenwesen, die sich in der Atmosphäre angesammelt hatten. Und ich empfinde dabei so große Dankbarkeit den Wesenheiten gegenüber, die sich dafür verantwortlich zeichnen. Wenn wir unsere Welt als das erleben, was sie ist, nämlich beseelt bis in den kleinsten Winkel, so kommen wir aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Deshalb möchte ich mich heute bei all den Wesenheiten bedanken.
Ich bedanke mich bei den Luftwesen
Die Luftwesen sind sowohl im linden Lüftchen als auch im stärksten Sturm die physische Luft durch ihre Arbeit bewegen. Sie reinigen die ganze Zeit. Wir Menschen verschmutzen die Luft ja nicht nur mit Abgasen, sondern auch mit Licht und vor allen Dingen mit unseren Gedankenwesen, den Elementalen. Auch und insbesondere elektromagnetische Strahlung ist für die Luftwesen eine große Belastung. Und doch geben sie uns nicht auf, sondern tun ihr Werk damit wir immer wieder das große Lebenselixier gereinigt zur Verfügung haben. Außerdem unterstützen sie uns dabei, dass unsere Gedanken Flügel erhalten und sich in die Welt hinein verbreiten können. Ich danke den Luftwesen auf das Herzlichste!
Ich bedanke mich bei den Wasserwesen
Auch die Wasserwesen leiden unter uns Menschen, da wir das Wasser mit allem Möglichen verschmutzen. Doch auch sie bleiben uns treu und arbeiten in der kleinsten Pfütze und im größten Weltenmeer. Sie zeichnen sich für jeden Tropfen Regen verantwortlich, kümmern sich um jedes ober- und unterirdische Gewässer und lassen uns Menschen innehalten und unsere Träume erfühlen. Die Wasserwesen sind auch Hüter der Schönheit, inspirieren Künstler und lassen uns mit unserer Essenz in Verbindung treten. Auch Euch, liebe Wasserwesen, danke ich auf das Herzlichste!
Ich bedanke mich bei den Erdwesen
Von den abermillionen winzigen Helfern bis zu den großen Gebirgswesen, die im Dienste von Gaia, der großen Mutter Erde stehen. Sie sind in allem Festen zu finden. Sie sind für die Kristalle der Erde und die Krume zuständig, in der unsere Pflanzen wachsen. Auch sie sind durch die Eingriffe der Menschen schwer in ihrem Sein beeinträchtigt. Und doch sind sie da, um uns in unserem Tun zur Seite zu stehen. Sie helfen uns Menschen, unsere Gedanken in Taten umzuwandeln und tätig im Leben zu stehen. Ich bedanke mich herzlich bei Euch, wunderbare Erdwesen!
Ich bedanke mich bei den Feuerwesen
In jedem Blitz, in jeder Form von Elektrizität in jeder Flamme sind sie tätig. Feuerwesen helfen uns Menschen, uns mit Leidenschaft den Dingen zu widmen, die wir lieben. Wir Menschen halten sie gefangen und zwingen sie in Stromleitungen und elektrische Geräte. Feuerwesen sind Kinder der Freiheit und doch stellen sie sich uns zur Verfügung, auch wenn die Tätigkeiten, die wir ihnen aufzwingen ihnen regelrechte Schmerzen bereiten. Ich bedanke mich von Herzen bei Euch Feuerwesen!
Ich bedanke mich weiter bei folgenden Wesenheiten:
Den Baumwesen, die uns mit ihrem Sein inspirieren können, wenn wir ihnen zuhören
Den Pflanzenwesen, die Wasser und Nährstoffe zu unseren Pflanzen bringen
Den Pflanzendevas, die erlauben, dass ihre Schützlinge bei uns wachsen dürfen
Den Landschaftsdevas, die über große Landstriche wachen und dafür sorgen, dass alles seinen geregelten Gang geht
Den Christuswesenheiten, die Frieden auf die Erde bringen
Den Hauswesen, die unsere Zuhause beschützen und dafür sorgen, dass es unserem Zuhause gut geht
Den Technikwesen, die in all unseren Geräten wirken
Den Steinwesen, die unsere wunderbaren Kristalle entstehen lassen
Den Gefühlswesen, die uns überhaupt erst die Vielzahl unserer Gefühle ermöglichen
Und bei allen anderen Wesenheiten, die ich jetzt nicht aufgezählt habe
Ich wünsche alle Menschen und allen helfenden Wesenheiten einen wunderschönen Samstag
Bei den Dunklen herrschte wieder einmal helle Aufregung. Heute würden sie es schaffen, die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Sie waren mittlerweile viel mehr geworden. Der große Dunkle hatte noch Verstärkung für seine Schergen geholt. Es war nicht so einfach, die Wesen vom Saturn auf die Erde zu transportieren, da die Erde auf dem Saturn bereits als verbrannter Planet galt. Da gab es interessantere Planeten mit ihren Bewohnern in anderen Sonnensystemen, die von den Asuras eingenommen werden konnten. Dort ging alles einfacher. Die Asuras selbst verstanden auch nicht, dass die Erde mit ihren menschlichen Bewohnern derzeit der wichtigste Planet war, weil hier die Entwicklung aller Wesenheiten entschieden werden sollte. Der große Dunkle gab sich auch nicht besonders viel Mühe, ihnen das zu erklären, da er wusste, dass sie nicht besonders intelligent waren. Aber er brauchte sie auch nicht zum Denken, sondern er brauchte sie für seine Pläne.
Sie hatten sich alle versammelt und der große Dunkle erklärte ihnen, was sie zu tun hatten. Sie würden nicht die Menschen angreifen, die waren mittlerweile schon viel zu resistent geworden für ihre Verführungsversuche. Die paar wenigen, die ihnen noch auf den Leim gingen, waren längst nicht genug. Daher brauchten sie einen völlig anderen Plan. Sie würden statt den Menschen die Erde direkt angreifen. Er versuchte den Asuras zu erklären, dass die Erde über eine Menge Erdenhüter verfügte, die seit Anbeginn aller Zeiten tief in der Erde vergraben waren. Aber seit einigen Jahrzehnten kamen sie immer mehr an die Oberfläche, weil die Erde wusste, dass ihnen eine harte Zeit bevorstand. Diese Erdenhüter waren in riesengroßen physischen Kristallen verborgen und wirkten von dort um die Erde immer wieder zu unterstützen und auch die Menschheit immer wieder zu unterstützen auf den richtigen Pfad zurückzukehren. Diese Kristalle mussten sie zerstören. Sie waren über die ganze Erde verteilt.
Der Große warnte die Asuras vor den feinstofflichen Kristallen mit dem lila-goldenen Licht, die viele Menschen im Geiste manifestiert und ebenfalls auf der Erde verteilt hatten. Denen durften sie auf keinen Fall zu nahekommen, denn das würde sie sofort töten. Die Asuras hörten zu, verstanden nur die Hälfte, wussten aber, dass sie die physischen Erdenhüter Kristalle zerstören sollten. Der große Dunkle verstand es gut, sie in Kriegsstimmung zu versetzen. Wie wilde Hummeln surrten sie vor sich hin. Heute war der Tag. Es war gut, richtig ausgelassen zu sein und zu zerstören, was ihnen in den Weg kam. Der Große hatte ja gesagt, dass sie ihrer Zerstörungslust freien Lauf lassen sollten. Das war für die Asuras wie ein Fest. Sie liebten diese feurige aufgeheizte Stimmung und sie lechzten danach, endlich hinaus zu dürfen und alles kurz und klein zu schlagen.
Der große Dunkle verstand es gut, diese blutrünstige Meute so aufzustacheln, dass sie wie ein wütender Mob über die Erde und ihre Bewohner herfallen würden. Es würde heute kein Stein auf dem anderen bleiben. Das war endlich der Tag seines Triumphes. So lange hatte er darauf gewartet und nun hatte er die Methode gefunden, die auf jeden Fall zu seinem Sieg führen würde. Da würden die Erdlinge schauen, wenn ihnen plötzlich nur noch die Splitter der Erdenhüter um die Ohren fliegen würden. Und binnen weniger Stunden würde die Erde alle Kraft verlieren und sie würden einfach zugrunde gehen. Warum war der da nicht früher drauf gekommen. Wie lange hatte er versucht, die Erdlinge auszutricksen und sie sich gefügig zu machen. Ja, das wäre natürlich auch ein großer Triumph geworden, denn dann hätte er die Menschen als Geiseln gehabt. Aber bevor er sich geschlagen gab, würde er lieber alles zerstören. Auf der Erde würde nichts als Chaos, Wut und Zerstörung bleiben – und das genau in dem Moment, in dem sich die dummen Erdlinge in Sicherheit wiegte. Sie dachten ja, dass die helle Seite das Ruder übernommen hatte. Aber da hatten sie sich getäuscht. Der große Dunkle lachte sein rauhes, hässliches Lachen und peitschte die Asuras weiter auf. Wenn er sie loslies, waren sie nicht mehr aufzuhalten. Und je mehr er ihre Wut anstachelte, umso verheerender wurde die Zerstörung, die sie anrichten würden. Heute war der Tag seines größten Triumphes!
In Wien indessen herrschte emsiges Treiben. Mittlerweile saßen drei Elohim in Klaras Wohnzimmer in der Wiener Innenstadt und konzentrierten sich darauf, ihre Energie über die ganze Erde zu verteilen. Hannes, Klara, Martin, die pensionierten Juristen, Klaras Wohltätigkeitsdamen und vielen andere Helfer waren damit beschäftigt alle Sender anzurufen, die bisher mit ihnen kooperiert hatten, und ihnen verständlich zu machen, dass sie nun handeln mussten.
Durch die Tatsache, dass so viele Tage die Engel über den Himmel gezogen waren, war Vieles einfacher. Was sie früher stundenlang hätten erklären müssen, war nun relativ rasch gesagt. Sie hatten einen Masterplan, der aber nur funktionieren würde, wenn alle daran mitwirkten.
Der Plan sah vor, dass alle Sender gleichzeitig die Musik mit den Obertönen spielen würden. Wann genau das war, würden die Elohim ihnen noch sagen, aber bis dahin mussten sie die Bevölkerung auf der ganzen Erde dazu motivieren, ihre Fernseher, Radios, Computer einzuschalten und auf ganz laut zu stellen. Alle Musiker und Musikerinnen sollten mit ihren Instrumenten ins Freie gehen und wer kein Instrument hatte, sollte sich mit Singen und Tönen beteiligen. Ganze Gruppen auf der Erde machten sich bereit in eine tiefe Meditation einzusteigen, sobald das Signal zum Start kommen würde. Kein einziger Mensch auf der Erde durfte sich nun entziehen. Es hing ihr aller Leben und der Fortbestand der Erde davon ab. Schon einmal hatten sie gedacht, dass sie die dunklen Mächte besiegt hatten, aber damals hatten sie diese nur verjagt. Heute mussten sie einen Schritt weitergehen. Sie mussten die dunklen Schergen und die Drahtzieher mit ihrer Energie neutralisieren. Dies würde deren Tod bedeuten. Es war nicht leicht, den Menschen zu verstehen zu geben, dass es diese drastische Maßnahme nun brauchte, um ein für alle Mal Ruhe auf der Erde einkehren zu lassen. Und die Sender hatten alle Hände voll zu tun, Überzeugungsarbeit zu leisten. Es war ein finaler Kampf des Guten gegen das Böse und wenn sie nun zu zögerlich wären, dann hätten sie vielleicht ihre allerletzte Chance verspielt. Die Moderatoren sprachen mit Engelszungen auf die Menschen ein und immer mehr Menschen fassten den Mut nun in den Kampf einzutreten und die Menschheit, die Erde, die Natur, die Tiere und alle Wesenheiten, die sonst noch die Erde bevölkerten, zu beschützen.
Martin, Hannes und Klara liefen zur Höchstform auf. Sie wussten, dass sie einen unglaublich wichtigen Beitrag leisten würden und sie wussten auch, dass die Erzengel, Theo und Luisa fast am anderen Ende der Welt ebenfalls alles tun würden, was in ihrer Macht stand.
In Bonnotola hatte Herr Liebhart sich wieder etwas beruhigt, weil er bemerkte, dass seine Bedenken nun nicht im Vordergrund standen, sondern dass es um so viel mehr ging. Mongila einzuweihen war nicht so schwer, sie kannte Michael, Raphael und Phanuel ja bereits und sie hatten ihr damals erklärt, was der Angriff auf dem Dorfplatz bedeutet hatte. Sie hatten auch für Mongila und alle Menschen in der Region einen Plan. Es sollte sich so schnell wie möglich von Dorf zu Dorf herumsprechen, dass alle Menschen sich mit Rasseln, Trommel und Gesang auf den Dorfplätzen versammeln sollten. Mongila schaffte es in kürzester Zeit junge Leute zu mobilisieren, die in die entlegendsten Dörfer fuhren. Noch nicht überall waren elektronische Geräte so genutzt, dass sie ständig zur Verfügung standen. Die Menschen waren auch nicht interessiert daran. Sie setzten noch auf die Kommunikation von Mensch zu Mensch und das konnten sie perfekt.
Eine wunderbare Kette von Menschen setzen sich auch über die Landesgrenzen von Bangladesch in Bewegung und immer mehr Menschen versammelten sich in Städten und Dörfern mit all ihren Instrumenten. Auch in Europa, Amerika, Australien, Afrika und allen entlegenen Gebieten versammelten sich die Menschen und die Nachricht verbreitete sich über Fernseher, Radios, Telefone, Computer und von Mund zu Ohr in rasender Geschwindigkeit. Alles ging so schnell, dass die Menschen gar nicht dazu kamen, Angst zu haben, sondern sie erkannten, dass nun die Zeit zum Handeln war. Alle waren auf den Beinen und eines war die wichtigste Erkenntnis: Sie würden diesen Angriff nur gemeinsam abwehren können.
Der große Dunkle hatte die Asuras mit seinen wilden Reden aufgepeitscht und immer wilder surrten sie herum. Sie waren wütend und sie wollten sich nun austoben. Was immer ihnen gegenübertreten würde, sie würden es gnadenlos zerstören.
Die Elohim empfingen von den großen Engeln in der Engelwelt das Signal, dass sie sich nun bereitmachen sollten und gaben dies sofort an Hannes weiter. Von dort verbreitete sich die Nachricht in Minutenschnelle über die ganze Erde. Die Menschen standen bereit und sie standen Seite an Seite und würden siegen, komme was wolle. Wenig später war in der Atmosphäre schon das erste Surren zu vernehmen. Die Erzengel, Luisa, Theo und Mongila setzten sich auf den Dorfplatz inmitten der trommelnden Dorfbewohner und visualisierten das Netz der feinstofflichen Kristalle, die die Menschen überall auf der Welt manifestiert hatten. Sie wussten, dass diese Kristalle nun die einzige Waffe waren, die großen Erdenhüter Kristalle zu beschützen. Die Anstrengung stand ihnen im Gesicht. Aber die Symphonie der Musik, die über die ganze Erde anschwoll, gab ihnen die notwendige Kraft. Und sie wussten, dass sie auch dieses Mal Verstärkung aus der Engelwelt hatten. Aber sie mussten diese Arbeit nun tun.
Überall schwoll der Rhythmus an. Es erklang sanfte Musik von Saiteninstrumenten, rhythmische Trommeln, wundersame Rasseln, Gesang in allen Tonlagen und alles zusammen hob die Schwingung der Erdatmosphäre auf so unglaubliche Weise an, dass alles auf der ganzen Erde und sogar die Erde selbst in Schwingung geriet.
Indessen wurde das Surren immer lauter, alle Menschen intensivierten ihre Bemühungen und gaben alles, was sie zu geben hatten und als die Asuras in die Erdatmosphäre eintreten wollten, fanden sie nur eine dichte Membran aus Energie vor, die sie unmöglich durchdringen konnten. Immer wütender und verzweifelter versuchten sie Schwachstellen in der Membran zu finden, doch die Menschen intensivierten ihre Bemühungen immer mehr. Der Gesang, die Musik, die vielen meditierenden Menschen, die Gebete und Mantras – all dies erschuf einen undurchdringlichen Schutz und nach vielen Stunden wurden die Asuras immer weniger. Einer nach dem anderen verlor die Kraft und löste sich einfach auf. Der große Dunkle im Hintergrund verlor mit jedem seiner sterbenden Schergen ebenfalls ein Stück seiner Kraft und seiner Macht. Er hatte alle, ihm zur Verfügung stehenden, Reserven aktiviert. Nun verlor er doch seinen letzten großen Kampf gegen die Menschen und die Erde. So sicher war er sich dieses Mal gewesen, dass sie die Menschen und die Erde überrumpeln würden, und so gnadenlos war er gescheitert. Ihm war bewusst, dass dies für sehr lange Zeit sein letzter Versuch gewesen war. Er würde Äonen brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen. Diese Schmach und diese Niederlage würden für ihn weitreichendere Konsequenzen haben, als er sich jemals vorgestellt hatte – diese Erkenntnis war der letzte Gedanke, bevor er sich im Universum auflöste.
Langsam wurde das Surren immer leiser und die Menschen schauten vorsichtig nach oben. Sie hatten die Bedrohung die ganze Zeit über nicht gesehen, lediglich hatte der Himmel sich unheilvoll grau-rot verfärbt als das Surren begann. Nun wurde er wieder klar und erhielt langsam seine ursprüngliche Farbe zurück. Immer leiser wurden die Mantren, die Musik, der Gesang. Irgendwann verkündete sich die Nachricht, dass sie es geschafft hatten.
Überall auf der Welt fielen die Menschen sich in die Arme. Die meisten von ihnen realisierten erst jetzt, welcher Gefahr sie gerade entkommen waren. Sie klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Menschen, die schon ewig nicht mehr miteinander gesprochen hatten, umarmten sich, luden sich gegenseitig ein, alles miteinander zu teilen und eine große Erleichterung machte sich auf der Erde breit.
Die Elohim atmeten auf. Endlich war es vollbracht. Sie konnten die Menschenwelt nun verlassen, sogar etwas früher als geplant. Aber es gab nichts mehr für sie zu tun. Und sie würden die Erzengel und die Jung-Engel nun mitnehmen. Die Menschen würden nun in der Lage sein, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Spätestens seit heute wussten sie, dass sie nur bestehen würden, wenn sie gemeinsam an einem Strang ziehen. Dies Lektion hatten sie nun gelernt.
Wenige Augenblicke später fanden sich Theorahel und Luisahim und die zehn anderen Jung-Engel gemeinsam mit den Elohim, Michael, Raphael, Uriel, Gabriel und Phanuel wieder in der Engelwelt. Vieles war ganz anders verlaufen, als sie es geplant hatten und doch konnten sie alle miteinander stolz darauf sein, dass sie stets rechtzeitig, gemeinsam mit den Menschen, das Richtige getan hatten. In der Menschenwelt musste man flexibel sein und schnell handeln. Dadurch unterschied die Menschenwelt sich eindeutig von der Engelwelt. Luisahim und Theorahel wussten jetzt schon, dass die die Menschen und die Menschenwelt sicher vermissen würden. Und so sehr sie freuten, dass sie nun zurück in der Engelwelt waren, so sehr hofften sie insgeheim, dass sich eines Tages wieder eine neue Mission auf der Erde für sie auftun würde. Aber nun würden sie ausruhen. Sie würden den Erfolg genießen und erst einmal wieder ihren Engelaufgaben nachkommen. Sie wurden freudig von ihren Freunden begrüßt und zum ersten Mal seit langer Zeit konnten sie sich ganz beruhigt ausschlafen. Es war alles gut!
Ende –
Vielen lieben Dank an alle, die die Abenteuer von Luisahim und Theorahel bis hierher verfolgt haben.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht, ein wunderschönes Jahr 2022 und es ist so: Wenn wir Menschen zusammenhalten, kann das Gute nur siegen!
Nachdem Silvester eher damit vergangen war, dass Sophie und Jonas viele Instruktionen erhalten und ihre Sachen gepackt hatten, gingen sie alle rasch zu Bett, um am Morgen ausgeruht zu sein. Der Flug nach Dhaka würde um 7.30 Uhr vom Flughafen Wien starten. Jonas und Sophie hatten bereits am Nachmittag schmerzhaft Abschied von Martin, Hannes und Klara genommen und es wurde ihnen bewusst, dass sie nun auch Abschied von ihren Eltern als Sophie und Jonas nehmen mussten. In wenigen Tagen würden die echte Sophie und der echte Jonas diese Körper wieder übernehmen und Luisahim und Theorahel würden wieder in der Engelwelt sein.
Hach, den beiden war recht schwer ums Herz. Nur Jonas Vater würde mitfliegen. Die Duncans hatten beschlossen, dass sie zurück nach England fliegen und von dort die Abreise von Sophies Klasse organisieren würden und Frau Liebhart würde in Wien, gemeinsam mit dem Direktor, die Organisation übernehmen. Somit musste sich Luisa von beiden Eltern, die sie mittlerweile sehr lieb gewonnen hatte, verabschieden und Jonas sich von seiner Mutter und von Paula. Diese Mission war eindeutig nichts für sentimentale Jung-Engel. Am liebsten würden sie all die liebgewonnenen Menschen mit in die Engelwelt nehmen. Einen kleinen Trost hatten sie, dass sie zumindest jedes Jahr an Weihnachten, aus der Engelwelt heraus, nach ihnen schauen konnten. Und wer konnte schon sagen, ob nicht bald ein neues Abenteuer auf sie wartete. Qualifiziert hatten sie sich ja zur Genüge.
Der zwölfstündige Flug nach Dhaka war etwas mühsam. Luisa und Theo dachten daran, wie einfach sie als Engel immer nach Bangladesch gereist waren. Mit dem Flugzeug war das wahrlich sehr beschwerlich. Und somit kamen sie etwas gerädert an, mussten aber ihre Reise noch weiter auf dem Landweg fortsetzen. Sehr müde und zerschlagen erreichten sie Bonnotola und waren zunächst ein wenig enttäuscht, wie distanziert Mongila ihnen gegenübertrat. Aber ja, sie wusste ja nicht, wer sie waren. Im Dorf waren schon ein paar Männer dabei, große Bundeswehrzelte aufzubauen, in denen die Schüler nächste Woche wohnen würden. Mohammed, der Textilunternehmer traf kurz nach Sophie und Jonas ein und erklärte den beiden alles, was sie ja längst wussten. Aber sie ließen sich nichts anmerken.
Der Bau der Fabrik war schon sehr weit fortgeschritten und das Schulgebäude fast fertig. Jonas und Sophie lernten die zukünftigen Lehrer kennen und Herr Liebhart schaute sich an, ob er als Maschinenbauingenieur etwas beitragen konnte. Mittlerweile ging es schon auf Mitternacht zu, was in Bangladesch kein Problem zu sein schien und gemeinsam aßen sie noch ein wunderbares Mahl. Dann war es endlich Zeit schlafen zu gehen. Sophie, Jonas und Herr Liebhart erhielten eine kleine Hütte ganz für sie alleine und Jonas und Sophie hofften, dass sie dieses Privileg beibehalten durften – bis ihnen einfiel, dass es eigentlich völlig egal war, denn wenn die anderen kamen, war es für sie bereits Zeit zurück in die Engelwelt zu reisen.
Die Tage verliefen wie im Flug. Obwohl Jonas und Sophie stets wachsam waren, da sie ja nicht wussten, ob nicht irgendwo die Dunklen wieder auftauchen würden, schien alles sehr ruhig zu sein – bis in der dritten Nacht. Während sie, völlig zufrieden mit ihren bisherigen Ergebnissen, in der Hütte schliefen, pochte es plötzlich heftig an der Tür. Jonas wachte zuerst auf und rechnete damit, dass Mongila draußen stand. Er öffnete die Tür und trat vor Schreck drei Schritte zurück. „Was macht ihr denn hier?“, fragte er und hörte, dass Sophie und Herr Liebhart auch schon wach waren. „Es wird brenzlig, wir müssen sofort etwas unternehmen“, sagte Michael und hinter ihm standen Gabriel, Uriel, Raphael und Phanuel. Jonas, der noch ziemlich verschlafen war, verstand nicht so recht. „Was wird brenzlich? Was müssen wir unternehmen?“, fragte er und zeigte verstohlen auf seinen Vater. Herr Liebhart kannte die fünf Erzengel zwar aus Martins Werkstatt, wusste aber natürlich nicht, wer sie wirklich waren. „Darauf können wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Dann müssen wir ihn eben einweihen“, sagten sie und drängten sich an Jonas vorbei in die Hütte. „Die Dunklen haben einen Plan ausgeheckt und wir können von Glück sagen, dass die großen Engel den Elohim gewarnt haben. Morgen wird alles auf dem Spiel stehen und wir müssen uns so schnell wie möglich eine Gegenwehr überlegen. Wir sind nicht alleine, sogar der Elohim hat noch Verstärkung von zwei weiteren Elohim-Engeln erhalten. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagte Michael, während er sich in der Hütte umsah.
Herr Liebhart, der jetzt erst so richtig munter war, verstand nur Bahnhof. „Was wollten die Kollegen von Hannes hier? Für die hatte er die Erzengel bisher immer gehalten. Er hatte sie immer nur in Verbindung mit Hannes gesehen. Und von welcher Gefahr sprachen sie? Er wusste sich auf das alles keinen Reim zu machen. „Könnte mich mal bitte jemand aufklären?“ fragte er daher vollkommen verwirrt. Insgeheim hoffte er, dass dies nur ein seltsamer Traum war.
Die Erzengel, Sophie und Jonas schauten sich an und wussten, dass dies nun länger dauern würde. Sie mussten ihm ja nicht nur erklären, dass sie eigentlich keine Menschen waren, sondern sogar, dass Jonas eben gar nicht Jonas war, wie Paula es immer gesagt hatte. Sie hatten keine Ahnung wie er reagieren würde. Und offenbar sollte dies auch noch unter Zeitdruck geschehen. Gleichzeitig wollten Sophie und Jonas unbedingt wissen, welchen Plan die Dunklen ausgeheckt hatten. Was konnten sie denn jetzt noch ausrichten. Es war doch schon fast jedes Projekt in trockenen Tüchern und die Menschen spielten fleißig auf ihren Obertoninstrumenten. Eigentlich lief alles nach Plan.
Phanuel war der Erste, der seine Fassung wiederfand und sich bereit erklärte, Herrn Liebhart alles zu erklären. Es waren schwierige zwei Stunden, denn Herr Liebhart ging durch alle möglichen Gefühlszustände. Vor allen Dingen sorgte er sich schrecklich um das Wohlbefinden des echten Jonas, obwohl er immer wieder beteuerte, dass er sich das alles nicht vorstellen konnte. Er raufte sich die Haare und verzweifelte, dann wurde er wieder ruhig und besonnen und so ging das hin und her. Zwischendurch griff er zu seinem Telefon und wollte seine Frau anrufen, doch die Erzengel konnten ihn erfolgreich daran hindern. Nach zwei Stunden waren sie so weit, dass sie über die Strategie der dunklen Mächte und ihre Gegenstrategie sprechen konnten. Sie mussten sich beeilen, es blieb nicht mehr viel Zeit.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen in der letzten Doppelfolge
Jonas und Sophie, die ja jetzt auch Theo und Luisa waren, fühlten sich von den Ereignissen vollkommen überrollt, aber überglücklich. Endlich waren sie wieder die Engel, die sie waren. Und natürlich hatte der Elohim einen Plan für sie. Er und die anderen großen Engel würden dafür sorgen, dass sie sich mit den anderen zehn Engeln beim ersten Durchgang des fliegenden Klassenzimmers treffen würden. Und mit ihrer geballten Kraft, würden sie in den nächsten Tagen noch einmal richtig durchstarten. Aber zunächst stand am nächsten Tag Silvester auf dem Programm und sie konnten noch ein wenig in der Erinnerung schwelgen. „Wollen wir deinen Eltern vorschlagen, dass ihr heute bei uns übernachtet? Dann können wir noch ewig lange plaudern“, schlug Jonas vor. Sophie war begeistert. „Oh, das ist eine tolle Idee! Hoffentlich sind sie damit einverstanden“, sagte sie. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie, solange sie diese Rollen noch hatten, sich mit diesen Namen ansprechen würden.
Bevor sie gingen, vereinbarten sie mit dem Elohim, den Erzengeln, Martin, Hannes und Klara, dass sie sich am morgigen Silvestertag unbedingt noch einmal treffen sollten, um alles Weitere zu besprechen. Doch nun war es Zeit, dass sie alle zur Ruhe kamen. Jonas und Sophie riefen sich, wie mit den Eltern vereinbart, ein Taxi und gaben die Wohnadresse an. Als sie die Tür öffneten hörten sie lautes Stimmengewirr. Ihre Eltern und der Direktor waren in begeisterten Diskussionen vertieft. „Oh, da seid ihr ja wieder“, sagte Sophies Vater und Sophie fiel gleich mit der Tür ins Haus: „Wäre es möglich, dass wir hier schlafen?“, fragte sie. „Jonas und ich haben uns noch so viel zu erzählen.“ Die Erwachsenen schauten alle ein wenig verdutzt. Der Direktor kratzte sich am Kinn. „Das träfe sich jetzt gar nicht so schlecht. Mir fällt gerade ein, dass ich ganz vergessen habe, ein Hotel zu reservieren. Allerdings würden wir auch sicher noch eines finden.“ Frau Liebhart, die Praktische der Familie, hatte sehr schnell eine Entscheidung getroffen. „Wenn Sophie auf deinem Sofa schlafen darf, könnte ich für die Eltern das Bett im Gästezimmer anbieten. Dann ginge das schon und wir könnten hier bis zum Umfallen noch weitere Pläne schmieden. Wollt ihr wissen, was wir schon alles herausgefunden haben?“, fragte sie weiter. Jonas und Sophie schüttelten den Kopf. „Wäre es möglich, dass ihr uns das alles beim Frühstück erzählt?“, fragte Jonas.
Jonas fiel auf, dass die Erwachsenen auch schon ziemlich rote Wangen hatten und auf dem Tisch standen bereits zwei leere Weinflaschen. Sie schienen gerade eine Mischung aus Planung und Party zu veranstalten. Selbst der Direktor versuchte zwar nüchtern zu wirken, war es aber eindeutig nicht mehr wirklich. Jonas musste schmunzeln. So ausgelassen hatte er ihn noch nie gesehen. Aber neue Zeiten brachten eben auch neue Sitten mit sich, dachte er sich insgeheim.
Daher war niemand enttäuscht, dass sie sich jetzt gar nicht so brennend für die Planung interessierten. „Wo ist Paula?“, fragte Jonas. „Paula ist auf dem Sofa eingeschlafen und ich habe sie ins Bett gebracht“, antwortete sein Vater. Jonas freute sich. Das hieß, dass er mit Luisa, die er noch Sophie nennen musste, jetzt ungestört war. „Dann werden wir auch mal ins Bett gehen“, sagte er und zupfte Sophie am Ärmel. „Gute Nacht“, schallte es vom Tisch zu ihnen her. Die beiden grinsten und machten sich auf den Weg zu Jonas Zimmer. „Hast du noch Hunger?“, fragte er Sophie. „Ein wenig schon“, antwortete diese. Sie machten noch einen kleinen Umweg in die Küche und nahmen sich einen Teller mit allerlei Snacks mit. Der Abend konnte beginnen. Sie erzählten und erzählten sich haarklein, was sie bisher alles erlebt hatten und sie waren sich einig, dass sie, bevor sie wieder zurück in die Engelwelt gingen, auf jeden Fall noch einmal Mongila besuchen wollten. Doch sie sahen als Jonas und Sophie völlig anders aus und würden sich ihr kaum zeigen können. Aber sie mussten unbedingt wissen, wie es ihr in der Zwischenzeit ergangen war. Sie schnatterten aufgeregt, bis sie beide von der Müdigkeit übermannt wurden und einschliefen.
Am nächsten Morgen waren die Liebharts schon früh wach, obwohl sie so spät ins Bett gegangen waren. Jonas und Sophie hörten das Klappern von Geschirr und nahmen sich vor, dass sie sich ganz leise verhalten würden, bis alles fertig vorbereitet war. Dies gelang ihnen auch. Und nun waren sie tatsächlich sehr gespannt darauf, was die Erwachsenen ihnen berichten würden.
Es läutete an der Tür. Gedämpft hörten sie die Stimme des Direktors und die einer Frau, die sie nicht zuordnen konnten. Leise schlichen sie zur Treppe und versuchten etwas zu erkennen. Aber alles spielte sich in Küche und Esszimmer ab und das war von hier aus nicht zu sehen. „Ich denke, das Frühstück dürfte bald fertig sein. Ziehen wir uns an und gehen hinunter“, sagte Jonas und grinste.
Am Tisch saßen die Liebharts, die Duncans, der Direktor und eine unbekannte Frau, die sich sehr bald als eine der wichtigsten Sponsorinnen für das Wiener Projekt des fliegenden Klassenzimmers entpuppte. „So, da die jungen Herrschaften nun vielleicht gewillt sein werden, unsere Pläne zu hören, werden wir sie an unserer Genialität teilhaben lassen“, sagte der Direktor und Jonas wunderte sich erneut, wie ausgelassen er sein konnte. „Wir sind gewillt und ganz Ohr“, antwortete Jonas und sah die sechs Erwachsenen aufmunternd an.
„Ihr beiden reist bereits morgen als Vorhut voraus, um vor Ort alles auszukundschaften“, fiel Herr Liebhart dem Direktor ins Wort, bevor dieser auch nur etwas sagen konnte. „Und ich werde euch begleiten“, fügte er hinzu. „Wir haben nämlich heute Nacht so genial geplant, dass wir mit dem fliegenden Klassenzimmer nicht nur ein paar wenige Projekte unterstützen können, sondern wir haben uns mit ganz vielen Projekten vernetzt, die sich über unsere, bzw. eure Unterstützung riesig freuen. Und ihr beiden seid die ersten, die das Projekt praktisch aus der Taufe heben“, sagte er und schaute Jonas und Sophie voller Begeisterung an.
Jonas räusperte sich und sagte nüchtern: „Paps, glaubst du nicht, dass da noch eine ganze Menge Information fehlt?“ Herr Liebhart schaute ein wenig irritiert. „Was fehlt denn?“, fragte er und schaute tatsächlich etwas ratlos. „Das Reiseziel, zum Beispiel“, sagte Sophie und brach gemeinsam mit Jonas in schallendes Gelächter aus. „Nur zu eurer Information. Wir haben eurem feuchtfröhlichen Treffen gestern Abend nicht beigewohnt und es wäre super, wenn ihr uns ein paar Eckdaten nennen könntet“, sagte Jonas.
Nun mussten auch die Erwachsenen lachen. „Ihr fliegt zuerst nach Bangladesch. Da haben wir einen Sponsor, der eine ganz neuartige Textilfabrik aufbaut, in der die Mitarbeiter fair bezahlt werden und die Kinder der Mitarbeiter eine Schulausbildung erhalten“, mischte sich nun die fremde Dame ins Gespräch ein. „Wir fliegen nach Bonnotola!“, rief Sophie freudig aus. Am Tisch wurde es still. „Woher weißt du, wo die Fabrik gebaut werden wird?“, fragte Herr Duncan etwas irritiert und alle Augen richteten sich auf Sophie. Diese biss sich auf die Unterlippe. „Wir haben zufällig von dem Projekt gehört. Hannes hat uns gestern davon erzählt“, fiel Jonas schlagfertig als Erwiderung ein und hoffte, dass das große Sonnenwesen ihm diese Lüge verzeihen würde. Damit waren alle zufrieden. „Genau, ihr fliegt nach Bonnotola. Eure Aufgabe wird sein, dabei zu helfen, alle Materialien, die die Schule braucht, zu definieren und auch für eure Klassenkollegen Wohnmöglichkeiten zu besorgen. Für euch haben wir schon einen Platz gefunden und wenn ihr unten alles geregelt habt, kommen eure Schulklassen nach. Wir denken, ihr habt eine Woche Zeit, dann können sich die anderen Schüler auch darauf vorbereiten. Soeben werden bereits alle Eltern kontaktiert“, ergänzte der Direktor. Sophie und Jonas kniffen sich unter dem Tisch gegenseitig in die Knie, so sehr freuten sie sich darauf, Mongila so bald wiederzusehen.
Der Vormittag verlief wie im Flug mit Besprechungen, Planungen, Buchungen von Flügen und Sophie und Jonas erinnerten sich, dass sie sich ja noch mit dem Elohim, den Erzengeln, Hannes, Klara und Martin treffen wollten. Längst war besprochen, dass die Anwesenden Silvester gemeinsam feiern würden und somit störte es niemanden, dass die beiden sich auf den Weg machten. Kurz bevor sie das Haus verließen, zupfte Paula Jonas an der Jacke. „Ich habe gewusst, dass etwas mit dir nicht stimmt. Kommt der echte Jonas bald zurück?“, wisperte sie. Theo schaute ihr tief in die Augen, nahm sie in den Arm und sagte: „Ja, schon sehr bald.“ Paula lächelte zufrieden. Beim Hinausgehen fragte Sophie: „Woher hat sie es gewusst?“ Jonas-Theo zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, aber sie hat die ganze Sache als Einzige durchschaut.“
Bei Klara angekommen, wurde Theo und Luisa nun bewusst, dass sie schon wieder Abschied nehmen mussten. Sie würden, noch während sie in Bangladesch waren, wieder in die Engelwelt zurückkehren. Das bedeutete, dass sie sich von Hannes, Martin und Klara endgültig verabschieden mussten. „Ein bisschen viel Abschied“, sagte Theo, der sich gerade gar nicht als Jonas fühlte. Alle nickten traurig. „Aber noch sind wir beisammen und haben eine Menge zu besprechen“, versuchte der Elohim die Stimmung ein wenig aufzuheitern.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen
Ich wünsche Euch eine wunderbare Nacht und schöne Träume
Der Elohim schaute Jonas und Sophie eine lange Zeit an und er erkannte, dass es sich bei den beiden um die beiden ehemaligen Jung-Engel Theorahel und Luisahim handelte. Obwohl diese Situation nun völlig außerhalb des ursprünglichen Planes war, fühlte er sich erleichtert. Auch für ihn war es schwer gewesen, die beiden Engel, die ihm mit ihrem Mut und ihrer Tüchtigkeit so sehr ans Herz gewachsen waren, einem doch ungewissen Schicksal zu überlassen.
„Ich bin Elohim“, sagte er. „Ihr kennt mich aus eurer früheren Existenz. Ist euch aufgefallen, dass ihr vor Kurzem Erinnerungslücken gehabt habt?“, fragte er die beiden. Jonas und Sophie nickten und starrten dabei den Elohim mit großen Augen an. „Ja, das haben wir beide, völlig unabhängig voneinander, gehabt. Wir kennen uns ja erst seit heute und haben festgestellt, dass wir beide in den letzten Tagen das gleiche erlebt haben. Und als wir durch Wien gegangen sind, hatten wir das Gefühl, dass wir da schon gemeinsam unterwegs waren. Aber das kann ja nicht sein. Sophie lebt in England und war noch nie in Wien“, erklärte Jonas ihre Situation. Der Elohim hörte zu und atmete innerlich auf. Sie waren es wirklich. Nun musste er sehr behutsam vorgehen. Er hatte schon die Möglichkeit, den beiden ihre Erinnerung an das Leben als Engel wieder zu geben, aber er musste erst herausfinden, wie sie damit zurechtkommen würden. Wenn sie das Wissen darum zu stark aus ihrem Gleichgewicht brachte, würden sie sich in ihrem Leben nicht mehr zurechtfinden, und sie mussten ja noch eine Weile in der Rolle des Jonas und der Sophie bleiben. Daher musste er sie jetzt erst einmal besser kennenlernen und herausfinden, was sie vielleicht schon ahnten.
„Hattet ihr eine Idee, woran das mit dem Gedächtnis liegen könnte?“, fragte er deshalb behutsam. Die beiden schwiegen eine Weile. „Bitte entschuldigen sie, sie sagten ihr Name wäre Elohim. Das ist schön, dann wissen wir, wer sie sind. Aber was mir noch nicht klar ist, ist was sie sind? Sind sie ein Außerirdischer?“, fragte Jonas beherzt. Der Elohim lachte. „Wenn du so willst, bin ich tatsächlich ein Außerirdischer. Ich bin ein Engel. Sogar ein großer Engel der vierten Hierarchie-Ebene.“ Jonas und Sophie standen immer noch da und starrten ihn an. „Sie sind also ein Engel?“, fragte Sophie. „Einer von den Engeln, die noch bis vor Kurzem über den Himmel gezogen sind? Und warum sind sie hier?“, fügte sie hinzu. Der Elohim war sich bewusst, dass sie ein Recht hatten, dies alles zu erfahren. „Das könnte ein wenig länger dauern. Mögt ihr euch nicht setzen? Vielleicht ist Klara so lieb, und macht euch einen Kakao?“, fragte er mit leichtem Zwinkern zu Klara.
Über eines waren sich Jonas und Sophie gewiss, sie waren hier nicht in Gefahr. Der Elohim strahlte so viel Liebe und Güte aus und ihnen beiden kam er auch irgendwie bekannt vor, doch sie konnten es nicht einordnen. „Oh ja, ein Kakao wäre genial. Aber ich denke, ich sollte noch einmal meinen Eltern Bescheid geben, dass es jetzt doch länger dauert“, sagte Jonas. Er rief erneut seine Mutter an, die aber nicht im Geringsten besorgt schien. Sie kannte Klara und die anderen ja bereits. Sie hatte nur eine einzige Bedingung, dass sie nicht zu Fuß nach Hause gehen, sondern sich ein Taxi nehmen sollten. Sie erwähnte noch kurz, dass sie alle noch mitten in der Planung des fliegenden Klassenzimmers steckten und auch noch eine sehr lange Weile damit beschäftigt sein würden. Somit hatten sie nun Zeit, den Erklärungen des Elohim zu lauschen. Sie fühlten beide, dass sie gerade im Begriff waren, etwas ungeheuer Wichtiges zu erfahren.
Als sie dampfende Tasse mit dem süßen Kakao vor sich stehen hatten, fuhr der Elohim fort. „Seid ihr denn bereit dazu, dass ich euch etwas sage, das euch betrifft und das euch vielleicht ein wenig…sagen wir mal, irritieren könnte?“, fragte er die beiden. „Wird es uns mehr irritieren, als die Tatsache, dass wir beide vor wenigen Tagen aufgewacht sind und uns an nichts aus unserem Leben mehr erinnern konnten, nicht einmal mehr an unsere Eltern?“, fragte Jonas. Der Elohim schüttelte den Kopf. „Ich vermute nicht. Auf jeden Fall wird das Erlebte dann einen Sinn machen, wenn ihr die Geschichte dahinter kennt“, sagte er. „Wir hören gespannt zu“, sagte Sophie und klammerte sich an ihre Tasse. „Welch eine absurde Situation“, dachte sie und atmete tief durch. Aber was war in den letzten Tagen schon normal gewesen?
Der Elohim begann ganz von vorne. Er erzählte ihnen, dass sie zwei tüchtige Jung-Engel in der Engelwelt waren und dass der große Rat der Engel vor einigen Wochen beschlossen hatte, dass sie den Menschen auf der Erde zu Hilfe eilen müssten, da die dunklen Mächte ihr Unwesen nun schon so heftig trieben, dass es für die Menschen schon unerträglich wurde. Er erzählte ihnen, wie eigentlich geplant war, dass sie nur jeden Tag auf die Erde reisen, und am Abend wieder zurückkehren sollten. Auch wie es dazu kam, dass dies nicht ausreichte, sondern dass die Erzengel Michael, Gabriel, Raphael, Phanuel und Uriel mit ihnen hinab gereist waren. Als er an diese Stelle angekommen war, unterbrach ihn Sophie. „Sie wollen also sagen, dass die fünf Männer hier“, dabei zeigte sie auf die Erzengel „…in Wahrheit auch Engel sind? Sogar Erzengel?“ Der Elohim nickte zustimmend und die fünf Erzengel grinsten.
„Und warum sieht man es den fünf Männern nicht an, dass sie Engel sind? Sie sehen ja aus wie Menschen“, fragte Sophie weiter. „Weil die unteren drei Hierarchie-Ebenen, sich in Menschen verwandeln können“, sagte der Elohim. Ab der vierten, zu der ich gehöre, geht das nicht mehr. Wir sind immer Engel. Egal, wo wir uns aufhalten.“ Sophie schien zufrieden. Zumindest fragte sie nicht weiter. Jonas schwieg und wartete darauf, wie die Geschichte weiterging.
Der Elohim berichtete, wie die Macht der Dunklen doch größer war, als sie alle gedacht hatten und dass sie zwar wunderbare Fortschritte machten, dies aber alles zu langsam ging. Er erzählte, wie sie Martin, Klara und Hannes und auch Mongila kennengelernt hatten. Und wie es dazu kam, dass jetzt so viele Sender auf der Welt jeden Abend Menschen zusammenbrachten, die gemeinsam eine neue Welt erschufen. Hier unterbrach ihn Jonas: „Das heißt jetzt, wenn ich das richtig verstehe, dass dies alles, was auf der Welt gerade geschieht, eigentlich von uns begonnen wurde? Also nicht von uns, Jonas und Sophie, sondern von…wie hießen wir damals nochmals?“, fragte er. „Theorahel und Luisahim“, antwortete der Elohim.
„Meine Fresse!“, entfuhr es Jonas. „Wir sind ja ganz schöne Influencer, oder?“ Bei diesem Satz lachten alle auf. „Ja, das kann man so wohl sagen“, antwortete der Elohim. „Ich brauche mal eine kurze Pause. Kann ich mal fünf Minuten raus und ein wenig frische Luft schnappen?“, fragte Jonas und Sophie schloss sich an. „Natürlich! Machen wir mal eine kurze Pause. Es wird auch den Erzengeln guttun, wenn sie mit euch ein wenig nach draußen gehen.
„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, dachte der Elohim. Er kannte die menschliche Psyche nicht gut genug, um zu wissen, was all diese Informationen bei den beiden anrichtete. Daher war es ihm wohler, wenn die Erzengel sie begleiteten. Er selbst würde eine kurze Innenschau halten, um in Verbindung mit den anderen großen Engeln zu treten und sich auszutauschen, wie weit er ihre Erinnerungen wiederherstellen sollte.
Als sie wieder hereinkamen, war auch der Elohim erleichtert, da er die Rückversicherung von den noch größeren Engeln erhalten hatte, dass er den beiden sämtliche Erinnerungen wieder zur Verfügung stellen durfte, auch wenn es für die zwei nicht leicht sein würde, ab sofort zumindest noch für ein paar Tage ein Doppelleben zu führen.
Jonas und Sophie schienen sehr stabil zu sein, denn sie wirkten weder sonderlich verwirrt, noch beunruhigt. Daher fragte der Elohim ob sie nun bereit wären, wieder ihre Erinnerungen zu erhalten. Beide nickten. „Ihr müsst euch aber bewusst sein, dass ihr noch mindestens für ein paar Tage als Jonas und Sophie leben müsst und dass eure Eltern nichts davon erfahren sollten. Erst dann werden wir euch wieder zu uns in die Engel-Welt holen können.“
Jonas fuchtelte plötzlich mit den Händen. „Aber was ist dann mit diesen Körpern? Sterben die dann? Und wo sind eigentlich die echte Sophie und der echte Jonas?“, fragte er. Der Elohim lachte. „Es spricht für dich, dass du dir darüber Gedanken machst. Die beiden sind immer noch da, sind aber in ihrem Bewusstsein stark herabgedämpft. Ihr könnt euch vorstellen, sie sitzen derzeit wie schlafend auf der Reservebank. Allerdings werden wir dafür sorgen, dass sie an die Erinnerungen der letzten Tage herankommen werden, sodass sie nicht die gleiche Verwirrung erleben werden, die ihr erlebt habt, als ihr vor einigen Tagen aufgewacht seid. Jonas und Sophie werden fast normal da weitermachen, wo ihr aufgehört habt, aber zunächst werdet ihr euch den Körper gewissermaßen teilen“, sagte der Elohim. Sophie zuckte mit den Schultern. „Wie gut, dass ich das nicht verstehen muss“, sagte sie.
Der Elohim hieß sie nun, die Augen zu schließen und versetzte sie in eine tiefe Trance. Aus der Engelwelt heraus wurden nun alle Erinnerungen an das Leben als Theorahel und Luisahim und die Erdenexistenz als Theo und Luisa gesendet.
Nach etwa einer halben Stunde war alles vorbei. Theo-Jonas und Luisa-Sophie waren nun soweit, dass sie ihren Auftrag weiter erfüllen konnten. Aber zuerst fand ein riesiges Fest des Wiedererkennens an. Theo-Jonas und Luisa-Sophie umarmten alle Anwesenden. Plötzlich war die Vertrautheit der ganzen Zeit wieder normal und sie wussten um ihre Existenz. „Dürfen wir jetzt also doch wieder zurück in die Engelwelt?“, fragte Luisa-Sophie. Der Elohim nickte. „Ja, das dürft ihr und mit euch alle anderen Jung-Engel auch. Es sind ein paar der großen Engel unterwegs um ihren ebenfalls ihre Erinnerungen wieder zu geben. Es hatte offensichtlich genügt, dass ihr euch zu diesem riesengroßen Opfer bereit erklärt habt. Vielen Dank an euch!“, sagte der Elohim und lächelte die beiden zärtlich an. Auch ihm fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen. Es wäre vermutlich leichter gewesen, selbst so ein Opfer zu erbringen, als es von diesen wunderbaren Jung-Engeln zu verlangen. Doch er wäre nicht dazu in der Lage gewesen.
Es war ein großer Moment der Freude!
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche euch eine wunderbare Nacht und wundervolle Träume!
Michael, Martin, Jonas und Sophie saßen immer noch gemütlich beisammen, als Hannes und Klara dazustießen. „Wir wollten euch eigentlich holen, denn wir haben noch Einiges drüben zu besprechen. Wir wussten ja nicht, dass du Besuch hast, Martin.“ Martin stellte Sophie vor, Jonas kannten sie bereits. Hannes war ein wenig unruhig, denn einladen konnte er die beiden ja nicht, da drüben, in Klaras Wohnung, der Elohim saß. Und dem sah man auf den ersten Blick an, dass er kein Mensch war. Aber Jonas und Sophie hatten den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. „Ich denke, wir sollten dann sowieso wieder gehen. Unsere Eltern warten sicher schon auf uns“, sagte Jonas. Martin hatte das Gefühl, dass er die beiden nicht gehen lassen wollte. Er hatte einen Verdacht und wollte dem auf den Grund gehen. Daher sagte er: „Könnt ihr bitte noch einen Moment warten. Ich würde gerne drüben etwas besprechen und euch dann erst verabschieden. Oder habt ihr es sehr eilig?“ Jonas und Sophie sahen sich an. „Ich denke, dann rufe ich unsere Eltern kurz an. Wenn sie wissen, dass wir hier sind, ist das sicher kein Problem“, antwortete Jonas.
Martin, Hannes, Michael und Klara gingen hinüber zum Elohim und den anderen Erzengeln. Martin fing ohne Einleitung an zu sprechen: „Bei mir drüben in der Werkstatt sitzen gerade die beiden jungen Leute. Jonas, der junge Mann, den Hannes damals in der Stadt beim Taubenfüttern getroffen hatte, und ein etwas gleichaltriges Mädchen aus England. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass ich die beiden kenne. Mir kam das schon beim ersten Mal so vor, als ich Jonas getroffen habe. Als wäre er mir sehr vertraut.“ Hannes nickte. „So ging es mir auch. Worauf willst du hinaus?“, fragte er.
„Ich will darauf hinaus, dass ich einen Besen fresse, wenn das nicht Theo und Luisa sind. Der Elohim sog hörbar die Luft ein, sagte aber nichts. Die Erzengel schauten sich im Raum um, sagten ebenfalls nichts. „Hat es euch allen jetzt die Sprache verschlagen?“, fragte Martin. Der Elohim schüttelte den Kopf. „Nein, es hat mir nicht die Sprache verschlagen, aber das wäre ein seltsamer Zufall. Ich möchte die beiden kennenlernen.“
„Tja, das wird aber nicht ganz so einfach sein. Was sollen wir ihnen erklären, wer du bist?“, fragte Martin. Der Elohim dachte nach. „Wenn das tatsächlich Theo und Luisa sind, brauchen wir nicht viel zu erklären. Spätestens wenn sie mich sehen, wird ihre Erinnerung wieder zurückkommen.“ „Ja und? Was machen wir dann? Könntest du die beiden denn wieder zurückverwandeln?“, fragte Hannes. Der Elohim wiegte seinen Kopf hin und her. „Ach, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ginge das schon. Aber zunächst wäre es wahrscheinlich hilfreicher, wenn sie bleiben, wer sie sind und mit dem Wissen um ihre Herkunft weiter an der Sache dranbleiben.“ „Aber sollte das nicht vermieden werden?“, fragte Martin. „Nein“, sagte der Elohim. „Es ging nie darum, dass irgendetwas vermieden werden sollte. Es ging nur um das Opfer. Es war die Kraft des unglaublichen Opfers, das die beiden und die zehn anderen Jung-Engel erbracht haben, dass das, was wir jetzt geschafft haben, erst möglich wurde. Und bei einem Opfer geht es auch nicht darum, dass es zwingend bis ins Letzte durchexerziert werden muss, sondern es geht um die Entscheidung und die Bereitschaft. Und die haben die beiden erbracht. Sie konnten nicht damit rechnen, dass wir sie wieder treffen und wir sie eventuell sogar in ihr altes Leben zurückholen werden. Aber momentan denke ich, dass es sehr sinnvoll wäre, wenn die beiden wüssten, wer sie sind. Ich glaube, wir brauchen sie dringender als wir denken – und zwar mit allen Fähigkeiten – denen der Menschen und denen der Engel. „Okay, soll ich sie jetzt herüberholen?“, fragte Martin. „Ja, hol sie“, antwortete der Elohim.
Bei den Dunklen herrschte eine schreckliche Stimmung. „Ihr habt total versagt!“, herrschte der große Dunkle die Asuras an. „Es wäre ein Leichtes gewesen, die drei Menschen zu überwältigen, wenn ihr euch angestrengt hättet.“ Die Asuras antworteten im Chor: „Was heißt die drei Menschen? Da waren Heerscharen von Engeln im Hintergrund, die die Menschen abgeschirmt haben.“ Der große Dunkle wischte mit dem Arm durch die Luft, dabei quoll dicker schwarzer Rauch aus seinen Ärmeln. „Wie soll nur irgendetwas funktionieren, wenn man nur so eine unfähige Meute wie euch zur Verfügung hat?“, donnerte er weiter. Und so ging es noch eine ganze Zeit. Er konnte sich einfach nicht beruhigen. Die Wut auf die Schergen, auf die Menschen, auf die Engel brachte ihn fast um den Verstand. Sie waren ihrem Ziel so verdammt nahe gewesen. So viele mächtige Menschen hatten sie in ihren Bann gezogen und die anderen Menschen hatten auf sie gehört. Und plötzlich hatten diese Menschen all ihren Einfluss verloren. Und nun machten alle einfach, was sie wollten. Damit hatte er nicht gerechnet. Er schwor bittere Rache. So einfach würden ihm diese Erdlinge nicht davonkommen. Aber er brauchte einen neuen Plan und neue Verbündete. Die alten hatten versagt. Er hatte auch schon eine Idee.
Martin ging zurück zur Werkstatt. Ihm war ein wenig mulmig zumute. Was, wenn er sich getäuscht hatte und die beiden gar nicht Theo und Luisa waren? Wie würden sie reagieren, wenn sie den Elohim sahen? Warum war alles nur so schrecklich kompliziert? Doch die Tatsache, dass ihm Jonas und Sophie so vertraut waren, obwohl er sie eigentlich gar nicht richtig kannte und dass ihnen die Werkstatt so vertraut war….es musste einen Grund geben.
Die beiden saßen immer noch auf der Couch in der Ecke und unterhielten sich. Martin schluckte. „Mögt ihr bitte mal mit mir mitkommen? Wir haben eine Art Überraschung für euch. Ich weiß nicht, ob ihr damit etwas anfangen könnt….aber seht selbst“, sagte er und merkte, wie schwer es ihm fiel unbeschwert zu wirken. Er hatte insgeheim ziemliche Angst vor der Reaktion der beiden. Es war, als würden sie gerade das ganze Projekt in Gefahr bringen. Doch der Elohim musste ja wissen, was er tat. Das war Martins einziger Hoffnungsanker. Er trug ja nicht die Verantwortung, sondern der Elohim war das höchste Wesen hier in ihrem Kreis. Und wenn er es wagen wollte, dann musste es doch richtig sein… Doch so ganz sicher war er sich nicht. Jonas und Sophie folgten ihm arglos. An der Tür empfing sie Phanuel. „Wir werden euch jetzt etwas zeigen. Und womöglich werdet ihr eine neue Erinnerung empfangen, bzw. eine alte Erinnerung zurückbekommen. Bitte erschreckt euch aber nicht“, sagte er. Auch er war etwas unsicher, wie das nun vor sich gehen sollte. Der Lichtschein des Elohim reichte bis in den Flur hinein und Jonas und Sophie wurden schon sehr neugierig. „Sind wir in Gefahr?“, fragte Sophie. Es kam ihr ein wenig seltsam vor, dass sowohl Martin als auch dieser Mann, den sie nicht kannte, sich so seltsam verhielten. „Nein, ihr seid nicht in Gefahr. Aber was wir euch jetzt zeigen, ist ein wenig ungewöhnlich für Menschen“, ergänzte Phanuel. Sophie und Jonas wechselten einen Blick. Das war ja alles ein wenig merkwürdig.
Phanuel machte eine Handbewegung in Richtung des Wohnzimmers und Jonas und Sophie gingen zögerlich in die angedeutete Richtung. Der Lichtschein des Elohim wurde immer heller, je näher sie dem Wohnzimmer kamen. Da öffnete Gabriel von innen die Tür vollständig und ließ sie eintreten.
Der Elohim lächelte sie an. Jonas und Sophie standen wie vom Donner gerührt. Sophie begann sofort zu weinen. Etwas überwältigte sie. Jonas legte fast automatisch den Arm um ihre Schultern. „Warum weinst du?“, fragte Phanuel sanft. „Ich weiß es nicht. Es ist so fremd und doch habe ich gerade das Gefühl, als ob ich nach einer langen Zeit nach Hause kommen würde“, sagte sie und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Jonas schwieg noch immer und starrte den Elohim an, der sanft lächelte. „Erkennst du mich?“, fragte der Elohim. Jonas schluckte. „Ich…ich weiß nicht. Mir geht es ähnlich wie Sophie und ich verstehe nicht…Wer sind sie?“
Und wie es weitergeht, erfahrt Ihr morgen. Ich wünsche Euch einen guten Rutsch ins Jahr 2022 und ein wunderschönes, erfülltes Neues Jahr!
Es herrschte große Aufregung im Hause Liebhart. Der Direktor hatte angerufen. Heute würde die englische Delegation anreisen. Alles ging wahnsinnig schnell. Herr und Frau Liebhart hatten vorgeschlagen, dass die Besprechung bei ihnen zuhause stattfinden könnte. Der Direktor hatte dankend angenommen. Offenbar kam ebenfalls eine Familie aus England und gemeinsam würden sie besprechen, wie sie das fliegende Klassenzimmer organisieren würden. Frau Liebhart rannte aufgeregt zwischen Küche und Speisekammer hin und her. „Was soll ich nur vorbereiten. Was könnte Engländern und dem Direktor schmecken?“, murmelte sie ständig vor sich hin. „Also über die Engländer würde ich mir nicht so viele Gedanken machen“, sagte Jonas. „Die sind jetzt nicht gerade für ihre raffinierte Küche bekannt.“ Herr Liebhart lachte. „Jonas hat recht, vermutlich wären Fisch und Chips nicht schlecht, aber vielleicht machen wir einfach Pizzaschnecken und einen Salat, das hat immer schon allen geschmeckt. Und die können Jonas und Paula auch alleine zubereiten, während wir uns besprechen“, sagte Herr Liebhart.
Frau Liebhart schien damit einverstanden zu sein, denn sie wurde merklich ruhiger. Es kam ja niemand um ihre Kochkünste zu bewundern, aber es sollte eben doch allen schmecken. Nervös schaute sie auf die Uhr. Sie hatten noch vier Stunden Zeit, dann würde der Direktor die Gäste am Flughafen Wien Schwechat abholen und direkt zu ihnen kommen. Herr Liebhart und Jonas würden noch ein paar Stunden zu Martin in die Werkstatt fahren, aber versprachen rechtzeitig zurück zu kommen.
Martin wirkte heute ein wenig unausgeschlafen und hatte dunkle Ringe unter den Augen. „Geht es dir nicht gut?“, fragte Jonas. Martin winkte ab. „Ach nein, ich habe vergangene Nacht nur ein wenig schlecht geschlafen.“ Insgeheim dachte er sich, dass selbst wenn er die Geschichte erzählte, ihm niemand glauben würde. Das war alles ein wenig absurd. Und tatsächlich fiel er nach dem gestrigen Kampf mit den Dunklen und der Errichtung des Kristallgitters in einen tiefen traumlosen Schlaf und trotzdem hatte er sich heute Morgen gefühlt, als hätte ihn über Nacht ein Traktor mehrfach überrollt. Aber wenn das stimmte, was der Elohim sagte – und davon ging er aus – hatte sich das ja mehr als gelohnt. Er hatte heute auch das Gefühl, als würde die Atmosphäre sich leichter anfühlen. Aber vielleicht bildete er sich das alles nur ein. Rasch bauten sie die Wagen, die sie bereits vorbereitet hatten zusammen und begannen schon, das Holz für die nächsten fünf zu schneiden. Als Jonas das erste Mal auf die Uhr schaute, war es schon fast soweit, dass sie sich auf den Weg machen mussten. Sie erzählten Martin, wie rasend schnell alles ging und dass Jonas Direktor es binnen eines Tages geschafft hatte, eine kleine Delegation aus England zu organisieren, um gemeinsam das Projekt zu planen. Martin staunte nicht schlecht. Es war unglaublich, wie alles seinen Lauf nahm. Als er die Begeisterung bei Jonas sah, dachte er kurz an Theo. Wie schade, dass er das nicht miterleben konnte.
Als Jonas und sein Vater zuhause ankamen, duschten sie nur rasch und zogen sich frische Kleidung an, als es auch schon an der Tür läutete. Draußen stand der Direktor und Jonas begrüßte ihn respektvoll. Hinter ihm standen ein Mann, eine Frau und ein Mädchen in Jonas Alter. „Darf ich vorstellen“, sagte der Direktor in recht flüssigem Englisch. „Das sind Mr. Und Mrs. Duncan mit ihrer Tochter Sophie.“ Die Liebharts begrüßten die Familie Duncan und hießen sie willkommen.
Das Eis war schnell getaut und sowohl die Eltern, als auch Jonas und Sophie verstanden sich hervorragend. „Ist es für euch in Ordnung, wenn ich Sophie ein wenig die Stadt zeige? Sie war noch nie in Wien“, fragte Jonas. Die Erwachsenen waren einverstanden, da sie bereits mitten in der Planung angekommen waren. Jonas und Sophie zogen sich eine warme Jacke an und machten sich auf den Weg. Sophie staunte und wurde immer stiller. Nach einer Weile fragte Jonas: „Ist alles in Ordnung mit dir?“, Sophie nickte nur und schwieg noch eine Weile. Irgendwann begann sie wieder zu sprechen. „Es ist seltsam, aber mir kommt das alles sehr bekannt vor“, sagte sie plötzlich. Jonas, der dieses Erlebnis erst vor Kurzem in Martins Werkstatt gehabt hatte, verstand sofort was sie meinte. „Kannst du dir erklären, woher das kommt?“, fragte er Sophie und erzählte ihr von dem Erlebnis in der Werkstatt. Sophie dachte nach und sagte dann: „Und wenn ich ganz ehrlich bin, kommst auch du mir sehr bekannt vor. Es ist fast so, als wären wir hier schon einmal gemeinsam entlanggegangen.“ Jonas, der ebenfalls sofort eine starke Vertrautheit mit Sophie empfunden hatte, wurde auch immer nachdenklicher. „Irgendetwas ist seltsam“, sagte Sophie. „Und ich weiß nicht, was es ist.“ Jonas hatte plötzlich eine Idee. Es war noch früh genug, dass sie noch einmal zu Martin in die Werkstatt schauten. Er würde sicher noch arbeiten. Zielsicher lenkte er seine Schritte in die Richtung. Er wusste nicht warum, aber er wollte Sophie die Werkstatt zeigen.
Jonas hatte recht gehabt. Martin arbeitete noch und war sichtlich erfreut über den Besuch. Sophie ging, ähnlich wie Jonas am ersten Tag, durch die Werkstatt. „Hast du auch das Gefühl, dass dir das alles bekannt vorkommt?“, fragte Jonas. „Ja, es ist wie eine undeutliche Erinnerung. Aber ich wüsste nicht, woher die kommen sollte“, sagte Sophie. „Ich war noch nie in Wien. Nicht einmal in Österreich.“ Martin kratzte sich am Kopf, wie er das immer tat, wenn er nachdachte. Ein Verdacht keimte in ihm auf.
Der Elohim und die Erzengel berieten, was sie noch zu tun hatten, bevor sie in wenigen Tagen endgültig die Menschenwelt verlassen würden. „Ich bin guter Dinge. Die Menschen haben die Chance aufgegriffen und fangen an, neue Strukturen zu schaffen und die Welt zu einem lebenswerten Platz für alle zu machen. Das gibt mir und den anderen großen Engeln Hoffnung“, sagte der Elohim.
„Aber wie können wir sicher sein, dass diese Entwicklung anhält, auch wenn wir nicht mehr da sind?“, fragte Michael. „Wir haben es in der Geschichte der Menschheit doch schon öfter erlebt, wie schnell sie sich auf die Dunklen einlassen, wenn diese es ihnen nur schmackhaft genug machen“, fügte er noch hinzu. „Wir sind nicht die Babysitter der Menschen“ antwortete Phanuel. „Diejenigen, die sich wirklich bemühen, werden wir auch aus unserer Welt heraus unterstützen. Aber wenn sie nicht wollen, können wir nichts machen. Wir haben die letzten Wochen mehr eingegriffen als wir vorgehabt haben. Mehr können wir nicht tun.“
Gabriel schaute still vor sich hin und sagte dann: „Ich liebe die Weihnachtszeit sehr. Nicht nur, weil ich der Zeitgeist der Weihnachtszeit bin, sondern auch deshalb, weil die Menschen innerlich empfänglicher sind, als zu anderen Zeiten. Auch jetzt in den Tagen des Jahreswechsels sind sie mehr bereit als sonst, ihr Leben anzuschauen und zu reflektieren. Das macht mir immer wieder Mut und Hoffnung.“
„Ich schaue mal hinüber zu Martin“, sagte Michael. „Ich habe ihn seit gestern Abend nicht mehr gesehen und ich möchte wissen, wie es ihm geht.“ Michael ging über den Hof und sah durch die Fenster, dass Martin noch Besuch hatte. Kurz zögerte er, dann klopfte er doch an. „Komm rein, Michael! Ich habe dich schon gesehen!“, rief Martin. Michael trat ein und Martin stellte ihm Jonas und Sophie vor. Michael hatte von Hannes bereits über Jonas gehört und nickte freundlich.
Die beiden Familien Liebhart und Duncan sowie der Direktor saßen mit glühenden Ohren über ihren Plänen. Immer bunter wurde die Planung für das Jahr und da sie schon genügend Sponsoren hatten, mussten sie sich nicht einmal Gedanken darüber machen, ob sich das alle leisten konnten. Sondern sie konnten einfach planen. Wie großartig das war! Mr. Duncan erklärte, dass er, als Arzt, natürlich gerne irgendwohin reisen würde, wo natürliche Heilmittel eingesetzt werden und gemeinsam kamen sie auf die Idee, dass sich das im Regenwald ja wunderbar verbinden ließ. Sie würden zwei Gruppen machen. Die einen würden zuerst im Forstprojekt arbeiten und die andere Gruppe startete mit der Bestimmung und den Heilwirkungen der Pflanzen. Sie hatten dazu zwar noch keinen Ansprechpartner vor Ort, waren aber sehr zuversichtlich, dass sie den geeigneten Menschen schon noch finden würden.
Zwischendurch schaute Herr Liebhart auf die Uhr. Sophie und Jonas waren lange unterwegs. Aber dann erinnerte er sich daran, dass die beiden alt genug waren, sich im recht sicheren Wien auch in den Abendstunden zu bewegen. Er ahnte nicht, dass sie beiden bei Martin saßen und dass sich bald ein riesiges Geheimnis lüften würde.
Und wie es weitergeht, erfahrt Ihr morgen
Ich wünsche Euch eine gute Nacht uns schöne Träume
Langsam kamen Hannes, Martin und Klara wieder zu sich. Sie wirkten müde und erschöpft, aber auch glücklich. Immerhin hatten sie einen schweren Kampf ausgefochten. Der Elohim erklärte ihnen, was eigentlich passiert war, und dass sie es nur mit der Unterstützung der Engel geschafft hatten, den Plan der Dunklen zu vereiteln. Damit hatten diese einfach nicht gerechnet. „Ich hätte nicht geglaubt“, sagte Hannes, „dass ich dieses Jahr noch die Welt retten muss.“ Klara kicherte. Martin saß immer noch unbeweglich und starrte vor sich hin. „Martin, was ist los mit dir?“, fragte Hannes. „Lass ihn noch eine Weile, er ist sehr erschöpft. Martin musste weit über seine Kräfte gehen. Ihn haben sie am meisten angegriffen“, sagte der Elohim. Michael stand auf und holte Martin ein Glas Wasser aus der Küche und hielt es ihm wortlos hin. „Er könnte etwas Zucker gebrauchen“, sagte der Elohim. „Klara hast du Kekse da?“ Klara bejahte und eilte sofort in die Küche um einen Teller Kekse zu holen.
„Bin ich froh, dass wir das geschafft haben. Ich werde jetzt sofort in mein Bett fallen und hundert Jahre schlafen“, sagte Hannes. Die Erzengel schauten den Elohim an, der sich räusperte und sagte: „Tja, leider sind wir noch nicht ganz fertig. Eine Kleinigkeit fehlt noch. Ihr müsst noch einmal los“, sagte er. Hannes starrte ihn entgeistert an. „Nicht dein Ernst“, sagte er nur tonlos und griff nach den Keksen. Da er nicht weiterfragte, sagte der Elohim auch nichts mehr. Zumal nicht sicher war, ob Martin heute noch dazu in der Lage war. Dieser saß immer noch unbeweglich da und starrte in die Luft.
Mongila saß vor ihrer kleinen Fabrik und fragte sich, was dieses Brausen gerade zu bedeuten hatte. Es dauerte zwar nur ungefähr eine Stunde, aber sie war völlig erschöpft, als wäre sie mitten in einem Orkan gewesen. Sie vermisste den Gesang der Engel so sehr. Doch die Stille war gar nichts gegen das Getöse soeben am Himmel. Doch nun schien es vorbei zu sein. Sie konnte plötzlich wieder atmen. Vorhin war es ihr, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Die anderen Menschen im Dorf hatten es ebenfalls bemerkt, aber nicht so heftig wie Mongila. Sie hatte sich gefühlt, als wäre sie mitten in einen Kampf geraten. Langsam atmete sie auf. Es schien tatsächlich vorbei zu sein. Doch ihre innere Nervosität war immer noch vorhanden. Sie versuchte sich abzulenken, indem sie die Werkstücke ihrer Kolleginnen begutachtete. So wunderschöne Dinge entstanden hier. Und sie hatten tatsächlich Händler für all ihre Produkte gefunden. Es war wunderbar. Es gab auch keine Vorgaben, die Frauen konnten ihrer Kreativität freien Lauf lassen und wenn mal ein Stück nicht so ganz gelang, fand sich jemand im Dorf, der es zu einem günstigeren Preis kaufte. Der Bau der großen Fabrik hatte bereits begonnen und Mongila fühlte sich sehr wohl in ihrer Managerinnenrolle. Obwohl sie nicht viele Jahre die Schule besucht hatte, so war sie doch klug und lernte sehr schnell.
Muhammed, der Textilfabrikant, saß vor der gerade beginnenden Baustelle und vor seinem inneren Auge entstand die Fabrik, die Wohnhäuser, die Schule und der Kindergarten und die Kantine. Er sah schon die vielen Frauen und Männer, die hier glücklich ihrer Arbeit nachgehen konnten und wussten, dass ihre Kinder in der Zwischenzeit eine hochwertige Bildung erhielten. Insgeheim träumte er davon, sogar eine kleine Universität für die Kinder der Angestellten zu errichten. Er hatte genügend Geld bis ans Ende seiner Tage. Eigentlich müsste er ja gar nicht mehr arbeiten. Es war vielmehr sein Gewissen, das zu ihm sprach und ihn immer wieder motivierte, hier etwas entstehen zu lassen, das irgendwann den anderen Fabrikanten als Vorbild dienen würde. Es würde sicherlich nicht lange dauern, bis die anderen diese Standards auch bieten mussten. Wenn einer anfing, setzte das meist eine Kettenreaktion in Gang.
Warum hatte er all die Jahre weggeschaut. Er wusste doch, wie hart das Leben seiner Mitarbeiter gewesen war. Er wollte es einfach nicht sehen. Als wäre das Glück dieser Menschen weniger wert als ein eigenes. Das war schrecklich und es verging kein Tag, an dem er sich nicht dafür schämte. Er würde den Rest seines Lebens damit verbringen, so viele Fabriken wie nur möglich zu errichten und damit tausenden Menschen die Möglichkeit geben, ihr Einkommen unter würdigen Bedingungen zu erwirtschaften.
Jonas hatte es tatsächlich geschafft, seinen Direktor in den Ferien zu erreichen und mit ihm einen Termin zu vereinbaren. Seine Eltern würden mit ihm gehen und gemeinsam wollten sie den Direktor davon überzeugen, dass seine Klasse eine der ersten wäre, die das fliegende Klassenzimmer umsetzen würde. Lange bereiteten sie sich zuhause auf das Gespräch vor, um dann festzustellen, dass es absolut leicht war, da der Direktor natürlich auch die allabendlichen Sendungen verfolgte, die Hannes ausstrahlte. Und er hatte sogar schon selbst darüber nachgedacht. Als nun auch noch Herr Liebhart sich bereiterklärte, die ganze Koordination zu übernehmen und mitzureisen, war der Direktor Feuer und Flamme. Er hatte zusätzlich noch die Idee, dass sie mit ihrer Partnerschule in England gemeinsam reisen sollten. Dann hätten beide Klassen zusätzlich die Möglichkeit Englisch und Deutsch zu lernen. Er würde sich gleich morgen darum kümmern. Eventuell würde eine Delegation aus England kommen und sie könnten das gleich gemeinsam planen.
Doch bis dahin würden die Liebharts Martin helfen noch so viele Wagen wie möglich zu bauen. Das war eine wunderbare Beschäftigung.
Martin erholte sich langsam. Er war aber noch sehr mitgenommen. „Wir müssen noch eine Kleinigkeit erledigen, dann seid ihr für heute fertig“, sagte der Elohim. Klara, Hannes und Martin gingen in Startposition und der Elohim führte sie wieder aus ihrem Körper hinaus ins Universum. Dieses Mal störte sie keiner. Und sie mussten auch keine weiteren Kristalle entstehen lassen, sondern ihre Aufgabe war es, unter der Anleitung des Elohim nun die Kristalle miteinander zu verbinden. Es war wie ein Feuerwerk. Kaum hatten sie damit begonnen, liefen Bahnen von einem Kristall zum nächsten und plötzlich sahen sie, dass die ganze Erde nun von einem Kristallgitter überzogen war. Es waren viel mehr Kristalle als sie selbst aufgestellt hatten. Da mussten auch noch andere Menschen am Werk gewesen sein.
Der Elohim hatte nicht zuviel versprochen. Es dauerte nicht lange, und die ganze Erde war überzogen von einem golden-violetten Licht. Die drei staunten. Und der Elohim holte sie auch schon wieder zurück. Das war weder anstrengend noch aufregend gewesen – sondern einfach nur wunderschön und erhebend. „Wir haben jetzt alles getan, was wir tun können, um die Dunklen fernzuhalten. Ich denke, das sollte fürs Erste genügen. Jetzt sind die Menschen und ihre ganzen wunderbaren Projekte in Sicherheit und sie können nun eine neue Welt erschaffen“, sagte der Elohim
Als die Nacht schon längst ihre dunklen Tücher über Wien geworfen hatte, einigten sich Familie Liebhart und Martin darauf, dass sie für heute aufhören sollten. Aber sie verabredeten sich gleich wieder für den nächsten Tag. Fünf Wagen waren in ihren Einzelteilen fertig und mussten am nächsten Tag nur noch montiert werden. Erschöpft aber glücklich kehrten sie die Späne und den Staub zusammen, säuberten die Maschinen und Werkzeuge und betrachteten stolz ihr Werk. Sie tranken noch gemeinsam einen Tee und dann machten sich die Liebharts auf den Nachhauseweg.
Jonas Vater konnte nicht aufhören davon zu schwärmen, wie sehr ihm diese Arbeit heute Spaß gemacht hatte. Auch Frau Liebhart war ganz erfüllt davon, dies alles zu notieren und nahm sich vor, noch vor dem Zubettgehen ihre Notizen zu strukturieren.
Martin indessen hatte mittlerweile von Hannes erfahren, dass sie sich bei Klara treffen würden, da der Elohim wieder zurückgekehrt war und ihnen wohl etwas Wichtiges zu sagen hatte. Martin schaute auf die Uhr. Es war fast neun Uhr abends. In weniger als einer Stunde würde Hannes das Studio verlassen. Er hatte also noch ein wenig Zeit, um sich zu duschen und einen Kleinigkeit zu essen.
Gegen 22.00 Uhr versammelten sie sich alle in Klaras Wohnzimmer. Der wohlbekannte Anblick des Elohims auf dem Sofa erfreute alle. Hannes und die Erzengel waren ebenfalls gerade eingetroffen. Klara verteilte die Teetassen und dann ging es auch schon los. Der Elohim begann zu sprechen.
„Wir stehen heute vermutlich an einem ganz wichtigen Scheitelpunkt. Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Dunklen heute Nacht versuchen werden, die ganzen Bemühungen zu kippen. Die Menschen sind toll und arbeiten auch intensiv an der Vision, aber sie sind noch lange nicht stabil. Leider habe ich nicht die geringste Ahnung, was sie genau vorhaben. Wir müssen jetzt eine wirklich massive Schutzvorrichtung installieren, die helfen wird, die Dunklen aus der Atmosphäre draußen zu halten. Ich habe dies mit den anderen Engeln oben abgesprochen und sie werden uns unterstützen. Vor allen Dingen werden wir die Hilfe des großen Sonnenwesens erhalten.“
Martin, Hannes, Klara und die Erzengel schauten sich verdutzt an. Was sollte das sein, das sie errichten sollten? Sie konnten sich nichts darunter vorstellen. Doch der Elohim sprach weiter. „Wenn es uns heute Nacht gelingt, die Dunklen von der Erde fernzuhalten, bzw. diejenigen, die da sind, zu vertreiben, dann haben wir es vermutlich geschafft. Doch wir müssen es schaffen! Es wird anstrengend werden. Wer von euch noch etwas essen möchte, sollte dies jetzt tun. Wir werden vermutlich Stunden damit beschäftigt sein.“
Klara verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und eilte in die Küche, um ein paar Brote zu belegen. Rasch sättigten sich Hannes und die Erzengel. Martin und Klara hatten bereits gegessen. Als das Geschirr wieder abgeräumt war, erklärte der Elohim, was nun zu tun war.
„Ich werde euch nun auf eine Reise in unsere Sphäre mitnehmen. Ihr braucht nichts Anderes zu tun, als zu sitzen und meinen Worten zu folgen. Sobald wir den unteren Rand unserer Sphäre erreicht haben, schalten sich die Cherubim, Seraphim und Aralim wieder dazu und auch das große Sonnenwesen. Und wir werden gemeinsam die Schutzvorrichtung erstellen. Es ist von absoluter Wichtigkeit, dass ihr Menschen dies mit uns gemeinsam errichtet. Wir Engel dürfen das alleine nicht tun.“
Die Erzengel, Martin, Hannes und Klara nickten etwas ratlos. Speziell Hannes, Martin und Klara hatten nicht so ganz verstanden, was sie nun tun sollten, hofften aber, dass sich ihnen dies in weiterer Folge noch erschließen würde. Der Elohim begann zu sprechen:
„Ich möchte nun, dass ihr euch ganz auf euren Atem konzentriert. Und sobald ihr bemerkt, dass ihr innerlich ruhiger werdet, spürt ihr, wie ihr von einer wohlwollenden Kraft aus eurem Körper herausgezogen werdet. Ihr bewegt euch nach oben und lasst euren Körper hier im Wohnzimmer zurück. Wenn ihr weit genug oben seid, und die Welt von oben sehen könnt, überlasst ihr euren feinstofflichen Körper uns, und wir werden uns mit euch verbinden. Gemeinsam mit uns steigt ihr immer höher bis ihr die Erde als kleine Kugel von oben sehen könnt. Ihr konzentriert euch nun auf eure Hände und stellt fest, dass sich zwischen euren Händen ein Kristall manifestiert. Dieser Kristall wird immer größer und größer und ihr stellt fest, dass die Engel nun beginnen, diesen Kristall mit goldenem und lilafarbenem Licht zu füllen. Und nun überlasst ihr euch ganz der inneren Führung und stellt diesen Kristall irgendwo auf der Erde ab.“
Während Martin, Hannes und Klara den Anweisungen folgten, betete der Elohim:
„Sonnenwesen, Christusheld!
Schicke deine Kraft zu uns auf die Erde
um zum Guten zu wenden, die Kräfte des Bösen,
in der Zeit der Not.
Lasse werden, oh Herr, die Geschehnisse in dieser Welt
zukunftsfördernde Taten!
Wende die Lanze des Bösen von ihrem Ziel.
Gib der Welt Frieden.
Immer und immer wieder sprach der Elohim dieses Gebet, während Martin, Hannes und Klara einen Kristall nach dem anderen entstehen ließen und über die ganze Erde verteilten. Kaum war ein Kristall platziert, war schon der nächste dran.
Anfangs ging alles leicht. Die Kristalle entstanden zwischen ihren Händen und sie stellten sie überall dort ab, wo ihre innere Führung sie hinzog. Aber nach etwa fünfzehn Kristallen, die jeder irgendwo platziert hatte, schwoll draußen im Universum ein ohrenbetäubender Lärm an. Ehe sie es sich versahen, waren die Dunklen angekommen und attackierten ihre Bemühungen. Jeder von ihnen wurde durchgeschüttelt und durchgerüttelt und konnte nur noch mit Mühe und Not die Kristalle auf die Erde transportieren.
Immer wilder tobte die Schar der Asuras da draußen und der große Dunkle brauste immer wieder über sie hinweg. Dabei flogen sie nur so durcheinander. Der Elohim sprach unbeirrt weiter und hielt sie an, das Gebet in Gedanken mitzusprechen und immer weitere Kristalle zu manifestieren.
Martin, Hannes und Klara hatten schon bald das Gefühl, dass ihre Kräfte erlahmten. Doch der Elohim beschwor sie, nicht aufzugeben, sondern immer weiter einen Kristall nach dem anderen entstehen zu lassen und auf die Erde zu bringen. Immer schwieriger wurde das Unterfangen. Bald hatten sie das Gefühl, dass es ihnen gar nicht mehr möglich war, die Erde zu erreichen. Doch der Elohim feuerte sie an. „Ihr dürft den Dunklen keine Beachtung schenken. Bitte einen Kristall nach dem anderen nach unten transportiert. Wir Engel sind um euch und schirmen euch so gut es geht, ab!“ Hannes, Martin und Klara keuchten bereits. Alles war schwer und sie wollten einfach nur noch aufgeben, doch der Elohim ließ nicht locker. „Ihr habt keine Ahnung, wie wichtig euer Tun ist, selbst wenn ihr noch so erschöpft sein, ihr müsst weitermachen!“
Es schien ewig zu dauern. Alles um sie herum brauste und tobte und die ganze Erde schien zu erzittern und immer weiter arbeiteten die drei und brachten unter Aufbietung all ihrer Kräfte einen Kristall nach dem anderen auf die Erde. Über ihre Gesichter flossen Tränen. Sie konnten es kaum noch schaffen.
Als Martin kurz davor war aufzugeben, schrie ihn der Elohim an: „Wenn du die heutige Nacht überleben willst, dann machst du weiter. Ansonsten garantiere ich für gar nichts!“
Immer weiter und weiter kämpften sich die drei durch die Wirbel. Die Dunklen ließen nichts aus, um sie zur Verzweiflung zu treiben. Sie kannten keine Gnade. Es toste, brauste, rüttelte um sie herum. Der große Dunkle schrie ihnen Verwünschungen entgegen und versuchte sie einzuschüchtern. Doch die drei konzentrierten sich ganz auf den Elohim und seine Anweisungen. Und plötzlich wurde es ruhiger. Immer weniger Dunkle sausten um sie herum und sie stellten mit letzter Kraft jeder noch einen Kristall auf der Erde ab.
Dann sprach endlich der Elohim die erlösenden Worte: „So, nun könnt ihr zu euren physischen Körpern zurückkehren. Langsam bewegten sie sich mit ihren feinstofflichen Körpern wieder Richtung Erde, Europa, Österreich und schließlich nach Wien und in Klaras Wohnung. Als sie angekommen waren, fielen die drei in eine tiefe Ohnmacht.
„Das war knapp“, sagte der Elohim zu den Erzengeln, die zwar auch erschöpft wirkten, aber längst nicht so sehr wie die Menschen. „Warum hast du sie in dem Glauben gelassen, dass wir dabei mitwirken?“, fragte Phanuel. „Damit sie nicht schon mutlos wurden, bevor sie begonnen hatten. Hätten sie gewusst, dass sie den Kampf zu dritt aufnehmen müssen, hätten sie es wahrscheinlich nicht geschafft.“
„Außerdem habt ihr ja mitgewirkt. Ihr habt sie sehr gut abgeschirmt. Es hätte allerdings nicht viel gefehlt und sie hätten es nicht überlebt. Doch das musste ich riskieren.“
„Und haben wir es geschafft?“, fragte Michael. „Ich glaube ja“, antwortete der Elohim. Sie haben es geschafft, neunzig Kristalle aufzustellen. Das war die Mindestzahl, die wir brauchten. Sobald sie wieder zu sich kommen, werden wir die nächsten Schritte einleiten.“
„Wir sind noch nicht fertig?“, fragte Gabriel und schaute die drei mitleidig an, die blass und mit tiefen Augenringen ohnmächtig in ihren Sesseln hingen. „Nein, noch nicht ganz, aber der nächste Schritt wird nicht mehr so schwierig und das sind auch bereits die Vorbereitungen für die Zeit, in der ihr nicht mehr auf der Erde sein werdet“, sagte er.
So, und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen
Ich wünsche euch eine gute Nacht und wunderbare Träume!
Um 22.00 Uhr am zweiten Weihnachtsfeiertag machten sich alle Sender daran, den Menschen zu erklären, dass die Engel am Himmel sich heute Abend noch zurückziehen würden, und dass es nun an den Menschen selbst liegt, dass sie die Energie in der ganzen Erdatmosphäre anheben. Die jungen Künstler, die Uriel getroffen hatte, spielten ab 22.00 Uhr auf allen Sendern die Monochords und andere Saiteninstrumente und wurden dadurch über Nacht zu einer absoluten Berühmtheit.
Zwischendurch erklärten die Musiker wie man sich ein Monochord selbst herstellt, bzw. wo man welche bekommen konnte. Überall auf der Welt holten diejenigen Menschen, die schon ein solches Instrument besaßen, diese hervor und stimmten ein. Zwei Stunden lang schwebten noch die Engel über den Himmel und auf der Erde ertönten die Klänge. Um Punkt Mitternacht wurden die Engel immer weniger und verschwanden nach und nach und mit ihnen ihr Gesang.
Dafür schwoll nun auf der Erde der Klang der Obertöne an und überall spielten die Menschen ihre Instrumente. Wer kein Oberton-Instrument besaß, spielte auf dem Klavier oder auf der Geige. Die ganze Erde wurde in eine wunderbare Klangwolke eingehüllt. Viele Gruppen von Menschen fanden sich zusammen, die immer abwechselnd mit anderen Gruppen die Töne ins Universum schicken würden. Und siehe da, es funktionierte. Die Engel waren zwar nicht mehr da, doch die Menschen blieben bei ihren Vorhaben. Sie arbeiteten weiter an ihren Unternehmungen und Projekten und überall griffen immer wieder Menschen zu ihren Instrumenten. Und es wurden immer mehr.
War früher Musik für viele Menschen nur eine Art Luxus gewesen, so wussten die Menschen nun, dass die Musik, die nun überall auf der Erde gemacht wurde, die Dunklen in ihren Grenzen hielt. Die dunklen Mächte konnten diese Musik noch weniger ertragen als den Gesang der Engel, da sie von den Menschen selbst gemacht wurde. Die Menschen bekamen es nicht geschenkt, sondern taten es aus ihrem freien Willen heraus. Das war sehr schmerzhaft für die dunklen Mächte.
Michael, Raphael, Phanuel, Gabriel und Uriel zogen sich zu einer Besprechung zurück. „Ich will keinen Stress machen, aber auch unsere Zeit hier auf der Erde geht dem Ende zu. Es sind nur noch zehn Tage bis zum Dreikönigstag und dann werden auch wir nicht mehr hier sein. Wir müssen uns noch etwas einfallen lassen, das wir hier auf der Erde hinterlassen können, um die Energie zu halten. Bitte denkt auch darüber nach. Unsere ganze Bemühung soll auf keinen Fall umsonst gewesen sein. Die Menschen haben die schreckliche Tendenz, dass sie nach anfänglicher Begeisterung wieder in ihre alten Muster zurückkippen. Das müssen wir verhindern“, sagte Gabriel. Die anderen Erzengel stimmten ihm zu. „Ich habe auch schon darüber nachgedacht und ich halte dies ebenfalls für extrem wichtig“, sagte Michael.
„Was sind nun unsere weiteren Schritte hier?“, fragte Raphael. „Wir sind eigentlich schon sehr weit gekommen und es braucht nur noch hier und da unsere Unterstützung. Aber die neuen Projekte gedeihen fast ausnahmslos ohne unsere Hilfe“, fügte er noch hinzu. „Weiß eigentlich jemand etwas von den Jung-Engeln, die jetzt in einem menschlichen Körper leben?“, fragte Gabriel. „Nein, und das ist auch nicht der Plan. Sie müssen ganz alleine schauen, dass sie zurechtkommen. Aber heute kommt der Elohim wieder zu uns zurück und vielleicht kann er uns ja doch etwas über ihren Verbleib sagen. Aber ich fürchte, er wird es nicht tun. Doch ich bin mir sicher, dass er etwas über sie weiß“, sagte Phanuel.
Martin verbrachte den Tag nach Weihnachten wieder in seiner Werkstatt. Er hatte sich vorgenommen, dass er in den nächsten Tagen mehrere Wagen für die obdachlosen Kumpels herstellen würde. Es würde noch sehr kalt werden im Januar und so viele Menschen wie möglich sollten einen erhalten. Außerdem hatte sich ja heute der junge Mann angekündigt, den Hannes vor Kurzem bei der Maria Theresien Statue getroffen hatte. Und dieser würde seine Eltern mitbringen. Vielleicht hatten die ja Lust ihm etwas zu helfen. Denn eigentlich hatte er keine Zeit herumzusitzen und zu plaudern. Er wollte arbeiten. Mittlerweile war er dazu übergangen, mehrere Wagen gleichzeitig herzustellen. Es war leichter zuerst fünf Boden, zwanzig Wände und zehn Achsen zu montieren. Daher hatte er die jeweils fertigen Teile draußen aufgestellt. Wenn alle Teile hergestellt waren, würde er die fünf Wagen zusammenbauen. So mussten sich die Menschen gefühlt haben, als sie das erste Mal Fließbandarbeit eingeführt hatten. Es ging tatsächlich viel schneller. Über all der Arbeit vergaß er vollkommen die Zeit und plötzlich stand die ganze Familie Liebhart vor der Tür. Martin begrüßte sie herzlich und erklärte allerdings gleich, dass sie nun gerne gemeinsam einen Tee oder Kaffee trinken konnten, aber er dann gleich weiterarbeiten musste, da er ein wenig unter Zeitdruck stand.
Vater Liebhart hörte ihm zu und bot sich auf der Stelle an, sofort nach einer Tasse Kaffee mit anzugreifen. Auch Jonas würde helfen. Mutter Liebhart sprach, während sie in ihrer Kaffeetasse rührte, darüber, dass sie gerne die Dokumentation dieser Arbeit machen würde. Martin war begeistert. Das war ganz nach seinem Geschmack.
Jonas ging, während die Eltern und Martin Kaffee tranken, langsam durch die Werkstatt. Irgendwie kam sie ihm so seltsam vertraut vor. Er schaute aus dem Fenster und fragte Martin: „Entschuldigen sie bitte, aber wohnt dort drüben vielleicht eine ältere Dame?“ Martin schaute auf und sagte: „Ja, da drüben wohnt Klara. Ihr gehört das alles. Kennst du sie?“ Jonas schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nur so….irgendwie komisch“, sagte er. Martin sah ihn prüfend an und fragte: „Was ist komisch?“ Jonas schüttelte den Kopf. „Ach nichts. Es ist ein wenig verrückt. Aber mir kommt hier alles so vertraut vor. Als wäre ich schon einmal hier gewesen“, sagte er. „Die Werkstatt gibt es schon lange. Vielleicht warst du da, als Klaras Mann noch lebte“, sagte er und dabei fiel ihm aber ein, dass Klara gesagt hatte, dass ihr Mann schon zwanzig Jahre tot sei und dieser Junge war höchstens sechzehn.
Herr Liebhart war begeistert von all den Maschinen und da er Martin bereits lang und breit erzählt hatte, dass er Maschinenbauingenieur war, zeigte Martin ihm auch die Maschinen, die er noch nicht funktionstüchtig gemacht hatte. Herr Liebhart zog sogleich seine Jacke aus und krempelte die Ärmel auf. Die kleine Paula saß auf dem Sofa in der Ecke und beobachte die freudige Geschäftigkeit. Frau Liebhart begann ebenfalls damit, Notizen zu machen und sich eine Struktur für die Dokumentation zu überlegen. „Wollen sie, dass diese Idee später von anderen Werkstätten nachgeahmt werden kann?“, fragte sie Martin. „Ja, das wäre natürlich das allerbeste. Stimmt! Ich weiß woran sie denken. Wir sollten zu allen Projekten so eine Art Handbücher machen, damit andere nicht wieder von vorne beginnen müssen. Das haben sie doch vor, oder?“, fragte Martin. Frau Liebhart nickte und erwiderte: „Ich glaube ja, solange es nicht um Konkurrenz oder Mitbewerb geht, wäre das natürlich sehr naheliegend.“ Martin lachte auf. „Ach ich wünsche mir nichts sehnlicher als eine Menge anderer Werkstätten, die das Gleiche tun. Ich werde das alleine nicht schaffen. Auch wenn ich immer wieder Helfer habe“, sagte er.
Hannes war schon den ganzen Tag auf den Beinen, telefonierte mit einschlägigen Musikgeschäften und sammelte Adressen und Kontaktdaten von Musikern, die er gerne engagieren wollte. Er hatte sich vorgenommen, dass er einen großen Teil der Sendezeit dazu verwenden würde, diesen Männern und Frauen eine Plattform zu bieten, wo sie ihre Musik für ein großes Publikum darbringen würden. Und im Handumdrehen hatte er, wie immer, eine Menge Kontakte geknüpft. Auch die anderen Sender würden entweder die Musiker mitübertragen, die bei Hannes spielten, oder sie würden sich selbst welche suchen. Das war sehr schnell in trockene Tücher gebracht. Sie nahmen dies alles ausgesprochen ernst und arbeiteten daran, dass praktisch rund um die Uhr, nur mit wenigen Unterbrechungen durch die abendlichen Live-Sendungen und ein paar Reportagen, die derzeit auch zum Thema passten, die Musik sich über den ganzen Erdball verteilte. Hannes selbst konnte die Wirkung an sich spüren. War er noch in einer Minute vollkommen aufgedreht, so beruhigte er sich auf der Stelle, sobald die zauberhafte Musik erklang. Er war sich selbst der beste Beweis. Und auch die Mitarbeiter im Studio, die Juristen und die Damengruppe waren alle ganz angetan von dieser sphärischen Musik. Das war vermutlich die beste Idee, die Uriel haben konnte.
Auch merkten sie nichts, dass draußen in den Projekten auch nur irgendwo der Arbeitsfluss abriss. Alle waren nach wie vor voll motiviert und arbeiteten fast rund um die Uhr. Es würde nicht mehr lange dauern, dann hätten sie es geschafft, eine völlig neue Gesellschaft zu bauen. Die Vielzahl der Ideen war überwältigend und sie verteilten sich interessanterweise über alle Lebensbereiche.
Es entstanden Projekte für besser Produktionsbedingungen für alle möglichen Produkte. Es entstanden Gartenprojekte zum Nahrungsmittelanbau. Es entstanden neue Schulen und neue Büros. Es fanden sich Menschen zusammen, die über Fortbewegung und Verkehr nachdachten, wieder andere über Finanzen und Wirtschaft. Alles gestaltete sich in rasender Geschwindigkeit um.
Aber eines hatten sie übersehen. Die dunklen Mächte waren immer noch da und würden heute noch zum ultimativen Gegenschlag ausholen. Wenn sie sich nicht vorsahen, würde ihre ganze Welt, die gerade im Entstehen war, heute Nacht noch in Schutt und Asche gelegt werden. Noch ahnte keiner die Gefahr und alle schwelgten in der Glückseligkeit des Aufbaus. Doch die dunklen Mächte heckten zeitgleich einen wahrhaft teuflischen Plan aus – sie würden die Menschen da angreifen, wo sie am empfindlichsten waren…..
Tja, und ob den Dunklen dies gelingt erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche euch eine gute Nacht und wunderbare Träume
Es war bereits der zweite Weihnachtsfeiertag und Uriel zog von dannen. Er musste überlegen. Dies gelang ihm am besten, wenn er sich zurückziehen konnte. Es waren nicht einmal mehr zwölf Stunden, dann würden die großen Engel, die Seraphim, Cherubim und Aralim, sich wieder in die Engelwelt zurückziehen. Die Menschen, die sich mittlerweile schon an den Anblick gewöhnt hatten, würden unter Umständen sehr enttäuscht sein und die Dunklen hätten die nächste Chance, diese Enttäuschung zu nutzen und die Oberhand zu gewinnen. Er musste etwas finden, das die Schwingung der Menschen positiv beeinflussen würde. Das war gar nicht so einfach. Zu diesem Schauspiel der großen Engel gab es keine Steigerung. Es musste also etwas sein, das sie Menschen ebenfalls sehr bewegen würde. Damit hatte er keine leichte Aufgabe vor sich.
Auch Hannes, Klara, Martin und die anderen Erzengel waren besorgt, wie es sein würde, wenn die Engel nicht mehr die Stimmung verzauberten. Uriel hatte sie schon darauf vorbereitet, dass – egal was er herausfinden würde – dies heute Abend in so vielen Sendern wie möglich ausgestrahlt werden würde. Hannes nutzte die Zeit, um mit all den Sendern zu sprechen, die derzeit mit ihm kooperierten – und das waren sehr viele – über die ganze Welt verteilt. Alle wollten natürlich wissen, was sie senden sollten und es war für Hannes alles andere als einfach, ihnen zu sagen, dass er das selbst noch nicht wusste. Aber die Menschen waren mittlerweile überall an Überraschungen gewöhnt, sodass sie sich alle, ohne Ausnahme, dazu bereit erklärten.
Die pensionierten Richter, Anwälte und Notare saßen im großen Besprechungsraum und gingen die Projekte durch. Es war unglaublich, was den Menschen alles einfiel und wie viel Unterstützung, auch finanzieller Art, sie erhielten. Auch die Damen, von Klaras Wohltätigkeitsrunde hatten alle Hände voll zu tun, die Spender und Ideengeber miteinander zu koordinieren und überall das Beste rauszuholen. Darin waren sie sehr geschickt. Nicht selten spendeten die Menschen schlussendlich mehr als doppelt so viel, als sie eigentlich vorhatten. Die Damen waren Vollprofis. Und zum Schluss waren alle sehr glücklich.
Michael machte sich auf den Weg in das Hotel am Stadtrand, das gerade zu einem Gesundheitszentrum umfunktioniert wurde und er konnte nur staunen, was hier in drei Tagen alles geschehen war. Fast alle Hotelzimmer waren mit Patienten belegt und in den unteren Räumen entstanden gerade Untersuchungszimmer, Labore und Behandlungsräume. Viele Hände und Köpfe waren fleißig am Werk und es entstand vermutlich das schönste und beste Gesundheitszentrum, das die Welt je gesehen hatte.
Die Familie Liebhart saß am zweiten Weihnachtsfeiertag beim Mittagessen. Herr Liebhart hatte bereits seine Kündigung formuliert und mit den Damen im Sender telefoniert, die ihn erfreut in das Schulprojekt aufnahmen. Wie und in welcher Form er entlohnt werden würde, stand noch nicht fest. Aber sie hatten ihm zugesichert, dass er nicht verhungern musste. Aber er würde auch nicht reich werden – so viel stand fürs Erste fest, denn das Geld sollte möglichst viele Menschen in Lohn und Brot bringen, die nun in ein neues Leben starten würden. Herr und Frau Liebhart machten Kassensturz. Glücklicherweise hatten sie immer gut gewirtschaftet und hatten somit doch ein gutes Polster auf der hohen Kante, das sie eben vorerst dafür verwenden würden, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Es war allen klar, dass es nun nicht mehr darum ging, möglichst viel Geld auf der Bank zu haben, sondern es gleichmäßig auf der Welt zu verteilen, sodass alle Menschen ein gutes Leben führen würden.
Vielleicht war später wieder Zeit etwas anzusparen. Jetzt mussten sie eben das, was sie hatten, anknabbern und sie fühlten, dass dies völlig in Ordnung war. Dafür würden sie ein deutlich glücklicheres und erfüllteres Leben führen. Morgen würden sie zu Herrn Körner in die Werkstatt gehen und Frau Liebhart würde sich für die Dokumentation bereitstellen, wenn es gewünscht war. Hach! Es war alles sehr aufregend. Das fanden auch Jonas und Paula. Jonas war schon ganz aufgeregt. Würde sein Direktor sich einverstanden erklären, dass seine Klasse dieses Jahr noch reisen würde?
Bei den Dunklen herrschte heute eine etwas bessere Stimmung. Auf irgendeinem Weg war es bis zu ihnen vorgedrungen, dass die Engel sich heute um Mitternacht zurückziehen würden. Sie erkannten natürlich sofort, dass sie somit eine Chance hatten, die Menschen auf ihre Seite zu lotsen.
„Wir müssen um Mitternacht sofort damit beginnen, zwischen den Menschen Zwietracht und Neid zu sähen“, sagte der große Dunkle zu seinen Schergen, den Asuras. „Das kann man ja nicht mit anschauen, wie die alle plötzlich in Harmonie sind. Das ist ekelhaft. Wir werden da heute Nacht schon dazwischen grätschen. Wir werden sicher Menschen finden, die anfällig sind für unsere Intervention“, sagte er und lachte sein dreckiges Lachen. Die Schergen waren skeptisch. Seit sie die Engel am Himmel gesehen und gehört hatten, wussten sie gar nicht mehr so recht, ob sie Lust hatten auf der dunklen Seite zu dienen. Sie hatten gespürt, mit welcher Begeisterung die Menschen sich plötzlich aufgemacht hatten und es hatte sie beeindruckt.
Der Große schien es zu bemerken. „Was ist los mit euch?“, herrschte er sie an. „Wer sich nicht mehr mit meinen Zielen verbinden kann, wird auf der Stelle zurück auf den Saturn verbannt. Dort könnt ihr dann schmoren! Und glaubt mir, ich zögere keine Sekunde. Es gibt mehr als genügend Ersatz für euch!“ Die Asuras bemühten sich, möglichst schreckliche Grimassen zu ziehen. Sie durften sich nichts anmerken lassen. Sie wussten ja auch nicht, ob unter ihnen nicht welche waren, die nach wie vor auf der Seite des großen Dunklen standen. Aber vielleicht würden sie sich ja auch umbesinnen, wenn die Engel weg waren. Die hatten ihnen vermutlich die Sinne vernebelt. Es war schon fast teuflisch, was die da oben trieben.
„Ich habe einen Plan. Sobald die Engel da oben verschwunden sind, strömen wir aus und hängen uns an die Menschen dran. Die werden zunächst in ein tiefes Loch fallen, wenn die Engel weg sind. Sie werden befürchten, dass das alles nur ein Schauspiel war und wir werden diese Zweifel schüren“, sagte er und schaute die Asuras grimmig an. „Und ich erwarte von euch, dass ihr eure Arbeit gut machen werdet!“
Sophies Vater, Herr Duncan, hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Auch seine Frau konnte nicht schlafen. Und so hatten sie sich die halbe Nacht beraten, was sie nun tun sollten. Sie haben beschlossen, dass sie ein Heim für Menschen gründen würden, in dem sie leben und wenn es soweit war, auch gut begleitet sterben konnten. Es sollte sich von den herkömmlichen Alten- und Pflegeheimen dadurch unterscheiden, dass es viel mehr Fürsorge und Behaglichkeit geben würde. Sie würden ein Team von Menschen zusammenstellen, das ihnen helfen würde, so ein neues Zuhause für alte, einsame und kranke Menschen jeden Alters zu ermöglichen. Sie wollten auch Ateliers und Werkstätten einrichten, damit die Menschen, die gesund genug waren, sich auch beschäftigen konnten. Heute würden sie bei einem der englischen Sender anrufen und schauen, ob sie jemanden zugeordnet bekommen würden, der das ganze finanziell unterstützen würde, bzw. der ein passendes Gebäude hatte. Hier in Mountfitchet gab es eine Menge leerstehender Häuser. Vielleicht war da etwas dabei?
Uriel ging und ging und ging. Es wollte ihm einfach nichts einfallen. Er war schon seit Stunden unterwegs und seine Verzweiflung wuchs. Er wusste, wenn er keine passende Idee liefern würde, dann würden die Dunklen ab heute Nacht leichtes Spiel haben. Das durfte einfach nicht passieren. Er hatte Wien schon einmal in die eine Richtung durchkreuzt und ging nun in die andere Richtung. Es musste ihm einfach etwas einfallen. Immer wieder sah er hinauf zu den Cherubim, Seraphim und Aralim und hoffte, dass sie ihm eine passende Idee schicken würden, aber sie zogen einfach nur über den Himmel und verströmten ihren wunderbaren Gesang. Mittlerweile war Uriel wieder am Ring angekommen und auch er fühlte sich magisch von der Maria Theresien Statue angezogen. Dort würde er sich eine Weile auf die Stufen setzen. Hannes hatte sich dort auch gut erholt. Vielleicht gelang ihm das auch. Er war mittlerweile so sehr erschöpft, dass er auch keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Auf den Stufen saßen ein paar junge Leute, die ein seltsames Instrument mit sich hatten, bei dem sie immer wieder einfach über die Saiten strichen. Dabei entstanden ganz wundersame Töne, die eine richtige Klangwolke entstehen ließen. Uriel lauschte eine Weile und fand sich bald in einer absolut entspannten und verzückten Stimmung wieder. Alles in ihm begann mit diesen Tönen mitzuschwingen.
Als die jungen Leute aufhörten zu spielen, wusste er, dass dies genau das war, wonach er gesucht hatte. Diese Töne hoben ebenfalls die Schwingung der Menschen. Er sprach die jungen Leute an: „Entschuldigt bitte, aber ich habe eurer Musik gelauscht und die ist so wunderbar, dass ich ein paar Fragen dazu hätte“, sagte er. Die jungen Leute schienen erfreut. „Aber gerne doch“, sagte ein junger Mann mit einem Zopf. „Was ist das für ein Instrument?“, fragte Uriel. „Das ist ein Monochord. Es erzeugt Obertöne, wenn man es richtig spielt“, antwortete der junge Mann. Uriel nickte. Obertöne! Das war es. Genau danach hatte er gesucht. Damit konnten sie den Menschen helfen!
Rasch erklärte er den jungen Leuten, dass er wusste, dass die Engel heute verschwinden würden und dass die Menschen nun etwas Neues brauchten, das ihre Energie anhob. Und er fragte sie, ob sie bereit wären, mit in den Sender zu kommen und dort heute Abend zu spielen. Zunächst waren die jungen Leute etwas skeptisch, aber der Gedanke gefiel ihnen gut. Und sie verabredeten, dass sie noch weitere Instrumente holen würden und dass sie sich um 22.00 Uhr im Sender treffen würden.
Und wie es weitergeht….erfahrt Ihr morgen.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht und schöne Träume!
Jonas verbrachte einen wunderbaren Heiligen Abend mit der Familie. Seine Eltern und auch Paula waren an dem ganzen Geschehen sehr interessiert, allerdings auch etwas ratlos. Sie hatten die Sendung von Hannes geschaut, in der das Schulprojekt mit den neunten Klassen vorgestellt wurde, und speziell Herr Liebhart, Jonas Vater, war der ganzen Sache gegenüber sehr aufgeschlossen. Jonas musste am ersten Weihnachtsfeiertag, beim Frühstück, noch einmal das ganze Gespräch mit Hannes erzählen, das er mit ihm geführt hatte, als sie sich bei der Maria Theresien Statue beim Taubenfüttern mit Hannes geführt hatte.
Jonas Vater interessierte sich dafür, wie es passiert war, dass sie plötzlich damit begonnen hatten, neue Ideen in die Welt zu bringen, bei denen die Menschen sich gegenseitig helfen konnten um all die Missstände zu beseitigen die die ganze Zeit vorhanden waren.
Herr Liebhart rief sich die Schläfen und sagte: „Für mich ist es heute, nur wenige Tage nachdem die ganze Sache aufgekommen ist, eigentlich unvorstellbar, wie wir die ganze Zeit nur auf uns selbst geschaut haben. Es ist doch verrückt. Die Welt ist voller Leid und Menschen, Tiere und der ganze Planet werden ausgebeutet und wir tun nichts dagegen. So war das nun seit Jahrzehnten und keiner von uns hat sich daran gestört. Wir haben gelebt, als gäbe es kein Morgen mehr, und als wäre das Leid, die Trauer, die Verzweiflung und der Hunger in vielen Gegenden der Welt, eine ganz natürliche Sache. Ich auf jeden Fall kann nach Weihnachten nicht mehr zur Arbeit gehen, wie zuvor. Ich arbeite in einem Unternehmen, das andere Menschen vollkommen ausbeutet. Ich wusste es immer, habe aber auch nichts dagegen unternommen. Jetzt fühle ich mich ganz schlecht.“
Jonas hörte sich die Worte seines Vaters an und dachte darüber nach. „Ich denke nicht, dass du dich schlecht fühlen musst. Aber ich glaube, dass wir alle umdenken müssen. Es muss doch möglich sein, dass alle Menschen auf der Welt in einer sicheren Existenz leben und dass wir aufhören, Tiere, Menschen und den Planeten auszubeuten. Es muss neue Wege geben. Und ich habe das Gefühl, dass niemand mehr die alten Wege einschlagen will.“
„Was haltet ihr davon, wenn ich mich für dieses Schulprojekt bewerbe? Ich habe Maschinenbau studiert und kann ganz sicher etwas beitragen, um Menschen bessere Lebensumstände zu ermöglichen“, fragte Herr Liebhart. Frau Liebhart schaute eine Weile zum Fenster hinaus. „Ja, du hast vielleicht recht. Natürlich mache ich mir Sorgen darüber, wie wir unseren Lebensstandard aufrechterhalten können. Aber vielleicht ist das ja gar nicht der wichtigste Aspekt. Vielleicht müssen wir alle einen ganzen Schritt zurücktreten und einfach alles noch einmal neu denken. Das ist gar nicht einfach. Ich finde deine Idee, dich für das Schulprojekt zu bewerben, gut. Auch ich überlege, wie ich mich in dieser neuen Situation nützlich machen könnte. Ich bin Publizistin, mache aber einen Bürojob. Vielleicht sollte ich diese ganzen Projekte begleiten und darüber schreiben. Ich könnte mir vorstellen, dass ich bei den Pilotprojekten dabei bin und die Dokumentation mache, damit die nächsten, die so ein Projekt planen, nicht auch wieder ganz von vorne beginnen müssen. Zum Beispiel könnte ich in dieser Werkstatt beginnen, von der Jonas erzählt hat. Ich könnte einfach ein paar Tage dort verbringen und alles genau dokumentieren.“
Herr Liebhart und Jonas fanden die Idee super. „Dann lasst uns doch nach den Feiertagen gemeinsam dahingehen. Und ich könnte meinen Direktor fragen, ob wir nicht mit meiner Klasse, ich bin ja in der neunten Schulstufe, dieses Projekt beginnen können. Dann würden wir uns auch schon mal nützlich machen.“ Paula war die einzige, die noch zu klein war, um irgendwo mitzumachen. Aber sie hörte der Familie gespannt zu und spürte, dass große Veränderungen auf sie zukommen würden. Und sie freute sich darauf. Etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass dies absolut richtig war, was gerade geschah.
Sophie und ihre Eltern saßen ebenfalls um den Tisch und überlegten, wie sie zu der ganzen Veränderung standen. Sophies Vater war noch ein wenig skeptisch. „Es ist alles sehr seltsam, und ich erkenne die Welt nicht mehr. Vor wenigen Tagen oder Wochen hatte ich noch einen Plan, wie es in meinem Leben weitergehen soll. Ich wollte Chefarzt werden und dann irgendwann meine eigene Praxis eröffnen. Und plötzlich fliegt uns das alles um die Ohren. Wenn ich diese Sendung sehe, in der sich die Menschen zusammenfinden und neue Projekte gemeinsam umsetzen wollen, dann begeistert mich das auf der einen Seite, weil natürlich nicht zu leugnen ist, was gerade passiert und dass früher nicht alles optimal war. Aber es bringt meine Pläne durcheinander. Ich hatte mit einem Leben einfach etwas Anderes vorgehabt und ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Sophie schluckte. Sie verstand ihren Vater sehr gut. Sie hatte ja selbst erlebt, wie sehr er sich ins Zeug legte, aber natürlich steckte auch er in einem System drinnen, das ihn auch vorher unglücklich gemacht hatte.
„Schau mal Paps, ich kann mich daran erinnern, wie verzweifelt du immer warst, dass die Menschen bei euch im Krankenhaus vollkommen alleine gelassen wurden beim Sterben. Du hast immer und immer wieder davon gesprochen und fandest das so traurig. Wäre nicht dies etwas, womit du dich nun beschäftigen könntest?“, fragte Sophie.
Herr Duncan schluckte. Sophie hatte natürlich recht. Er hatte das oft bemängelt. Doch er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie er es ändern könnte. Überhaupt hatte er sich nie in der Lage gesehen, etwas daran zu verändern. Er dachte immer, dass dies andere Menschen machen müssten, Entscheidungsträger in der Klinikleitung oder sogar in der Politik. Er, als kleiner Arzt, sah sich dafür nie verantwortlich. Und jetzt war es plötzlich anders. Er fühlte sich nun für alles, was geschah und woran er beteiligt war, verantwortlich. Das hatte sich alles vollkommen verändert. „Was sagst du, Mariam?“, fragte er Sophies Mutter.
„Tja, auch ich bin derzeit ein wenig überfordert. Ich habe zum Beispiel in meiner Massagepraxis immer die Menschen gesehen, die so einsam waren, dass sie alleine deshalb zu mir kamen, damit irgendwer während der Woche mal mit ihnen spricht. Und auch mit taten die Menschen wirklich leid, aber ich hatte auch nie das Gefühl, dazu berufen zu sein, das zu ändern. Und auch bei mir hat sich etwas verändert. Wenn ich hinaufschaue in den Himmel und diese Engel über den Himmel ziehen sehe, dann weiß ich, dass wir noch einmal die Chance bekommen, alles neu und anders zu machen. Und ich fühle mich einerseits etwas überfordert und andererseits in einer wunderbaren Aufbruchsstimmung. Wir sollten vielleicht noch den morgigen zweiten Feiertag abwarten und uns dann Gedanken machen, was dies alles für unser persönliches Leben bedeutet. Was sagst du dazu, Sophie?“, antwortete Frau Duncan.
Sophie überlegte eine Weile. „Erinnert ihr euch noch, vor ein paar Tagen, als ich das Gedächtnis verloren hatte und gar nicht mehr wusste wer und wo ich war?“ Beide Eltern nickten. „Du hast uns einen schönen Schrecken eingejagt“, sagte Herr Duncan. „Ich hatte mich schon über juvenile Demenz erkundigt.“
Sophie fuhr fort: „Ja, und ich hatte damals so seltsame Erinnerungsfetzen an Engel und andere Wesen. Auch hatte ich immer wieder das Gefühl, in Wien gewesen zu sein. Ich habe mir dann Bilder im Internet angesehen und es kam mir alles so seltsam vertraut vor. Als hätte ich dort gelebt. Jetzt ist es fast weg. Jetzt kann ich mich wieder an alles hier erinnern. Aber für ein paar Tage hatte ich das Gefühl, als wäre ich plötzlich in einem ganz anderen Leben. Ich erwähne das deshalb, weil ich glaube, dass mich das verändert hat. Ich denke, ich kann seither vielmehr sehen, was hier bei uns in der Welt, alles völlig schiefläuft und ich fände es super, wenn meine Eltern einen Teil zur Veränderung beitragen würden. Auch wenn das bedeuten würde, dass wir weniger Geld haben. Ich glaube, dass wir hier auf der Erde erst dann wirklich glücklich sein können, wenn alle Menschen glücklich sind. Und das ist eine sehr große Aufgabe und es braucht eine Menge helfender Hände. Ich wäre auf jeden Fall dabei“, sagte sie.
Hannes, Klara, Martin und die Erzengel saßen am ersten Weihnachtsfeiertag in Klaras Wohnzimmer und ließen die letzten Tage und Wochen wieder einmal Revue passieren. Es war so viel geschehen, und sie hatten das Gefühl, den Überblick verloren zu haben. „Ihr müsst nicht verzweifelt daran festhalten, dass ihr den großen Überblick bewahrt. Die Menschen können und müssen nun überall auf der Welt die Dinge selbst in die Hand nehmen. Es genügt, dass ihr hier so eine Art Ideenvermittler seid. Ihr bringt die Menschen zusammen und dann dürfen und müssen sie es selbst umsetzen. Wir haben nur noch einen Tag, an dem die Engel über den Himmel ziehen und die Erde mit kosmischer Schwingung versorgen. Ab übermorgen müssen die Menschen bereit sein, dies selbst zu tun“, sagte Michael. „Wir können es ihnen nicht abnehmen, und ihr auch nicht“, fügte Gabriel hinzu.
Wir haben nun die Aufgabe, dass wir heute und morgen Möglichkeiten finden, wie die Menschen diese Schwingungen selbst erzeugen können. Und dafür brauchen wir dann wieder deinen und die vielen anderen Sender, um dies in der Welt zu verbreiten. Aber noch habe ich keine Idee“, sagte Uriel.
Uriel war bisher recht zurückhaltend gewesen. Er hatte immer mitgeholfen, sich aber niemals in den Vordergrund gestellt. Aber nun merkte er, dass diese Aufgabe wohl ihm gehörte. Er musste Möglichkeiten finden, dass die Energiewolke, die die großen Engel erzeugten, nicht zusammenbrach, wenn sie sich um Mitternacht des zweiten Weihnachtsfeiertages wieder zurückziehen würden. Das war keine leichte Aufgabe und er musste bestehen. Nur wenn die Menschen dies schafften, würden sie all die Ideen, all die angefangenen Projekte weiterführen. Es musste eine Möglichkeit geben – er wusste nur noch nicht, welche.
Und wie es weitergeht, was die Eltern von Sophie und Jonas planen, was Uriel herausfinden wird, wie die Menschen die Energie der Engel aufrecht erhalten können – all dies erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht und wunderschöne Träume
In der Engelwelt war reges Treiben. Alle Engel – angefangen von den jüngsten Jung-Engeln bis zu den höchsten Engeln waren damit beschäftigt den Heiligen Abend und das Weihnachtsfest vorzubereiten. Dieses Jahr hatten sie ja ein wenig Personalmangel, da die größeren Engel beschlossen hatten, dass sie bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag über den Himmel ziehen wollten, damit die Menschen sich ihre Gegenwart genau verinnerlichten. Sie hatten ja schon erlebt, wie die Menschen manchmal waren. Selbst wenn sie etwas Außergewöhnliches erlebt hatten, vertrauten sie sich selbst nicht und redeten sich kurz danach schon ein, dass sie sich das alles nur eingebildet hatten. Und natürlich hatten sie es auch hier in der Engelwelt mitbekommen, dass die dunklen Mächte auf der Erde den Menschen einreden wollten, dass dies nur ein seltenes Wetterleuchten war. Das konnten sie so nicht akzeptieren, also würden sie fünf Tage lang über den Himmel ziehen. Bis dahin würden alle Menschen erkannt haben, dass es kein Wetterleuchten war, sondern dass sie ganz real über den Himmel zogen.
Doch auch in der Engelwelt machte man sich Sorgen um die Menschen. Die Engel spürten, dass auf die Menschen noch einige Herausforderungen zukommen würden. Sie mussten sich vollkommen neu organisieren. Und obwohl die zwölf Engel nun als Menschen auf der Erde waren und auch die Erzengel, die unten waren, alle Hände voll zu tun hatten, und obwohl viele Menschen schon umdachten, es blieb spannend.
Viele der alten Strukturen mussten aufgebrochen werden und die dunklen Mächte hatten sich in vielen Bereichen breitgemacht. Sie hatten ganze Institutionen unterwandert, die sich ursprünglich einmal dem Guten verschrieben hatten. Dies alles musste nun transformiert werden und dies würde viel Arbeit und vermutlich auch viele Konflikte bedeuten. Doch die Engel hatten Hoffnung, weil sie sahen, dass die Menschen so Vieles bereits selbst in die Hand genommen hatten. Doch sie würden staunen, wenn sie erst einmal das Ausmaß der Unterwanderung zu Gesicht bekommen würden. Und das konnte ihnen nicht erspart bleiben. Nur indem die Menschen sahen, was sie alles zugelassen hatten in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten, konnten sie nun die neuen und besseren Entscheidungen treffen.
Hannes saß bei Martin in der Werkstatt und raufte sich die Haare. „Ich bin gewohnt, viel zu arbeiten, aber ich fürchte, ich kann nicht mehr“, sagte er. Martin legte das Brett, das er gerade in der Hand gehalten hatte, zur Seite. „Kann ich etwas für dich tun?“, fragte er und setzte sich neben Hannes. Hannes schüttelte den Kopf. „Nein, ich fürchte, dass du nichts für mich tun kannst. Das ganze Unterfangen übersteigt gerade etwas meine Kräfte. Ich fürchte, ich bin einfach total erschöpft. Seit vier Wochen schlafe ich nur wenige Stunden und arbeite von früh bis spät und ich fürchte, es ist einfach zu viel.“ Martin konnte Hannes gut verstehen. Er hatte ja selbst erlebt, wie Hannes von frühestem Morgen bis spät am Abend unter Dauerstress stand. Er selbst war froh gewesen, dass er sich in die Werkstatt zurückziehen konnte, da er auch das Gefühl gehabt hatte, dass er sich aus dem ganzen Stress ein wenig heraustreten und trotzdem etwas Sinnvolles tun wollte. „Glaubst du, würde es dir helfen, wenn du heute ein wenig Pause machst?“, fragte Martin.
Hannes lehnte sich zurück und rieb seine Schläfen. „Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn ich einen Spaziergang mache. In meinem Kopf drehen sich die Gedanken und ich kann das Karussell nicht mehr anhalten. Heute Abend muss ich sowieso wieder die Sendung moderieren. Aber bis dahin könnte ich die Dinge vielleicht einfach laufen lassen. Das Team der Herren und Damen im Studio macht wirklich gute Arbeit und die Erzengel sind bei den verschiedenen Projekten und schauen dort nach dem Rechten. Ich denke, die Welt wird nicht untergehen, wenn ich eine kleine Pause mache“, sagte Hannes. Martin dachte einen Moment nach. „Ich nehme an, dass du die morgige Weihnachtssendung selbst moderieren möchtest, aber was hältst du davon, wenn ich die heutige Sendung übernehme und du dich einfach bis morgen zurückziehst.“ Hannes wollte zuerst widersprechen, hielt dann aber inne und dachte kurz nach. „Ich glaube, das ist ein sehr verlockender Gedanke. Ist das wirklich in Ordnung für dich?“, fragte er. Martin nickte. „Ja, das ist völlig in Ordnung für mich. Ich habe mich die letzten zwei Tage hier in der Werkstatt erholt und fühle mich sehr ruhig. Ich mache das liebend gerne für dich, und wie du weißt, habe ich die große Kunst des Sprechens ja auch einmal gekonnt. Ich denke, ich schaffe das.“
Hannes drückte Martins Arm und verließ die Werkstatt. Er brauchte Zeit für sich. Was in den letzten vier Wochen auf ihn eingeprasselt war, war noch nicht im Geringsten verarbeitet. Seit Martins Anruf vor vier Wochen hatte sich sein Leben vollkommen verändert. Natürlich war er schon immer ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen gewesen, aber es war ja noch viel mehr. Bis vor Kurzem waren Engel für ihn eine Art Fabelwesen. Und er hatte auch gedacht, dass die Welt eigentlich ganz gut war, so wie sie war. Und in den letzten Wochen war alles von unten nach oben gekehrt worden. Sein ganzes Weltbild stand auf dem Kopf. Langsam schlenderte er durch die Wiener Innenstadt und überlegte, was er mit der unverhofften freien Zeit nun anfangen sollte.
Obwohl er gerade nichts zu tun hatte, kreisten seine Gedanken. Hatte er Martin gut genug instruiert für heute Abend? Doch er wusste, dass er ein höchst professionelles Team im Sender hatte und dass Martin ebenfalls schon sehr häufig vor einem großen Publikum gesprochen hatte. Es konnte nicht viel passieren – und selbst wenn…dann würde die Welt sich trotzdem weiterdrehen. Er musste abschalten. Aber wie ging das? Kurz überlegte er, ob er noch ein paar Weihnachtsgeschenke besorgen sollte. Aber es kam ihm lächerlich vor. Was sollten die Menschen jetzt mit einem Schal oder einer Schachtel Pralinen anfangen? Er machte gerade viel größere Geschenke und das war auch viel wichtiger.
Mittlerweile war er am Stephansplatz angekommen und entschied sich über den Graben zur Hofburg zu gehen und dann zu überlegen, wohin ihn sein Weg führen würde. Noch immer zogen die Engel über den Himmel und das Summen war auch noch da. Fast war es schon normal geworden. Die letzte halbe Stunde hatte er überhaupt nicht darauf geachtet. In der Hofburg angekommen, zog es ihn über den Ring zur Maria Theresien Statue. Zunächst umrundete er sie, dann setzte er sich auf die Stufen und atmete tief durch. Dieses Jahr war alles anders. Normalerweise waren große Mengen von Touristen hier, aber heute war fast niemand da. Auf der anderen Seite der Statue saß ein junger Mann und fütterte die Tauben und ein paar ältere Damen drehten ihre Runden.
Das Picken der Tauben beruhigte seine Gedanken. Er studierte genau, welche der Tauben scheinbar die mutigste von allen war und er bewunderte den jungen Mann, wie er zielsicher auch immer ein paar Bröckchen zu den weniger mutigen Tauben hinüber schoss. Dabei musste er ganz vorsichtig sein. Waren die Bröckchen zu groß, erschraken die Tauben und flatterten weg. Waren sie zu klein, flogen sie nicht weit genug. Hannes war ganz gefangen von dem Schauspiel und merkte dabei gar nicht, wie er langsam anfing, sich zu entspannen. Mittlerweile hatte der junge Mann bemerkt, dass Hannes ihn beobachtete und lächelte ihm zu. „Danke, dass die mich nicht gleich zurechtweisen“, sagte er. Hannes sah ihn fragend an. „Die meisten Menschen hassen Tauben und nennen sie die Ratten unter den Vögeln. Aber das stimmt gar nicht. Tauben übertragen nicht mehr Krankheiten als andere Tiere auch. Und wenn sie sich bis auf den Boden begeben, haben sie schon furchtbar Hunger. Eigentlich sollte man ihnen ja Körner füttern, aber ich habe nur eine Semmel gehabt.“
Der junge Mann schien sich mit Tauben gut auszukennen. „Nein, ich fand es sogar sehr interessant zu sehen, wie sie darauf geachtet haben, dass alle von ihnen etwas bekommen“, erwiderte Hannes. Dann schaute er wieder in den Himmel. „Wie finden sie dieses Schauspiel da oben?“, fragte er den jungen Mann. Dieser folgte dem Blick von Hannes und versank eine Weile in stilles Beobachten. „Ich finde es faszinierend und es beruhigt mich. Und das finde ich seltsam. Sollte etwas, von dem wir nicht wissen, was genau es ist, uns nicht eigentlich beunruhigen?“, fragte der junge Mann. „Da haben sie wohl recht. Aber ich kann mich ihrer Meinung nur anschließen. Mich beruhigt es auch und ich habe das Gefühl, dass es eine so tiefgreifende Botschaft hat, dass ich sie gar nicht verstehen kann.
In dem Moment stutzte der junge Mann. „Sind sie nicht Hannes Frisch, der jeden Abend die Sendung moderiert, in der die Menschen sich gegenseitig bei neuen Projekten unterstützen?“, fragte er. Hannes lächelte und nickte. „Jawohl, der bin ich. Aber heute habe ich frei, weil mein Kollege Martin Körner heute für mich übernimmt. Ich fürchte, ich muss mich etwas entspannen“, sagte Hannes. „Oh bitte entschuldigen sie, dass ich sei gestört habe. Das wollte ich nicht“, sagte der junge Mann und wollte sich wegdrehen. „Nein, um Gottes Willen! Sie haben mich überhaupt nicht gestört. Genau genommen konnte ich mich erst entspannen, als ich ihnen beim Füttern der Tauben zugeschaut habe. Ich freue mich über unsere Bekanntschaft“, sagte Hannes.
Wieder schauten beide in den Himmel und beobachteten die Engel die in einer endlosen Reihe über ihnen ihre Runden zogen. Auch die wenigen anderen Menschen, die unterwegs waren, schauten immer wieder nach oben, dann sprachen sie weiter. „Es ist eine surreale Situation“, sagte Hannes mehr zu sich selbst. Der junge Mann schwieg noch eine Weile und erwiderte dann: „Ja, wie zwischen wachen und träumen.“ Hannes fand, dass dies die perfekte Definition war.
„Bitte verzeihen sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt“, sagte der junge Mann und reichte Hannes die Hand. „Ich weiß ja bereits, dass sie Hannes Frisch sind. Ich bin Jonas Liebhart.“ Hannes nahm die die Hand von Jonas Liebhart und schüttelte sie erfreut. Es war, als würde er einen alten Bekannten treffen.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen am Heiligen Abend!
Mit diesem Ereignis hatte sich das ganze Leben auf der Erde verändert. Überall auf der Welt traten die Menschen auf die Straßen. Menschen, die bisher in Unterdrückung gelebt hatten, erkannten nun, dass dies kein gottgewolltes Schicksal war, sondern dass sie von anderen Menschen dazu gezwungen wurden, damit diese immer noch mehr Profite machten. An manchen Stellen auf der Erde kam es zu Streit, an anderen begannen die Menschen sich in Gruppen zusammenzutun und neue Wege zu finden. All die Projekte, die die verschiedenen Sender nun schon initiiert hatten, wurden in Windeseile umgesetzt. An manchen Stellen entstanden Höfe für Tiere, die sich dort wohlfühlen durften und artgerecht gehalten wurden. Millionen von Hühnern wurden aus den grausamen Tierfabriken befreit und liebevolle Menschen gaben ihnen Wiesen und Ställe, wo sie leben durften.
Phanuel begleitete eines dieser Projekte und war anwesend, als die Hühner gebracht wurden. Er sah, wie sie das erste Mal ihre Füße auf das Gras stellten und plötzlich Platz genug hatten, ihre Flügel zu spreizen. Immer mehr Wiesen wurden abgesteckt. Und obwohl es Winter war und kalt, genossen die Tiere es sichtlich, dass sie nun in Würde leben durften. Sie bekamen große Ställe mit Stroh und Sägespänen, in denen sie sich an das neue Leben gewöhnen durften. Die Füße, die teilweise ganz gekrümmt waren, weil sie bisher nur gewohnt waren, auf Gitterstäben zu stehen, konnten endlich auf gutem und weichem Boden stehen.
In die anderen Ställe wurden Schweine gebracht. Die klugen Tiere waren ganz verängstigt, denn sie waren es nicht gewohnt, dass sie Platz hatten und sich bewegen durften. Und plötzlich konnten sie miteinander spielen und sich im Stroh wälzen. Wieder ein anderes Projekt kümmerte sich um Milchkühe, die das erste Mal in ihrem Leben ihre Kälber behalten durften. Viele der Kühe waren hoch trächtig und durch die Aufregung des Transports gebaren sie ihre Kälber früher. Und sie konnten es kaum glauben, dass niemand kam, und ihnen ihre Babys wegnahm. Ganz aufgeregt leckten die Kühe immer wieder das Fell ihrer Kinder und man sah das Glück in ihren großen, gutmütigen Augen. Viele Menschen erklärten sich bereit, ihr Geld in diese Projekte zu stecken. Phanuel kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, wie viel Energie in den Menschen steckte, wenn sie das tun durften, was ihrer Natur entsprach.
Michael begleitete den Aufbau des alternativen Gesundheitszentrums. Diese Gruppe hatte ein wunderschönes Hotel mit einem großen Park am Stadtrand von Wien gefunden, das sie nach und nach ausbauen würden. Doch die ersten Patienten konnten bereits empfangen werden und sie kümmerten sich um chronische, von der Schulmedizin bereits aufgegebene, Erkrankungen. In der ehemaligen Hotelküche standen Menschen, die sich dem Kochen von gesunder Nahrung verschrieben hatten und bereiteten für die ersten Patienten wunderbare, heilsame Kost zu. Therapeuten, Künstler, Ärzte und andere Heilkundige lernten gerade, wie es war, wenn man über alle Disziplinen zusammenarbeitete. Natürlich war dies anfangs nicht leicht und sie mussten sich erst einmal verständigen und jeder durfte lernen, dem Anderen auch zunächst einmal zuzuhören. Aber es dauerte nicht lange, und sie hatten Konzepte und Möglichkeiten gefunden, wie sie die Patienten bestmöglich versorgen konnten. Und da Weihnachten vor der Tür stand, schmückten sie das ehemalige Hotel und gaben den kranken Menschen das erste Mal das Gefühl, dass sich nun jemand um all ihre Bedürfnisse kümmern würde.
Eigentlich hatte Michael gar nichts zu tun, sondern er beobachtete nur und lernte, dass die Menschen über eine unglaubliche Schöpfer- und Schaffenskraft verfügten. Und er wunderte sich, wie schnell sich dies alles herumsprach. Denn schon wenige Stunden, nachdem sie geöffnet hatten, standen die Patienten bereits Schlange. Vieles war noch nicht vorhanden und es musste an allen Ecken und Enden improvisiert werden, aber die vielen Ärzte und Ärztinnen, Heiler, Krankenschwestern und Pfleger, Therapeutinnen und Schamanen fanden Wege, wie sie die ungewohnte Situation meistern konnten.
Gabriel leistete Unterstützung in Martins Werkstatt. Hier entstanden in Windeseile die Wagen für die obdachlosen Menschen. Immer mehr von ihnen kamen und halfen auch mit, die Wagen zu bauen. Freudestrahlend zogen sie dann mit ihrem mobilen Zuhause von dannen. Nun waren sie frei und trotzdem geschützt. Viele Firmen hatten sich gemeldet, die Material und Maschinen zur Verfügung stellten, sodass sie die Wagen zwar außen mit einer Holzwand bauten, aber innen war der ganze Wagen mit Styropor ausgekleidet, sodass es im Innenraum im Winter warm und im Sommer kühl blieb.
Hannes hatte unglaublich viel im Sender zu tun. Die pensionierten Anwälte, Richter und Notare und die Damen aus Klaras Wohltätigkeitsverein waren fast rund um die Uhr damit beschäftigt, die richtigen Menschen zusammenzubringen und dadurch entstanden in Windeseile eine Menge völlig neuer Initiativen.
Und immer noch zogen die Cherubim, Seraphim und Aralim über den Himmel. Und immer wieder blieben die Menschen stehen und schauten nach oben. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Eintritt dieses Ereignisses hatte sich die ganze Erde verändert. Martin schaute auch sehr oft nach oben und er wusste, dass der Gesang der Engel dazu beitrug, dass die Transformation auf der Erde relativ friedlich verlief. Immer wenn die Menschen in Gefahr liefen, sich zu streiten, konzentrierten sie sich wieder auf diesen Gesang, der ihre Gemüter sofort glättete. Während Martin sägte, hobelte und schliff dachte er immer wieder an Theo und Luisa und wo und unter welchem Namen sie nun lebten. Er vermisste die beiden. Er liebte ihr sonniges Wesen und ihre bescheidene, freundliche und hilfsbereite Art. Und das Wissen darum, dass er sie unter Umständen niemals mehr wiedersehen würde, war sein einziger Wermutstropfen in dieser ansonsten so zauberhaften Zeit. Doch er vertraute den Engeln und bat inständig darum, dass sie wieder in sein Leben treten würden. Sie waren es, die sein Leben vollständig verändert hatten. Und nicht nur seines, sondern auch das von Klara, Hannes und mittlerweile vielen tausenden Menschen da draußen, die nun begannen eine neue Welt zu bauen.
Jonas war am Vormittag in der Schule gewesen. Viele seiner Mitschüler waren nicht gekommen. Anscheinend betraf diese Veränderung, die überall zu bemerken war, auch seine Mitschüler. Aber sie waren eine kleine und engagierte Gruppe und endlich konnte er wieder so viele Fragen stellen, wie er wollte. All diejenigen, die ihn das letzte Mal dafür gerügt hatten, dass er plötzlich zum Streber geworden war, waren heute nicht gekommen. Er genoss die Zeit in der Klasse mit nur einer Handvoll Schüler. Die Lehrer waren ausgesprochen aufgeschlossen, um mit ihnen über die aktuellen Ereignisse zu diskutieren. Es wusste ja keiner so genau, was eigentlich geschehen war. Doch speziell die Lehrerin für Philosophie und Ethik begann darüber zu sprechen, wie dies alles zustande gekommen war. Die paar engagierten Schüler erfuhren, dass sie nun Zeitzeugen einer Entwicklung wurden, die es in dieser Form noch gar nie gegeben hatte und dass es auch jetzt keine vorgegebenen Regeln mehr gab. Die Menschen waren nun aufgerufen, die Regeln für ihr Zusammenleben auf der Grundlage des freien Willens und ihres Gewissens selbst zu definieren. Aller erstrahlte in einem neuen Glanz.
Jonas konnte gar nicht genug davon bekommen, zu erfahren, wie die Entwicklung der Menschen bisher stattgefunden hatte und wie die Menschen, obwohl sie doch eigentlich sehr klug waren, immer mehr von ihren Freiheiten der Bequemlichkeit geopfert hatten. So hatte er das Ganze noch gar nie gesehen. Und es kam ihm vor, als würde er gerade aus einem ganz langen Schlaf erwachen. Und nicht nur er, sondern nahezu alle Menschen begannen nun, diese Fragen zu stellen.
Mongila hatte Sarah bei sich in der kleinen Fabrik aufgenommen. Mohammed, der Textilunternehmer, bezahlte ihr ein kleines Haus, damit sie mit ihren Kindern in Mongilas kleiner Fabrik arbeiten konnte, bis die große Fabrik fertig gestellt war. Mongila hatte alle Hände voll zu tun und war froh, dass Sarah nun immer öfter auch auf ihre Kinder schaute, wenn sie Gespräche mit neuen Mitarbeiterinnen führte. Sie und Sarah waren rasch Freundinnen geworden. Es war schön, wenn man seine Arbeiten gemeinsam machen konnte und nicht für alles alleine verantwortlich war. Die Frauen in der Fabrik hatten auch die Idee gehabt, dass immer eine von ihnen für sich und alle anderen kochte und somit hatten sie eine wunderbare Arbeitsteilung. Sie mussten gar keine starren Regeln aufstellen, sondern es fügte sich immer alles, da jede der Frauen sich für die Arbeit und die Fabrik verantwortlich fühlte. Für die Kinder fühlten sich sowieso alle verantwortlich und jede der Frauen hatte ein Auge auf sie.
Weihnachten nahte und Hannes, Martin, Klara und die Erzengel fragten sich, wie dies alles nun weitergehen würde. Würde es so friedlich und arbeitsam bleiben, oder würden größere Konflikte entstehen?
Der Tag der Wintersonnwende war gekommen. Hannes hatte eine Menge Menschen ins Studio eingeladen, um mit ihnen eine Sondersendung zum Thema der neuen Zeit und dem Kampf gegen die dunklen Mächte zu veranstalten. Es waren viele Menschen aus den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft, Finanzen, Digitalisierung, Spiritualität und so weiter, gekommen. Sie alle hatten viel zu sagen. Hannes hatte auch dafür gesorgt, dass andere Sender ebenfalls diese Veranstaltung ausstrahlen würden. In weiten Teilen des Landes, und auch in vielen anderen Ländern, saßen die Menschen vor den Fernsehern und hörten, was diese Experten zu sagen hatten.
Sie zeigten auf, wie weit die dunklen Mächte bereits sämtliche Bereiche des Lebens in Beschlag genommen hatten. Zusammenhänge zwischen all diesen Bereichen wurden besprochen und die Menschen erfuhren erstmals, wie weit dieses Netzwerk der dunklen Mächte bereits sie alle infiltriert hatte.
Noch während die Sendung lief, erreichten tausende Anrufe die Telefonzentralen der verschiedenen Sender. Die Menschen wollten wissen, wie sie aus diesen Netzwerken entrinnen konnten. Und die Experten der jeweiligen Bereiche gaben, so gut sie konnten, Auskunft. Immer wieder war auch die Rede davon, dass die geistige Welt ihnen ein Zeichen schicken wollte. Doch der Abend schritt immer weiter voran und kein Zeichen war zu sehen. Martin und Klara suchten während der Sendung den Himmel ab. Die verschiedenen Sender hatten Außenstationen eingerichtet, damit sie das Ereignis live senden konnten, aber selbst um 21.00 Uhr war noch nichts zu sehen. Hannes wurde immer nervöser. Zwar war die Sendung an sich schon ein großer Erfolg, aber das angekündigte Ereignis durfte auf keinen Fall ausbleiben! Die Experten hatten jedoch alle Hände voll zu tun, um die vielen Fragen der Menschen zu beantworten.
Gegen 23.00 Uhr brach im Studio ein Riesentumult aus und alle rannten nach draußen. Glücklicherweise war draußen schon alles vorbereitet. Die Kameras liefen und Hannes begann sofort seine Eindrücke für die Zuseher zu beschreiben.
Der Anblick war atemberaubend! Über den dunklen Nachthimmel zogen, in einer langen Reihe, hell erleuchtete Umrisse der Engel. Selbst die Erzengel brauchten einen Moment, um zu erkennen, dass es die ganz großen Engel aus den Hierarchien der Cherubim, Seraphim und Aralim waren. Auch Michael, Gabriel, Uriel, Raphael und Phanuel schauten zum Himmel und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Die Engel strahlten ein rosa-goldenes, weiches, schimmerndes Licht aus und es wurden immer mehr. Ein schier unendlicher Strom Engel kam zwischen den Wolken hervor und zog langsam über den Himmel. Dabei war die Luft erfüllt von einem wunderbaren Summen. Es war, als würden die Engel singen, während sie über den Himmel zogen.
In allen Ländern der Welt sahen die Menschen die Erscheinung und fielen sich gegenseitig in die Arme. Selbst diejenigen Menschen, die sich bisher noch gar keine Gedanken über die dunklen Mächte gemacht hatten, erkannten plötzlich, dass nun die Erlösung nahte. Sie spürten intuitiv, dass die Zeiten sich nun wandelten. Es geschah soeben etwas Wunderbares – etwas, das vielleicht nur ein einziges Mal auf dieser Erde passierte.
Das Singen der Engel schwoll an und bald war der ganze Erdball umrundet von rosa-goldenen sanft singenden Engeln. Das Singen löste in den Menschen eine nie gekannte Euphorie und Freude aus und überall stand alles still. Alle Menschen schauten zum Himmel. Auch in den Erdteilen, in denen es hell war, waren die Engel gut zu sehen.
Sophie wachte plötzlich auf. Irgendein Geräusch hatte sie geweckt. Ihre Mutter stürmte ins Zimmer und rief ihr zu, dass sie rasch aus dem Fenster schauen sollte. Sophie zog sich einen Morgenmantel über und öffnete das Fenster.
Der Anblick der Engel am Himmel und das Singen, das sie auch geweckt hatte, kamen ihr ungewöhnlich bekannt vor. Als sie dem Schauspiel stumm folgte, fühlte sie eine Sehnsucht in ihrem Inneren, die sich wie Heimweh anfühlte. Sie stand schweigend und reagierte auch nicht auf die Aufregung der Eltern.
Irgendetwas in ihr erinnerte sich, aber sie konnte es einfach nicht fassen. Doch auch sie durchwallte ein unglaubliches Glücksgefühl. Sie konnte sich von dem Anblick gar nicht losreisen. Lange Zeit später schlüpfte sie in ihre Jacke und Hausschuhe und ging nach draußen in den Garten, um in aller Ruhe das Spektakel zu betrachten. Vor den Häusern standen die Menschen. Ganz Mountfitchet war auf den Beinen, starrte zum Himmel und jubilierte. Viele der Menschen, hier in Mountfitchet, hatten die Sendung gesehen, die mit Untertiteln auch in einigen englischen Sendern übertragen wurde. Jetzt erkannten sie, dass dies keine Fiktion war, sondern dass sie alle Zeuge eines unglaublichen Ereignisses wurden.
Sophie nahm sich vor, solange im Garten zu sitzen, bis die Erscheinung vorüber war. Doch sie schien einfach nicht zu enden. Kaum waren die einen Engel aus dem Blickfeld verschwunden, tauchten schon wieder neue auf und der immerwährende himmlische Gesang zog in ihren Körper ein. Sie hatte das Gefühl, dass nicht viel fehlte, und sie würde mit diesen wunderbaren Engeln über den Himmel ziehen.
Jonas wachte ebenfalls plötzlich auf, weil Paula ihn an der Schulter rüttelt. „Los, steh auf Jonas oder wer immer du bist. Vielleicht kannst du das erklären“, zischte Paula ihm ins Ohr. Jonas sprang aus dem Bett und rannte ebenfalls zum Fenster. Nun hörte er auch den Gesang der Engel und fühlte etwas wie eine Erinnerung. „Wieso glaubst du, dass ich das erklären kann?“, fragte er Paula. „Das weiß ich nicht, aber zuerst ist etwas mit dir geschehen und jetzt kommt das“, sagte Paula. Die Eltern winkten ihnen von unten zu. Auch hier, in Wien, waren alle Menschen auf der Straße. Es war eine unglaubliche Stimmung.
Der Zug der Engel dauerte die ganze Nacht und war am nächsten Morgen noch immer am Himmel zu sehen. Auch das Singen hielt an. Auf der ganzen Welt war an ein normales Arbeiten nicht zu denken. In allen Fernsehsendern liefen Dokumentationen, in denen Meteorologen, Physiker und andere Wissenschaftler versuchten, diese Erscheinung als besonderes Wetterphänomen zu erklären. Doch die Menschen glaubten ihnen kein Wort und sie erkannten, dass die öffentlich anerkannten Experten nun versuchten, ihnen das Ereignis als ein völlig gewöhnliches, wenngleich auch seltenes, Ereignis zu verkaufen. Nur glaubte ihnen niemand mehr. Denn die Menschen erkannten nun, dass sie schon sehr oft belogen worden waren. Sie begannen, ihrer eigenen Wahrnehmung zu vertrauen.
Obwohl das reguläre Leben, wie man es vorher gekannt hatte, stillstand, brach kein Chaos aus. Die Menschen gingen zu Fuß dahin, wohin sie wollten und sie sprachen miteinander und kümmerten sich um die Dinge, die wirklich wichtig waren. Plötzlich übernahmen die Menschen Verantwortung für alles Mögliche. Sie waren nicht mehr in ihrer stillen Resignation, sondern sie fühlten sich lebendig und hatten Freude daran, sich gegenseitig zu helfen und Lösungen zu finden.
Mongila schaute schon seit Stunden in den Himmel. Sie konnte sich an diesem Schauspiel nicht sattsehen. Und ein Gefühl des Erkennens schlich sich bei ihr ein. Theo, Luisa, Michael und Raphael – sie war sich sicher, dass die damit etwas zu tun hatten. Auch wenn sie nicht wusste, was es war. Aber seit diese Burschen aufgetaucht waren, war alles anders. Nichts war mehr so trostlos wie zuvor.
Sie saß vor ihrer kleinen Fabrik, die anderen Frauen saßen ebenfalls mit ihren Kindern bei ihr und gemeinsam genossen sie die wunderbaren Klänge, die vom Himmel zu ihnen herunterströmten. Sie waren alle eine große glückliche Familie.
Wenig später fuhr der Wagen des Textilunternehmers, Mongila durfte ihn Mohammed nennen, auf den Dorfplatz. Mit ihm stiegen eine Frau und drei Kinder aus. „Unsere Gebete wurden erhört. Sarahs Kinder sind wieder da – und sie sind unversehrt!“ Tränen flossen über sein Gesicht und auch Sarah weinte. Die Kinder strahlten einfach nur.
Der Kreis der Frauen um Mongila öffnete sich und machte Platz für Sarah, Mohammed und die Kinder. Es war ein gemeinsames, dankbares Schweigen, Beten und Lauschen. Niemand fragte Sarah, sondern alle fühlten mit ihr, fühlten ihre Erleichterung. Zwei lange Monate des Bangens und der Angst lagen hinter ihr und nun saß sie hier, im Kreis dieser wunderbaren Frauen und genoss die Tatsache, dass sie ihre Kinder wieder zurückerhalten hatte.
Immer wieder strich sie dem einen, dann dem anderen Kind über den Kopf und küsste sie immer wieder. Mohammed saß daneben und man sah ihm an, dass ihn in diesem Moment nichts auf der Welt glücklicher machen konnte, als die Tatsache, dass Sarah und ihre Kinder wieder vereint waren. Alle schauten gemeinsam zum Himmel. Keiner konnte sich erklären, was er da sah, aber sie wussten alle, dass dies auch gar nicht notwendig war. Alles war in diesem Moment gut, richtig und wahrhaftig.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche Euch allen eine wunderbare und gute Nacht und schöne Träume
Mongila war erschöpft. Seit Tagen reiste sie zwischen ihrer kleinen Fabrik und der großen Fabrik, die sich im Aufbau befand, hin und her. Aber sie sah, welche Freude sie damit so vielen Menschen machte. Der Textilfabrikant hatte sie beauftragt, ihm bei der Planung zu helfen. Schließlich wusste sie am besten, was ihre Kollegen und Kolleginnen brauchten. Dafür entlohnte er Mongila fürstlich und hatte ihr in Aussicht gestellt, dass sie in der großen Fabrik eine leitende Position einnehmen sollte.
Mongila hatte aufgeschrieben, vor welchen Herausforderungen die Arbeiterinnen oft standen. In den meisten Textilfabriken war es so, dass die Arbeitszeit bis zu vierzehn Stunden täglich betrug und es nur einen freien Tag gab. Dies führte dazu, dass die Frauen nach wenigen Jahren so ausgelaugt waren, dass sie nicht mehr arbeiten konnten. Davon abgesehen, dass sie unter furchtbarem Heimweh litten und ihre Kinder vermissten.
Daher fand sie den Gedanken wunderbar, dass sie Wohnhäuser bauen würden, in denen die Familien leben können. Sie war erstaunt, welch großes Interesse der Unternehmer daran hatte, dass es den Arbeitern und Arbeiterinnen gut ging. „Wo sollen wir die Kantine planen?“, fragte er. Mongila beugte sich über die Pläne. „Wenn sie hier zwischen der Schule und den Fabrikgebäuden noch Platz hätte, dann wäre das perfekt“, sagte Mongila. „Dann können sich Eltern und Kinder zum Essen hier treffen.“ „Ja, da sollte noch genügend Platz sein. Wie wäre es Mongila, wenn sie sich um die ganzen Einstellungen kümmern. Ich denke, wenn wir sofort anfangen zu bauen, dann können wir in einem halben Jahr in Betrieb gehen. Bis dahin brauchen wir die ersten eintausend Arbeitskräfte und wenn das läuft, dann vergrößern wir hier.“ Dabei zeigte er mit dem Finger auf das Gelände, das bisher noch nicht eingeplant war.
Mongila stimmte zu. Was für eine großartige Aufgabe es sein würde, so vielen Menschen zu einem wunderbaren Arbeitsplatz unter europäischen Bedingungen zu verhelfen. „Das möchte ich sehr gerne tun“, sagte sie erfreut und dachte daran, wie kurz es erst her war, dass sie selbst in der Fabrik saß und weinte, weil sie ihre Kinder so sehr vermisste und sich so schreckliche Sorgen machte. Sie freute sich so sehr darüber, dass nun für eine Menge anderer Mütter und Väter ebenfalls die Möglichkeit bestand, dass sie eine gute Arbeit hatten und trotzdem bei ihren Familien sein konnten. Und sie freute sich fast noch mehr darüber, dass all die Kinder in die Schule gehen konnten und somit ganze Dörfer aus der Armutsfalle entrinnen konnten.
Aber eine Frage beschäftigte sie und sie fasste sich ein Herz, um sie zu stellen: „Warum machen sie das eigentlich alles? Sie würden doch viel mehr Geld verdienen, wenn sie es machen würden, wie alle anderen Textilfabrikanten auch. Der Unternehmer sah sie lange an. „Wissen sie Mongila, ich habe viele Jahre, sogar Jahrzehnte, genau das gemacht, was alle machen. Und ich habe dabei sehr viel Geld verdient. Aber es hat mich nicht glücklich gemacht. Ich habe oft nachts wach gelegen und es war mir bewusst, dass ich mich an den vielen Menschen versündige. Und als eines Tages…“ An diesem Punkt hörte er auf zu sprechen und schaute zum Fenster hinaus und Mongila sah, dass Tränen in seine Augen traten. „…und als eines Tages eine der Arbeiterinnen zusammenbrach, weil sie die Nachricht erhalten hatte, dass ihre unbeaufsichtigten Kinder verschleppt worden sind, während sie in der Fabrik war, wusste ich, dass ich etwas ändern musste.
Ich bin alt und krank und ich habe eine Menge Geld, das ich nicht mit ins Jenseits nehmen werde. Und ich möchte das, was ich verbrochen habe, wieder gut machen. Ich möchte meine Schuld so gut wie es geht begleichen.“ Er schnäuzte sich laut hörbar in ein großes Stofftaschentuch. „Was ist mit den Kindern geschehen?“, fragte Mongila und ihr Herz hämmerte laut in ihrer Brust. „Leider gibt es bis heute kein Lebenszeichen von ihnen“, sagte er. „Ich möchte diese Frau, die Mutter dieser Kinder, unbedingt hier beschäftigen, denn durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen ist es erst so weit gekommen. Ich habe auch mehrere Privatdetektive eingeschaltet, die die Kinder suchen. Sie sind jetzt zwei Monate verschwunden und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir sie finden.“ Mongila war sehr betroffen. Das war ihre größte Angst gewesen, während sie selbst in der Fabrik war und sie dankte Gott jeden Tag, dass ihren Kindern nichts geschehen war. Sie konnte sich vorstellen, durch welche Hölle diese Mutter ging. Und sie wusste auch, dass viele der verschleppten Kinder nie mehr auftauchten, es wäre schon ein großes Glück wenn sie wieder gefunden werden würden. Aber sie hoffte es inständig. Niemand sollte dies erleben müssen. Die armen Kinder und die arme Mutter.
Mongila verabschiedete sich und machte sich auf den Weg zurück nach Bonnotola, wo in ihrer kleinen Fabrik schon reges Treiben herrschte und die Frauen fröhlich plaudernd ihre Arbeit machten, während ihre Kinder zwischen ihren Füßen herumkrabbelten. Das hatte sie schon geschafft. Und jetzt würde sich das Leben für noch viel mehr Menschen verändern. Sie dachte dankbar an Theo und Luisa und hoffte sehr, sie bald wieder zu sehen. Noch wusste sie nicht, dass sie die beiden in der Form nie wiedersehen würde.
Der Elohim hatte sich das Anliegen der fünf Erzengel, Hannes, Martin und Klara angehört. Er wäre kein Elohim, wenn er nicht sofort verstanden hätte, worum es ihnen ging. „Ich denke, da kann ich etwas machen“, sagte er. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Ich werde das mit den großen Engeln besprechen. Dazu muss ich euch aber hier alleine lassen. Ich hoffe, dass ich die Dunklen so weit im Griff habe, dass sie die Gelegenheit nicht nutzen. Aber wissen kann man es nicht. Um das, was ihr vorhabt, vorzubereiten, werde ich bis zur Wintersonnwende weg sein. Ich muss den großen Rat einberufen und auch das große Sonnenwesen hinzu bitten. Das ist nichts, was wir Engel entscheiden können. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es klappt. Schließlich hatten wir zu Jesu Geburt ja auch einen Kometen am Himmel. Aber mit einem Kometen können wir die Menschen nicht mehr beeindrucken. Dieses Mal werden wir größere Geschütze auffahren müssen. Die Menschen sind ja schon sehr abgestumpft.“ Die Erzengel und die Menschen atmeten auf.
„Aber eure Aufgabe wird sein, all die Menschen, die etwas zu sagen haben, zusammenzutrommeln und am besten bei dir im Sender auftreten lassen. Bis dahin werdet ihr das Ereignis ankündigen müssen. Das müsst ihr jetzt tun.“ „Aber was können wir denn ankündigen? Wir wissen ja noch gar nicht, was geschehen wird.“, sagte Hannes und kratzte sich dabei ratlos am Kopf. Das war der Horror eines jeden Journalisten, dass er etwas ankündigen soll, von dem er selbst nichts Genaues wusste. Aber er würde sich bemühen.
„Wir müssen uns besprechen. Wir brauchen ein gutes Storytelling, womit wir die Aufmerksamkeit auf den Tag der Wintersonnwende lenken können. Und wir brauchen eine Liste all derer, die den Menschen so viel zu sagen haben, auf die aber im Moment niemand hört. Das ist eine fast unlösbare Aufgabe und wir haben nur noch ein paar Tage Zeit“, sagte Hannes und sah dabei nicht gerade glücklich aus.
Die nächsten beiden Tage waren mit hektischem Treiben erfüllt. Der Elohim war in die Engelwelt gereist und Martin, Hannes, Klara und die Erzengel waren dabei, das größte Event ihres Lebens zu planen. Sie würden ihre komplette Glaubwürdigkeit verlieren, wenn dies nicht klappte. Hannes konnte fast nicht mehr aufhören, sich die Haare zu raufen. Aber sie hatten sich geschworen, dass sie es schaffen würden.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen am Tag der Wintersonnwende! Ich wünsche Euch eine gute Nacht und schöne Träume!
An diesem Abend definierten die Erzengel, Hannes, Martin und Klara das Team, das sich nun um all die wunderbaren neuen Ideen kümmern würde. Nur die Moderation der abendlichen Live-Sendung würde Hannes noch selbst machen. Speziell die Damen, mit denen Klara früher die Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert hatten, erwiesen sich als wertvolle Kräfte. Sie verstanden genau, worum es ging und waren voll in ihrem Element. So konnten sich die fünf Engel und drei Menschen am nächsten Morgen zur Lagebesprechung treffen.
Phanuel ergriff als erster das Wort: „Es ist toll, was wir hier veranstalten, aber es geht zu langsam. Elohim sagte mir gestern, dass sich schon wieder etwas zusammenbraut. Die dunklen Mächte werden in den Rauhnächten versuchen, sich der Menschen zu bemächtigen. So gut die Rauhnächte für die Menschen sind, die sich bewusst mit dem Unsichtbaren beschäftigen, so anfällig sind die anderen Menschen in dieser Zeit – speziell diejenigen, die sich nicht darauf vorbereiten. Sie merken nicht einmal, wie die dunklen Mächte von ihnen Besitz ergreifen.“
„Wie wirkt sich das dann aus?“, fragte Martin. Phanuel überlegte eine Weile. „Das ist ganz unterschiedlich, aber generell kann man sagen, dass in den Rauhnächten alles verstärkt wird, was da ist. Wenn Menschen zum Bösen neigen, dann wird das noch viel mehr. Und wenn Menschen dazu neigen, andere Menschen auszubeuten, dann wird auch dies viel mehr. Aber im Moment geht es um die Unterdrückung. Es werden gerade diejenigen Menschen zum Schweigen gebracht, die eigentlich viel zu sagen hätten. Doch die dunklen Mächte sorgen dafür, dass diese Menschen keine Stimme erhalten.“
Alle acht schwiegen einen Moment. „Was können wir konkret tun?“, fragte Hannes. Michael schaltete sich ein: „Wir müssen die kritischen Menschen zusammenbringen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie gehört werden. Aber es reicht nicht, wenn wir sie in deinen Sender holen, Hannes. Das ist zu wenig. Wir müssen Wege finden, wie wir sie in vielen Kanälen zu Wort kommen lassen. Und wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie wir ihnen noch mehr Glaubwürdigkeit verschaffen können. Wir brauchen ein Ereignis, das alle Menschen aufhorchen lässt. Aber ich habe keine Ahnung, was das sein kann.“ Michael schaute in die Runde und schwieg wieder. „Was sagt der Elohim dazu?“, fragte Klara. „Der Elohim ist dafür nicht zuständig und er hat gerade auch so viel zu tun, um all die Angriffe abzuwehren oder zumindest abzuschwächen. Wir sind jetzt diejenigen, die eine Lösung finden müssen“, sagte Gabriel.
„Wir brauchen also ein Weihnachtswunder?“, fragte Klara. „Ja, so könnte man es nennen“, antwortete Gabriel. „Ich bin ja der Erzengel, der für die Weihnachtszeit zuständig ist, aber ich weiß nicht, was die Menschen in diesem entscheidenden Jahr dazu bringen könnte, aufzuhorchen. Die Menschen sind mir so fremd geworden. Sie haben alles Vertrauen in uns verloren. Und nun stehen wir da und wissen nicht, wie wir ihre Aufmerksamkeit erzielen können. Derzeit ist es ja so, dass die Menschen selbst das Augenscheinlichste nicht glauben wollen. Wir müssen also etwas wirklich Gutes finden, das sie aufwecken kann.“
Die acht versanken in tiefes Schweigen. Was könnte die Menschen sofort und auf der Stelle aufhorchen lassen? Was könnten sie tun, damit die Menschen zuhörten? Sie dachten alle nach und hatten einfach keine Idee. „Wir brauchen eine Art himmlischer Erster Hilfe“, sagte Klare versonnen. „Wie könnten wir das erreichen?“
In diesem Moment schaute Hannes auf. „Ich habe eine Idee“, sagte er. „Könnt ihr euch vorstellen, dass wir in drei Tagen, wenn die Wintersonnwende stattfindet, eine Illusion am Himmel erzeugen können? Wäre es möglich, dass eure Kollegen aus der Engelwelt am Himmel ein Zeichen entstehen lassen? Und wir bringen die Vorhersage dazu auf allen Sendern, die jetzt mit uns kooperieren? Dann würden doch vielleicht ein paar Menschen aufwachen. Wir müssten etwas entstehen lassen, das sich mit der normalen Wissenschaft nicht erklären lässt!“ Die fünf Erzengel schauten sich an. Eigentlich sollten sie ja die Menschen nicht mit solch einem Zeichen überzeugen, aber vielleicht war dies unter den besonderen Umständen möglich. „Das müssen wir mit dem Elohim klären und er müsste es sicher mit den ganz großen Engeln besprechen. Aber es wäre eine Möglichkeit. Denkst du, dass die anderen Sender dies auch bringen würden?“ Hannes dachte einen Moment nach. „Also ich bin überzeugt davon, dass ich einige Sender davon überzeugen kann. Ob ich es bei allen schaffe, weiß ich nicht. Aber ihr müsstet natürlich absolut zuverlässig sein, sonst kann ich meinen Hut nehmen. Dann wird nie wieder jemand mit mir kooperieren und es wäre sicher schädlich für unsere ganzen schönen Projekte.“
Phanuel nickte. „Das ist klar. Ich denke, wir sollten alle zu Elohim gehen und das mit ihm besprechen“, sagte er. So machten sie sich alle gleich auf den Weg, um dem Elohim diese Idee zu unterbreiten.
Jonas hatte sich mittlerweile etwas besser zurechtgefunden. Nach einer weiteren Nacht kamen seine Erinnerungen langsam zurück und auch seine Mutter beruhigte sich wieder. Nur Paula, seine kleine Schwester, schaute ihn immer wieder prüfend an. Der erste Tag in der Schule war das reinste Fiasko. Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wo seine Klasse war und auch die Mitschüler waren ihm nicht bekannt. Er rettete sich aus der Situation indem er sich ganz zurückzog und schwere Kopfschmerzen vortäuschte. Das ging halbwegs gut. Ein Mädchen schien besonders sauer auf ihn zu sein und am nächsten Tag wurde ihm auch bewusst, warum. Sie war offensichtlich seine Freundin. Das wusste er gestern nicht. Aber heute Morgen war es ihm eingefallen. Er würde das heute in Ordnung bringen. Irgendwie musste er es ihr erklären. Am besten würde er ihr reinen Wein einschenken und ihr sagen, dass er sich gestern an nichts erinnern konnte, als hätte er bisher gar nicht dieses Leben gelebt. Er hoffte nur, dass sie ihn nicht für verrückt halten würde. Aber er musste selbst zugeben, dass es ziemlich verrückt klang, wenn man plötzlich morgens nicht einmal mehr seine Familie erkennt.
An diesem Morgen ging er schon deutlich entspannter in die Schule. Eigentlich machte ihm der Unterricht großen Spaß. Was man da alles erfahren konnte! Als er die Lehrer mit vielen Fragen löcherte fiel ihm auf, dass ihn alle Mitschüler seltsam anschauten. In der Pause fragte er Tim, der offenbar sein bester Freund war: „Warum habt ihr mich vorhin alle so seltsam angesehen?“ Tim verzog das Gesicht. „Jetzt hör schon auf mit diesem komischen Spiel, Jonas. Du warst mir sympathisch, wie du warst. Ich weiß ja nicht, was in dich gefahren ist. Aber ich möchte gerne den alten Jonas wiederhaben. Du bist mir irgendwie unheimlich geworden.“
Jonas kratzte sich am Kopf. „Kannst du das bitte näher erklären?“, fragte er. „Ich sagte doch, hör auf damit!“, sagte Tim, drehte sich wütend um und ging weg. Jonas lief ihm hinterher. „Tim! Warte doch! Sag mir doch, was plötzlich an mir so anders ist.“ Tim blieb stehen. „Entweder du versuchst mich jetzt auf den Arm zu nehmen, oder ich muss mir echt Sorgen machen. Du warst immer der Klassenclown und bist über Nacht zum Streber geworden. Das ist doch seltsam. Und du tust auch noch so, als wäre das völlig normal. Wenn du dich früher im Unterricht gemeldet hast, dann höchstens um die Lehrer auf den Arm zu nehmen, aber doch niemals um Interesse am Unterricht zu zeigen. Ich finde das sehr merkwürdig und alle anderen auch.“ Jonas dachte nach. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals der Klassenclown gewesen zu sein. Irgendwie machte ihm das nun doch Angst. Vielleicht sollte er doch zum Arzt gehen. Nachdenklich ging Jonas wieder in die Klasse zurück. In dieser Stunde hielt er sich zurück. Obwohl er viele Fragen gehabt hätte, traute er sich nicht, diese zu stellen. Er verhielt sich nun einfach ganz still.
Und wie es weitergeht, erfahrt Ihr morgen. Auch, was die Engel nun aushecken, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erlangen.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht und schöne Träume
Indessen wachte Sophie auf. Um sie herum war alles still. Sie stand auf und ging zum Fenster. Draußen sah sie Häuser und Gärten und die Gegend war ein klein wenig hügelig. Warum fühlte sie sich so fremd? Sie sah an sich herunter. Sie trug einen Schlafanzug im Weihnachtsdesign. Ihre Füße waren nackt und sie stand auf einem flauschigen Teppich. Sie öffnete die Tür ihres Zimmers und sah direkt vor sich eine kleine schmale Treppe. Auch diese war mit flauschigem Teppich belegt. Unten befand sich eine Küche, aber sie war ganz offensichtlich alleine. Langsam ging sie durch das Haus. Was war nur mit ihr los? Sie fühlte sich hier völlig fremd. In der Garderobe hingen eine Menge Jacken. Ein paar davon schienen ihr zu gehören und daneben hingen Damen- und Herrenjacken. Sie trat vor die Tür. Es war kalt und regnete. Vor der Tür war ein kleiner Vorgarten. Das Haus, in dem sie offenbar wohnte war aus roten Klinkersteinen und rechts und links waren noch viele, gleich aussehende Häuser. Sophie nahm sich vor, einen Spaziergang zu machen. Aber zunächst musste sie etwas Wärmeres anziehen.
Sie ging zurück in das Zimmer, in dem sie aufgewacht war. An der Schranktür hing eine Uniform mit Rock, Bluse, Pullunder und Jacke. Diese schien ihr zu gehören. Aber wozu brauchte sie die? Sie entschloss sich, den Schrank zu öffnen und etwas Anderes anzuziehen. Im Schrank war eine Menge schöner Kleidung und sie betrachtete sie eine Weile versonnen. Warum konnte sie sich an all das nicht erinnern? Aber sie hatte schon das Gefühl, hier zuhause zu sein. Es war seltsam. Sie würde jetzt einfach einmal die Umgebung erkunden und unter Umständen würde ihre Erinnerung dann wieder zurückkommen. Am besten würde sie bis zum Ortsende gehen, damit sie wüsste, wie der Ort heißt, in dem sie gerade war. Nachdenklich kratzte sie sich am Kopf. Was sie am meisten wunderte war, dass sie einerseits nicht wusste wo und wer sie war, aber dabei keine Angst verspürte. Musste man in so einem Moment nicht völlig außer sich geraten? Es war etwas in ihr drin, das sie beruhigte. Als müsste sie sich nur ein wenig orientieren und dann würde sich alles richtig zusammenfügen. Achselzuckend zog sie sich an und suchte nach einem Schlüssel, damit sie nachher wieder ins Haus konnte.
Sophie ging die Straßen entlang. Sie kam an einem Wirtshaus vorbei, das sich „The Queens Head“ nannte. Die Autos fuhren auf der linken Straßenseite, sie war also in England. Langsam ging sie weiter. Die Straße gabelte sich und sie ging links entlang, wo die Straße ein wenig anstieg. Neugierig schaute sie in die Gärten. Es gab außer den roten Klinkerhäusern auch noch Fachwerkhäuser. Der Ort wirkte sehr malerisch. Nach einem längeren Fußweg kam sie endlich zu einem Ortschild. „Mountfitchet“ stand auf dem Schild. Immerhin wusste sie nun, wo sie wohnte. Auf dem Rückweg kam sie wieder an einem Haus vorbei, das schon vorher ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte. Neben dem Haus war eine Art Tor und danach kam ein Feldweg. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, ging sie diesen Feldweg entlang. Er führte durch Felder, Wiesen und Wald hindurch und nach einiger Zeit stand sie vor einem riesengroßen Herrenhaus. Sie ging vorsichtig näher. „Stansted Hall“ stand neben dem Haupteingang. Sie nahm sich vor, dieses geheimnisvolle Haus zu einem späteren Zeitpunkt genauer unter die Lupe zu nehmen, aber jetzt war ihr kalt. Sie musste zurück. Der leichte, eiskalte Nieselregen hatte sie mittlerweile durchnässt bis auf die Haut. Sie war auch schon sehr lange unterwegs.
Als sie zurückkam, war immer noch niemand zuhause. Sie entschloss sich, den Pyjama wieder anzuziehen und sich im Bett aufzuwärmen. Im Bett grübelte sie noch eine Weile, schlief dann aber erschöpft wieder ein.
Als Sophie das nächste Mal aufwachte, stand eine Frau in ihrem Zimmer. „Was ist los mit dir? Warum bist du nicht in der Schule? Bist du krank?“ Die Frau schaute sie besorgt an. „Ja, ich fühle mich nicht gut, deshalb bin ich zuhause geblieben“, sagte Sophie und erkannte, dass die Uniform an ihrem Schrank offenbar ihre Schuluniform war. Und die Frau musste ihre Mutter sein. Sophie fühlte sich sofort zu ihr hingezogen. „Hast du Hunger? Ich mache gleich etwas zu essen“, sagte die Mutter. Sophie nickte. Ja, Hunger hatte sie schon. Sie schlief tatsächlich noch einmal ein, was die Geschichte, dass sie krank war, umso glaubhafter machte. Sie fühlte sich auch völlig erschöpft. Alles war surreal und seltsam.
Martin, Hannes und Klara saßen indessen im Sender und hingen ihren Gedanken nach. Wie es wohl Theo, Luisa und den anderen Engeln gehen mochte. „Wie ist das eigentlich, wenn die Engel als eine andere Person aufwachen? Wissen sie dann sofort wer sie sind?“, fragte Hannes, der immer sehr praktisch dachte. Phanuel schüttelte den Kopf. „Nein, es dauert ein paar Tage. Aber wir spielen ihnen in der Nacht immer Erinnerungen aus dem neuen Leben in ihr Unterbewusstsein, sodass sie nur einige Tage ein wenig desorientiert sein werden. Es fühlt sich für sie an, als wären sie ein wenig krank und hätten Mühe, sich an alles zu erinnern. Aber es wird von Tag zu Tag besser. „Wisst ihr, wo sie jetzt alle sind?“, fragte Klara. „Könnt ihr auf sie aufpassen?“ „Ja, wir wissen wo sie sind und wir haben ein Auge auf sie. Aber wir haben dafür gesorgt, dass sie alle in gute Familien kommen. Sie werden sich dort eingewöhnen und dann damit beginnen, ihre Aufgaben zu erfüllen“, sagte Michael.
Für Hannes, Klara und Martin war es nun etwas seltsam. Sie merkten erst jetzt, welch wichtige Rolle Theo und Luisa für sie gehabt hatten. Sie trauerten und vermissten die beiden sehr. Aber die Arbeit wurde immer mehr. Im Sender liefen immer noch eine Menge Ideen zusammen und mittlerweile waren sie ein riesiges Team, das all die Informationen auswertete und koordinierte. Das war kein kleines Unterfangen mehr.
„Woran merken wir eigentlich, dass diese Arbeit hier wirklich nützlich ist und sich positiv auf den Weg der ganzen Menschheit auswirkt?“, fragte Martin. Gabriel dachte eine Weile nach. „Hier auf der Erde merkt man es nicht so schnell. Hier merkt man zunächst einmal nur, dass eine Menge Menschen beginnen, aus freien Stücken zusammenzuarbeiten. Aber wir können aus der Engelwelt heraus erkennen, in welchem Maß sich die Energie auf der Erde anhebt. Und das ist derzeit schon wirklich gewaltig, aber es braucht noch viel mehr. Die dunklen Mächte haben ganze Arbeit geleistet und die Senkung der Energie seit Langem vorbereitet. Es muss noch sehr viel geschehen, damit die Menschen das ganz abwenden können. Aber die Richtung stimmt. Und zunächst ist es wichtig, die derzeitige Entwicklung zu stoppen. Wenn wir jetzt nicht eingreifen und die Menschen unterstützen würden, würden sie nicht merken, wie sie offenen Auges in eine Katastrophe laufen. Wenn wir die akute Gefahr gebannt haben, dann geht es darum, dass wir langfristig mithelfen, eine neue Gesellschaft aufzubauen. Und daran werden die zwölf Engel arbeiten.“
Klara, Hannes und Martin hörten gebannt zu. „Glaubst du, dass noch wirklich schwere Zeiten auf uns zukommen werden? Es klingt so ernst, wie du das sagst“, fragte Hannes. „Ja, das glaube ich. Veränderungen und Umbrüche führen immer zuerst ins Chaos. Natürlich können wir nicht genau sagen, was in der nächsten Zeit passieren wird, aber es ist gut, wenn wir uns schon einmal darauf einstellen, dass wir unter Umständen noch mit ernsten Schwierigkeiten rechnen müssen. Es hängt sehr viel von euch Menschen ab – und zwar auch von der Energie der nächsten Tage.“
„Aber war es da nicht ein Fehler, die Engel alle in Menschen zu verwandeln?“, fragte Klara. „Als Menschen können sie doch gar nicht so viel ausrichten.“ Phanuel schüttelte den Kopf. „Unsere Strategie muss nun in alle Richtungen gehen. Was wir hier im Sender und mit den Menschen auf die Beine stellen ist die kurzfristige Strategie, um die derzeit geplante Machtübernahme abzuwenden. Das was die zwölf Engel nun tun werden, ist die mittelfristige Strategie und dann gibt es noch eine langfristige Strategie, über die zu sprechen, mir noch nicht erlaubt ist.“
„Wir haben nur noch wenige Tage bis Weihnachten und es gibt noch eine Menge zu tun. Wenn die Widersacher zuschlagen wollen, werden sie es nach dem 24.12. tun. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich möchte, dass wir heute schauen, dass wir unser Team hier so gut einschulen, dass wir acht, also ihr drei Menschen und wir fünf Erzengel ab morgen noch eine weitere Richtung verfolgen können. Dazu brauchen wir Zeit und die haben wir nicht, wenn wir uns hier um alles kümmern müssen. Wir suchen heute für alle Bereiche fähige Menschen aus dem Team heraus, die ab morgen die Leitung übernehmen“, sagte Gabriel.
Hannes bemerkte, dass die Erzengel heute ernster waren als zuvor. Es schien sich etwas zusammenzubrauen, worüber sie heute noch nicht sprechen wollten. Die Stimmung hatte sich verändert und das lag nicht nur daran, dass die Engel nun nicht mehr hier waren.
Der Moment des Abschieds war unausweichlich. Theo und Luisa wollten sich gar nicht erheben, doch Klara gähnte schon mehrmals sehr herzhaft und es war Zeit, dass sie ein letztes Mal hinüber in Martins Werkstatt gingen. Etwas befangen standen sie auf. „Werden wir euch je wiedersehen?“, fragte Luisa und ihre Stimme war tränenerstickt. „Wir werden uns auf alle Fälle wiedersehen, sagte Phanuel. Ihr werdet in eurer Seele immer Engel bleiben. Und spätestens, wenn euer menschliches Leben zu Ende ist, werdet ihr wieder in die Engelwelt kommen. Aber bis dahin werden wir uns höchstens in euren Träumen begegnen.“ „Wir werden uns in den Träumen begegnen? Werden wir uns dann an diese Träume erinnern?“, fragte Theo. Der Elohim antwortete: „Wenn ihr aus freiem Willen zum Glauben an die geistige Welt kommen werdet, dann werdet ihr euch irgendwann auch an die Träume erinnern, und wir können uns auf diese Art treffen. Aber bis dahin werden wir uns auch treffen, nur werdet ihr euch im Wachbewusstsein nicht erinnern.“
„Das ist ja zumindest ein kleiner Trost. „Aber werden wir euch drei auch wiedersehen?“, fragte Luisa zu Martin, Hannes und Klara gewandt. Die drei waren etwas ratlos. Sie wussten nicht, wie das funktionierte. „Es kann passieren, dass sich eure Wege kreuzen werden. Aber das ist jetzt noch nicht absehbar. Und noch etwas ist wichtig: Theo, du wirst ab morgen Jonas heißen und du Luisa, wirst Sophie heißen. Wir haben keine Familie mit den passenden Namen gefunden. Aber wahrscheinlich werdet ihr euch an die Namen Theorahel und Luisahim auch gar nicht mehr erinnern“, ergänzte der Elohim noch.
Theo und Luisa traten zu Martin, Hannes und Klara und umarmten sie fest. Sie wussten gar nicht, was sie sagen sollten, so sehr lastete die Trauer auf ihren Herzen. Phanuel, Gabriel, Uriel, Raphael und Michael standen auch ein wenig betreten und umarmten dann die beiden mutigen Jung-Engel. Der Elohim verneigte sich vor ihnen. „Werdet ihr bitte gut auf euch und vor allen Dingen auch auf Mongila aufpassen. Jetzt konnten wir uns gar nicht mehr von ihr verabschieden“, sagte Theo. „Ich werde Mongila regelmäßig besuchen. Macht euch keine Sorgen, wir haben ein Auge auf sie“, sagte Michael.
Bevor die beiden Klaras Wohnzimmer verließen, drehte sich Luisa noch einmal um und fragte: „Werden Theo und ich uns erkennen, wenn wir uns als Menschen treffen sollten. Oder die anderen zehn Engel, werden wir diese erkennen?“ Der Elohim wiegte sein Haupt hin und her. „Das ist nicht ausgeschlossen“, sagte er. Aber zunächst werdet ihr ganz normale Menschen in ganz normalen menschlichen Familien mit menschlichen Geschwistern sein.“
„Gut, dann gehen wir jetzt. Ich danke für alles“, sagte Luisa und ihre Stimme wurde immer leiser. „Wir haben euch zu danken. Ihr könnt nicht ermessen, was diese Tat für die Welt der Engel und die der Menschen bedeutet. Ihr seid wahre Helden“, sagte der Elohim.
Theo und Luisa gingen schweigend über den Hof. „Ich habe Angst“, sagte Theo. „Ich auch“, antwortete Luisa. Sie legten sich in ihre Betten, die Martin so schön für sie vorbereitet hatte und starrten beide an die Decke. „Ich werde dich schrecklich vermissen, Theo“, sagte Luisa und schluchzte. Theo ergriff ihre Hand. „Ach Luisa, was glaubst du, wie sehr ich dich vermissen werde.“ Und so schliefen sie dann doch ein und hielten sich dabei ganz fest an den Händen. Als ob dies die Trennung verhindern könnte.
„Jonas, es ist Zeit, du musst aufstehen!“, hallte es durch den Raum. Jonas setzte sich im Bett auf. „Wo war er und wer rief da? Eine Frau betrat das Zimmer, in dem er schlief. „Los, beeil dich! Du hast verschlafen!“, rief die Frau. Jonas rieb sich die Augen. Er konnte sich einfach nicht erinnern, weshalb er verschlafen hatte und wohin er offensichtlich gehen sollte. Daher antwortete er sicherheitshalber mal nicht. Offensichtlich war wer noch nicht ganz wach. Die Frau kam nun näher und setzte sich an sein Bett. „Was ist mit dir, Jonas? Geht es dir nicht gut?“, fragte sie und griff an seine Stirn. „Doch, ich glaube, es geht mir gut“, sagte Jonas. „Komm, dann steh schnell auf, ich fahre dich zur Schule. Der Bus ist schon weg.“
Jonas wartete bis die Frau aus dem Zimmer gegangen war. Auf dem Boden lagen Jeans und T-Shirt. In diese schlüpfte er hinein. Dann öffnete er die Tür und schaute hinaus. Vor dem Zimmer lag ein Gang und eine Treppe führte hinunter ins Erdgeschoss. Dort unten hörte er Geschirr klappern. Langsam ging er die Treppe hinunter. Alles kam ihm fremd vor. Aber offensichtlich kannte diese Frau ihn gut. „Hier ist dein Kakao“, sagte sie und wedelte mit einer Tasse herum. Außer der Frau war noch ein Mann in diesem Raum, der offensichtlich eine Küche war, und ein kleines Mädchen saß vor einem Teller und löffelte Cornflakes. „Guten Morgen, mein Sohn“, sagte der Mann und strich ihm im Vorbeigehen über die Haare. Das musste also sein Vater sein. Dann war die Frau vermutlich seine Mutter und das kleine Mädchen seine Schwester. Warum konnte er sich an diese ganzen Leute nicht erinnern. Eigentlich konnte er sich an gar nichts erinnern. Es war, als käme er gerade aus einer anderen Welt. Das Dumme war nur, dass dies aber offensichtlich nicht stimmte, da die anderen ihn kannten.
Das kleine Mädchen starrte ihn die ganze Zeit an. „Paula, iss deine Cornflakes wir müssen gleich los. Warum starrst du Jonas die ganze Zeit so an?“, fragte die Mutter. „Weil Jonas gar nicht Jonas ist“, sagte das Mädchen. Die Mutter lachte. „Ach so, wenn es nur das ist. Wer ist er dann? Der Heilige Geist?“, fragte sie und wuschelte dem Mädchen dabei durch die Haare. „Ich weiß es nicht“, sagte Paula und starrte ihn weiter an.
„Unsere Kinder sind ein wenig seltsam heute“, sagte der Vater. „Jonas hat offenbar über Nacht seine Stimme verloren und Paula sieht Gespenster.“ „Wo ist deine Schultasche, Jonas?“, fragte die Mutter und klang langsam etwas nervös. Dabei fiel ihr Blick auf die nackten Füße ihres Sohnes. „Und darf ich fragen, warum du heute keine Socken trägst?“, fragte sie weiter. Jonas schaute ebenfalls auf seine Füße. Wenn er nun sagen würde, dass er nicht wusste, wo Schultasche und Socken sind, würde er nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Also ging er nach oben in das Zimmer zurück, aus dem er gekommen war. Schultasche war recht einfach, die stand neben dem Schreibtisch. Socken waren eine größere Herausforderung. Aber nach gründlichem Suchen in mehreren Schubladen, hatte er diese auch gefunden. Rasch ging er nach unten. Seine Mutter stand schon an der Tür und verdrehte genervt die Augen.
„Jonas, was ist heute nur mit dir los? Ziehst du dir bitte noch Schuhe an! Es ist schon allerhöchste Eisenbahn, dass wir losfahren, sonst kommen wir alle zu spät. „Ja natürlich“, sagte Jonas und schaute sich möglichst unauffällig um. Glücklicherweise hatte er die Schuhe rasch gefunden. Schnell schlüpfte er hinein und folgte seiner Mutter zum Auto. Sie öffnete den Kofferraum damit er seine Schultasche einladen konnte. Paula setzte sich schon auf den Rücksitz, als der Mutter plötzlich ein Schrei entfuhr. „Jonas, das ist jetzt aber nicht dein Ernst. Hast du heute einen Clown gefrühstückt, oder warum hast du die Schuhe deines Vaters an?“ Jonas schluckte. „Ich habe keine anderen gefunden“, sagte er. „Und deshalb ziehst du die Schuhe deines Vaters an? Was ist mit dir? Nimm bitte einfach die, die im Treppenhaus stehen“, sagte seine Mutter und setzte sich schon hinters Steuer.
Jonas fand tatsächlich Schuhe im Treppenhaus, die deutlich besser passten und ihm auch besser gefielen als die schwarzen Anzugschuhe seines Vaters. Schnell rannte er zurück zum Auto. „Jonas, muss ich mir Sorgen machen? Sollen wir zum Arzt fahren?“ Jonas schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nur etwas verwirrt heute“, sagte er. Paula rief vom Rücksitz: „Mama, das ist gar nicht unser Jonas!“ Jonas drehte sich um. „Und wieso glaubst du das?“, fragte er und hoffte insgeheim irgendwelche Hinweise zu erhalten, was eigentlich los war. „Weil du nicht Jonas bist. Jonas schaut anders, Jonas geht anders, Jonas riecht anders und Jonas weiß, wo seine Schuhe sind“, sagte Paule mit Bestimmtheit. Die Mutter wurde ärgerlich. „Paula hör bitte mit den Dummheiten auf. Natürlich ist das Jonas. Er ist heute nur ein wenig seltsam. Das muss die Pubertät sein.“ Paula schwieg beleidigt.
Plötzlich hielten sie an. Jonas schaute sich um. Die Mutter schaute ihn an. „Steigst du bitte aus?“, fragte sie. „Äh ja, natürlich“, antwortete Jonas und ging ums Auto herum, um die Schultasche aus dem Kofferraum zu holen. Dann sah er sich ein wenig um und ging los, damit nicht auffiel, dass er nicht wusste, wo er war. Seine Mutter streckte den Kopf aus dem Autofenster. „Deine Schule ist da drüben Herrgott noch einmal! Ich glaube, ich bringe dich zum Psychiater. Du scheinst ja das Gedächtnis verloren zu haben!“ Jonas, winkte ihr beschwichtigend zu. „Das wird schon wieder! Mach dir keine Sorgen! Bis später!“, rief er und ging in die Richtung, in die die Mutter gerade gedeutet hatte.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche euch eine gute Nacht und wunderbare Träume!
Oben als Video, unten als Text! Viel Freude damit!
Luisa und Theo taten beide so, als würden sie schlafen. Doch in Wahrheit hing jeder der beiden seinen Gedanken nach. Sie konnten sich beide ein dauerhaftes Leben außerhalb der Engelwelt nicht vorstellen. Das war das Leben, das sie von Anbeginn an kannten. Sie waren Engel und keine Menschen. Irgendwann wurden beide vom Schlaf übermannt. Sie träumten wirre Dinge und wachten am Morgen wie gerädert auf.
„Und? Was sagst du nun?“, fragte Theo als erstes. Luisa versteckte ihren Kopf im Kopfkissen und Theo verstand die Antwort nicht. Als sie aufschaute war ihr Gesicht nass von den Tränen. „Wir haben doch in Wahrheit keine andere Wahl. Wir müssen das auf uns nehmen“, sagte sie, und Theo nickte erschlagen. „Glaubst du, dürfen wir noch ein letztes Mal zurück in die Engelwelt?“, fragte Luisa. Theo dachte eine Weile nach und sagte dann: „Ich weiß nicht einmal, ob ich das will. Wenn ich nochmal in die Engelwelt gehe, möchte ich sicher nicht mehr weg.“
Sie hatten beide ganz vergessen, dass Martin ja mittlerweile auch zuhause war. Doch er hatte sie gehört und kam zu ihnen ins Zimmer. „Was ist los mit euch beiden? Ihr seht ja aus, als wäre etwas Schreckliches passiert.“ Theo und Luisa schwiegen zunächst, doch dann sagte Theo: „Ist es auch. Wir sollen Menschen werden und in der Menschenwelt bleiben“, sagte er. Als er es aussprach, übermannte ihn wieder die Trauer. Martin, der ja nicht wusste, wie es in der Engelwelt war, konnte nicht das ganze Ausmaß der Tragödie erfassen. Er kannte ja nur die Menschenwelt. „Aber hier ist doch auch schön“, sagte er. „Gerade jetzt, wo ihr so viel Gutes in die Welt gebracht habt.“ Und er begann zu erzählen, welche Projekte gestern schon wieder zustande gekommen waren und was noch alles schon bereitstand. Theo und Luisa hörten nur mit halbem Ohr zu. Sie waren viel zu beschäftigt damit, zu überlegen, wie ihr Leben ab jetzt aussehen würde.
Eine Stunde später kam Phanuel und sagte ihnen, dass der Elohim sie nun erwartete und ihre Entscheidung hören wollte. Mit zitternden Beinen und ganz schwach gingen sie hinüber in Klaras Wohnung. Klara schien schon Bescheid zu wissen, denn sie hatte schon Kakao gekocht und stellte ihnen wortlos eine Tasse davon hin. Doch weder Theo noch Luisa konnten sich vorstellen, dass sie jetzt etwas trinken konnten. Sie wollten rasch das Gespräch hinter sich bringen.
„Wie ist eure Entscheidung nun?“, fragte der Elohim. „Ich werde bleiben“, sagte Luisa und ihre Stimme zitterte. „Ich auch“, sagte Theo. Der Elohim schaute sie ernst an. „Seid ihr euch sicher?“, fragte er noch einmal. Die beiden sahen sich kurz an und Theo sagte: „Ja, wir haben viel hin und her überlegt. Wir wissen zwar nicht, wie unser Leben dann aussehen wird, aber wir haben auch keine andere Wahl. Nein zu sagen und wieder in die Engelwelt zurückkehren geht irgendwie auch nicht“, sagte Theo.
„Das ist eine mutige Entscheidung und ich werde dafür sorgen, dass ihr es hier auf der Erde wirklich guthaben werdet.
Mittlerweile war auch Hannes eingetroffen und erzählte, dass bereits zwanzig Sender auf den Zug aufgesprungen waren und dass allerorten die Dinge ins Rollen kamen. Die Menschen hatten begonnen, Verantwortung zu übernehmen und es wurden ständig mehr. Der Elohim erzählte nun auch Hannes von seinem Plan zwölf Engel hier auf der Erde zu lassen, die gemeinsam diese Entwicklung stabilisieren würden. „Wieso ausgerechnet zwölf?“, fragte Hannes.
„Da stellst du eine wichtige Frage“, sagte der Elohim. „Ich will versuchen, es zu erklären. Als Christus, das höchste Sonnenwesen, damals auf die Erde kam, hatte er zwölf Jünger, die Menschen waren. Zwölf ist eine magische Zahl. Zwölf Wesenheiten und auch Menschen können sehr viel transformieren. Wenn wir etwas Geistiges auf der Erde durchsetzen wollen, brauchen wir eine Gruppe von zwölf. Wenn wir etwas Physisches erreichen wollen, reichen acht Wesenheiten. Für Christus war es ebenfalls keine leichte Entscheidung. Auch für uns in der geistigen Welt war es schwer. Die Menschen gewannen etwas hinzu, aber wir haben unser höchstes Wesen verloren. Und auch er tat sich damals schwer damit, da er ja wusste, was ihn erwartete. Und bis heute ist er ja im feinstofflichen Feld der Erde anwesend und wirkt da immer noch mit. Und nun braucht es das nächste Opfer aus der geistigen Welt, also in dem Fall aus der Engelwelt und das sind die Zwölf, die sich nun entschieden haben, ihr Leben als Engel für eine Zeit zu opfern. Und wie bei Christus wird es auch bei diesen Engeln sein. Wenn sie ihr Leben als Menschen beendet haben, kommen sie einerseits wieder zurück in die Engelwelt, ihre Energie wird aber bei den Menschen bleiben und weiterwirken. Es ist ein großes Opfer und eine große Tat für die Menschen.“
Als Luisa und Theo das hörten, fühlte sich ihre Mission etwas besser an. Sie taten also etwas, das vorher auch Christus, das große Sonnenwesen, getan hat. Das klang nicht mehr ganz so traurig, sondern es war in der Tat ein Opfer, aber es hatte mehr Bedeutung, als nur die, dass sie ihre Engel-Existenz aufgeben mussten.
„Und wie wird unser Leben dann aussehen?“, fragte Luisa, denn das beschäftigte sie sehr. „Ihr zwölf werdet über die ganze Erde verteilt werden und ihr werdet euch in bestimmten Projekten wiederfinden. Ihr werdet euch aber nicht mehr an euer Engeldasein erinnern. Ihr werdet als Menschen hier auf der Erde eure Mission erfüllen. Wir werden jeden eurer Schritte begleiten und euch auch helfen, wenn ihr straucheln solltet. Aber ihr werdet erst wieder lernen müssen, an uns und an die geistige Welt zu glauben“, sagte der Elohim.
Theo und Luisa dachten über die Worte des Elohim nach. „Werden wir hier bei Klara, Hannes und Martin bleiben?“, fragten sie. „Nein, ihr werdet euch ab morgen an einem völlig anderen Ort in einem völlig anderen Leben finden. Wir können euch nicht hierlassen, denn Martin, Klara und Hannes wissen ja Bescheid. Es würde nicht funktionieren, wenn ihr hierbleiben würdet.“
„Bleiben wir zusammen?“, fragte Theo. Der Elohim schüttelte erneut den Kopf. „Nein, ihr werdet euch in einer Familie finden und dort euren Platz einnehmen. Wir haben zwölf Familien gefunden, mit Jugendlichen in eurem jetzigen Alter hier auf der Erde, deren Seelen sich bereit erklärt haben, dass ihr den Körper dieser jungen Menschen übernehmen dürft. Das wurde schon lange in der geistigen Welt vorbereitet. Die Seele dieser jungen Menschen verlässt den Körper und ihr tretet an ihre Stelle. Daher werdet ihr auch ganz anders aussehen. Aber wie gesagt, ihr werdet morgen aufwachen und vielleicht werdet ihr eine Zeit brauchen, bis ihr euch an das neue Dasein gewöhnt habt, aber ihr werdet nicht wissen, warum. Das war bei Christus auch nicht anders, als er in den Körper von Jesus eingetreten ist“
Luisa und Theo fühlten sich völlig überfahren. Das war doch alles wie ein schlechter Traum. Nicht nur, dass sie nicht mehr in die Engelwelt zurückdurften, sie durften auch nicht zusammenbleiben. Das hätte das Ganze ja noch erträglicher gemacht. Wenn es hart kam, kam es richtig hart!
Luisa und Theo wussten bereits, dass es sinnlos war zu fragen, ob sie noch einmal in die Engelwelt zurückdurften. Sie kannten die Antwort bereits.
„Was machen wir jetzt bis morgen?“, fragte Theo. „Wir haben noch eine Menge zu tun. Heute ist große Sitzung mit Martin, Hannes, Klara und den Erzengeln. Wir werden diese Projekte hier noch einmal besprechen, solange ihr hier seid und dann geht’s auch schon los. Der Wechsel in die Körper der Menschen wird beginnen, sobald ihr eingeschlafen seid.“
In diesem Moment traten auch die Erzengel ins Zimmer und Klara kochte noch rasch Tee und stelle wieder einmal Kekse auf den Tisch.
Luisa und Theo wurden sich bewusst, dass sie das letzte Mal in dieser vertrauten Runde sitzen würden, und dadurch waren sie auch nicht so aufmerksam wie sonst. Doch es verlief alles prima. Die Erzengel hatten das Ruder übernommen, Hannes war ein perfekter Organisator, Klara kannte so viele hilfreiche Menschen und Martin war die Seele des ganzen Unterfangens. Und über all dem wachte der Elohim.
Sowohl Luisa als auch Theo erkannten, dass es gar nicht so wichtig war, dass sie hier waren. Es würde alles seinen Weg gehen. Doch sie hatten Angst. Was würde sie erwarten? Luisa nahm sich vor, dass sie einfach nicht einschlafen würde. Aber noch ehe sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste sie, dass es nicht funktionieren würde, und es fiel ihr der letzte Satz aus dem Gedicht ein, das sie gestern gelesen hatte: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche Euch allen eine gute Nacht und schöne Träume!
In Klaras Wohnzimmer war es mucksmäuschenstill. Keiner sagte ein Wort. Über Luisas Wangen liefen dicke Tränen. Theo starrte auf den Boden. Phanuel war auch ganz bedrückt und der Elohim wartete ab, was als nächstes geschah. Er wusste, dass ab nun die Dinge ihren Lauf nehmen würden – so oder so.
„Müssen wir das sofort entscheiden?“, fragte Luisa. Phanuel schüttelte den Kopf. „Ihr habt bis morgen früh Zeit, dann brauchen wir aber eine Entscheidung. Ihr müsst jetzt nicht mehr in den Sender zurückgehen. Geht hinüber in die Werkstatt oder in Martins Wohnung und besprecht euch.
„Wenn wir Menschen werden, werden wir dann nie wieder Engel sein?“, fragte Theo. „Ihr werdet das Leben eines Menschen leben, bis zu dessen Tod und nachtodlich werdet ihr wieder Engel sein. Die Menschen sind nach ihrem Tod immer noch Menschen, aber bei euch wäre es etwas Anderes. Ihr werdet wieder zu Engeln.“
„Und die anderen zehn Engel? Werden die gar nicht gefragt?“, fragte Luisa. „Sie haben schon zugestimmt, wissen aber, dass es von euch abhängt, ob diese Mission durchgeführt werden kann“, sagte Phanuel. „Wieso hängt es von uns ab?“, fragte Theo. „Weil die Kraft des Anfangs bei euch liegt. In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne… das ist aus einem Gedicht von Hermann Hesse. Das ist bei den Menschen sehr beliebt – weil es wahr ist“, sagte er. Deshalb ist es wichtig, dass ihr beiden bei dieser Mission die Führung übernehmt. Für uns Engel ist ein Menschenleben nicht lang. Ich möchte euch nicht überreden, denn ihr müsst es – wie die Menschen – aus freiem Willen selbst entscheiden. Das könnt ihr, solange ihr hier als Menschen seid. Deshalb überlegt es euch gut.
„Was ist, wenn wir uns dagegen entscheiden?“, fragte Luisa. Der Elohim schwieg eine Weile. „Dann müssen die Menschen nach dem Dreikönigstag alleine zurechtkommen“, sagte er. „Und das werden sie nicht schaffen?“, fragte Luisa. „Vermutlich nicht“, antwortete der Elohim.
Danach war das Gespräch beendet. Luisa und Theo wussten jetzt alles, was sie wissen mussten. Es würde auf keinen Fall eine leichte Entscheidung werden. „Nun geht hinüber und beratschlagt euch“, fügte der Elohim noch hinzu und es war offensichtlich, dass er nichts mehr dazu sagen würde.
Luisa und Theo gingen hinüber in die Werkstatt. In einer Ecke war ein gemütliches Sofa und ein Sitzsack. Dort nahmen sie Platz und schwiegen lange. Jeder der beiden Jung-Engel hing seinen Gedanken nach. „Kannst du dir vorstellen, dass wir uns damit einverstanden erklären?“, fragte Luisa zu Theo gewandt. „Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, aber ich kann mir genauso wenig vorstellen, dass wir ablehnen und dann von unserer Welt aus beobachten, wie die Sache schiefgeht. Ich fürchte, das würden wir noch viel mehr bereuen“, sagte Theo.
Luisa schwieg weiter. Sie wollte unbedingt zurück in die Welt der Engel. Dort hatte sie sich wohl gefühlt. Natürlich gefiel es ihr auch auf der Erde, aber nur unter der Bedingung, dass dies nur ein kurzer Ausflug war. Wenn sie sich nun vorstellte, dass sie hierbleiben musste, dann war sie damit überhaupt nicht glücklich. Es erschien ihr nur traurig. „Wie werden wir dann leben?“, fragte sie. „Werden wir eine Familie haben? Oder sind wir dann ganz auf uns alleine gestellt? Werden uns die Engel noch helfen? Werden wir uns daran erinnern, dass wir eigentlich Engel sind?“
Theo zuckte bei allen Fragen mit den Schultern. „So wie ich es verstanden habe, werden wir uns nicht erinnern. Wir werden Menschen sein – bis zu unserem menschlichen Tod. Danach sind wir wieder Engel. Und vermutlich werden wir eine Familie bekommen und die anderen auch. Oder zumindest so etwas Ähnliches. Ich denke schon, dass sie für uns sorgen, sodass wir einen guten Start haben werden. Aber ich kann mich auch nicht mit dem Gedanken anfreunden. Mir erscheint das Ganze wie ein Alptraum. Ich möchte einfach aufwachen und wieder zuhause in der Engelwelt sein“, sagte Theo und nun begann er zu weinen.
Luisa nahm ein Buch in die Hand, das Martin auf dem Sofa liegengelassen hatte und begann darin zu lesen. „Hier ist das Gedicht, aus dem der Elohim vorhin zitiert hatte“, sagte sie. Theo schien das nicht weiter zu interessieren. Aber Luisa begann zu lesen:
Stufen von Hermann Hesse
„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
Als sie geendet hatte, schauten sich die beiden an. „Irgendwie ist das schon ein komischer Zufall, dass das hier liegt“, sagte Luisa nachdenklich und las das Gedicht noch einmal. „Wie wenn es für uns geschrieben wäre“, sagte Theo.
„Lass uns eine Nacht darüber schlafen“, sagte Luisa. „Ich fürchte, wir müssen das tun.“
Und wie es weitergeht, werdet Ihr morgen erfahren. Luisa und Theo müssen unbedingt eine Nacht darüber schlafen, bevor sie sich entscheiden.
Ich wünsche auch Euch eine gute Nacht und schlaft gut!
Unten zum Lesen, oben als Video – viel Freude damit!
Die nächsten Tage waren erfüllt von neuen Kontakten, neuen Ideen und neuen Projekten. Die neuen Engel, die zur Unterstützung gekommen waren, hatten schon bald alle Hände voll zu tun. Luisa, Theo, Martin, Hannes und Klara unterstützen die zwölf Richter, Anwälte und Notare bei den Notizen und der Auswahl der Ideen. Längst waren es schon so viele, dass keiner mehr den Überblick über alle Projekte hatte. Luisa hatte ein Lieblingsprojekt – es hatte sich ein Projektpaar gefunden, also eine Ideengeberin und Umsetzerin und eine Investorin, die gemeinsam einen Gnadenhof für Tiere errichteten. Und Luisa konnte gar nicht genug davon hören, wie schön es die armen Tiere in Zukunft haben würden. Außerdem gingen sie den neuen Engeln zur Hand und halfen hier und da aus.
Auch in Bangladesch ging es rasant voran. Die kleine Fabrik von Mongila war schon in Betrieb und zwei Dörfer weiter entstand bereits die große Fabrik. Es war allerorten ein geschäftiges Treiben und der Elohim machte sie alle darauf aufmerksam, dass sich die Energie der ganzen Erde bereits anhob. Er konnte die Dunklen immer noch wahrnehmen, sie waren nicht weg. Aber sie konnten im Moment nicht direkt etwas ausrichten.
Sie versuchten Ärger zu machen und viele Projekte durch die Behörden zu verunmöglichen, aber das Team der pensionierten Richter, Notare und Anwälte war stets in der Lage einen Weg zu finden, gegen den niemand etwas einwenden konnte. Längst waren sie nicht mehr so trocken, erschienen auch nicht mehr in grauen Anzügen, sondern kamen ganz leger gekleidet in den Sender und waren mit Begeisterung dabei.
Klara hatte noch eine Schar von Damen aufgetrieben, mit denen sie früher die Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert hatte. Auch diese halfen bei einer Menge Projekte. Innerhalb weniger Tage war auch die Werkstatt wieder instandgesetzt und Martin hatte eine behagliche kleine Wohnung bekommen, die er voller Freude bezog. Allerdings hatte er bislang keine Zeit, sein eigenes Projekt umzusetzen.
Auch in Israel, England, Südafrika, China und Australien waren die ersten Projekte bereits im Gange. Überall hatten die Menschen Ideen, wie das Leben auf der Erde angenehmer werden konnte. Sie sorgten für die Menschen, für die Tiere, für die Natur. Es war unglaublich, welche Kraft plötzlich auf der ganzen Erde in den Menschen frei wurde. Und dies führte auch dazu, dass sie nicht mehr wie gebannt auf die bedrückenden Nachrichten hörten, sondern sie waren so beschäftigt, dass keine Zeit mehr war, Angst zu haben oder traurig zu sein. Überall wurde gearbeitet und der Einfallsreichtum der Menschen war enorm.
Und immer mehr Helfer fanden sich ein. Hannes und sein Sender wurden in wenigen Tagen weltberühmt und sie hatten Mühe all die Nachfragen zeitnah zu beantworten.
Als sie einmal ein wenig Zeit hatten und wieder gemeinsam in der Kantine saßen, fragte Luisa: „Sagt mal, Martin, Hannes und Klara, warum haben die Menschen das nicht alleine geschafft? Wir organisieren ein wenig, aber in Wahrheit machen sie ja doch das meiste selbst.“ „Du wirst lachen“, sagte Hannes. „Darüber habe ich gestern Abend nachgedacht. Wir Menschen haben den Anstoß von euch gebraucht. Weißt du, wir Menschen sagen allzu rasch, dass etwas nicht gehen wird. Wir sind leicht zu entmutigen und wir neigen auch nicht dazu, neue Wege zu gehen. Die meisten Menschen gehen die alten Wege, selbst wenn diese nirgendwo hinführen und sie unglücklich machen.“ Luisa zog ihre Nase kraus. „Und warum machen das die Menschen so?“, fragte sie.
Hannes dachte eine Weile nach, dann erklärte er: „Weißt du, Luisa, wir Menschen haben Angst vor Veränderung. Lieber bleiben wir bei etwas, das wir kennen, selbst wenn es nicht gut ist, als dass wir uns in ein Abenteuer stürzen, von dem wir nicht wissen, wie es ausgeht. Das liegt in der Natur der Menschen. Wir sind träge, was Veränderung angeht. Wir brauchen einen Anderen, der uns den Anstoß und Hoffnung gibt. Menschen gehen meist eher davon aus, dass etwas nicht funktionieren kann. Dadurch, dass ihr dazu gekommen seid, wurden plötzlich Träume zu Realitäten. Und natürlich hat auch eure Energie dazu beigetragen. Und die Erzengel und der Elohim haben ebenfalls viel getan, indem sie die dunklen Mächte in Schach gehalten haben.“
Luisa verstand es zwar nicht ganz. Warum sollte man an etwas festhalten, das nicht gut ist. Aber Hannes musste es ja wissen. Schließlich war er der Fachmann – er war ein Mensch! „Aber jetzt geht es ja fast von alleine“, sagte Theo dazu. „Ja, es ist ein Anfang gemacht. Und die Menschen haben sich vernetzt und angefangen, miteinander zu sprechen. Das ist auch so eine Sache bei uns Menschen. Wir sprechen zwar miteinander, aber meist sprechen wir über Belangloses. Die wenigsten Menschen erzählen sich gegenseitig von ihren Ideen und Visionen, weil sie immer glauben, dass der andere sie dann für verrückt hält. „Menschen sind irgendwie komisch“, sagte Theo.
„Ja, das sind wir“, antwortete Hannes. „Wir sind manchmal sehr kompliziert.“ Luisa und Theo lachten. „Glücklicherweise müssen wir das auch nicht verstehen, wir sind ja nicht ewig hier“, sagte Luisa und bemerkte dabei nicht, dass ein Schatten über das Gesicht von Phanuel huschte, der bisher nur schweigend dabeigesessen war. „Auf geht`s! Wir müssen wieder an die Arbeit“, sagte Hannes. Die Sendung für heute Abend ist noch nicht vorbereitet. „Hannes, wäre es für dich sehr schlimm, wenn ich mit Luisa und Theo zu Elohim fahre? Wir müssten etwas besprechen“, sagte Phanuel.
Hannes schaute überrascht. Davon hattest du mir ja gar nichts gesagt. „Nein, es ist auch heute erst aufgetaucht. Wenn es irgendwie ginge, würde ich die beiden jetzt entführen.“ Hannes bemerkte, dass Phanuel offenbar etwas Wichtiges zu besprechen hatte. Daher nickte er nur. „Wir werden das schon schaffen. Immerhin sind wir mittlerweile Weltmeister im Improvisieren.“
Luisa und Theo waren nicht minder überrascht. Was würden sie denn besprechen wollen? Aber Phanuel war nicht zu erweichen, ihnen auch nur irgendetwas zu verraten. „Kommt mit und ihr werdet es erfahren“, sagte er nur und wirkte ungewöhnlich ernst. Luisa und Theo zuckten mit den Schultern und trotteten hinter Phanuel her. „Ich lasse euch ein Auto kommen, das euch zu Klaras Wohnung bringt“, sagte Hannes noch. Eines musste man ihm lassen: Er war ein Mann der Tat, der stets praktisch dachte und alles im Blick hatte.
Als Luisa und Theo auf der Rückbank saßen, flüsterte Theo zu Luisa: „Glaubst du, wir haben etwas falsch gemacht?“ Luisa flüsterte zurück: „Das überlege ich auch schon die ganze Zeit, aber ich wüsste nicht, was es gewesen sein könnte.“ Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend. Jeder hing seinen Gedanken nach. Luisa und Theo durchforschten ihr Gewissen. So ernst hatten sie Phanuel noch selten gesehen. Etwas musste geschehen sein. Sie konnten es kaum erwarten, dass sie vor der Toreinfahrt hielten. Phanuel lächelte sie an. Aber sein Lächeln wirkte nicht wie sonst. Irgendwas schien ihn zu quälen oder zu ärgern. Das wussten sie nicht. Also gingen sie etwas ängstlich hinter ihm her zu Klaras Wohnung.
Elohim saß wieder auf dem Sofa, als sie die Wohnung betraten und Luisa fragte sich, ob er wohl den ganzen Tag dort saß, oder was er eigentlich tat, wenn sie nicht hier waren? Bewegte er sich unter den Menschen? Aber angeblich konnte er das ja nicht, ohne erkannt zu werden. Diese Überlegungen lenkten sie für einen Moment ab.
Phanuel, Luisa und Theo setzten sich auf die drei Sessel, die rund um den Couchtisch standen. Obwohl der Elohim Liebe und Wärme ausstrahlte, wie sie das gewohnt waren, hatten sie doch das Gefühl, dass er auch er anders war als sonst. Die Anspannung bei den beiden wuchs.
„Luisa und Theo, ich habe euch ja schon gesagt, dass wir mit euch sprechen müssen. Es fällt mir nicht leicht, aber ich habe eine Bitte an euch. Ihr könnt sie auch ablehnen, aber ich bitte euch, das gut zu überlegen“, sagte Phanuel. Luisa und Theo atmeten auf. Sie hatten also nichts falsch gemacht. Eine Bitte konnte ja nicht so schlimm sein. Luisa entspannte sich und lehnte sich im Sessel zurück. „Okay, wir hören“, sagte sie lächelnd.
Nun ergriff der Elohim das Wort: „Ihr habt großartige Arbeit geleistet, und gemessen an der kurzen Zeit, haben die Menschen und ihr Engel und Erzengel schon wahnsinnig viel umgesetzt. Überall werden Projekte entstehen.“ Luisa und Theo schauten glücklich und stolz. Der Elohim fuhr fort: „Aber es kommen größere Probleme auf uns zu. Die Menschen werden beginnen zu streiten. Es ist nicht so leicht, dass die Menschen sich im Inneren verändern. Noch sind sie voller Elan und Begeisterung. Alles ist neu und aufregend und auch immer noch von uns Engeln geführt. Aber wie ihr wisst, ziehen wir Engel uns ja nach dem Dreikönigstag wieder in unsere Welt zurück. Und wenn ich mir das so anschaue, werden viele Projekte, die jetzt hoffnungsvoll beginnen, kaputt gemacht werden, weil die Menschen noch nicht friedlich genug sind. Sie haben das noch nicht gelernt. Immer noch sind sie in erster Linie mit sich selbst beschäftigt, anstatt die Idee und das gemeinsame Tun in den Vordergrund zu stellen.“
Luisa und Theo nickten und warteten gespannt. Luisa sagte: „Ja, das kann schon sein. Aber was können wir da tun?“ Der Elohim und Phanuel wechselten einige Blicke, bevor der Elohim weitersprach. „Wir müssen eine Delegation von Engeln hier auf der Erde zurücklassen.“ Theo sog heftig die Luft ein. Er ahnte schon, dass eine baldige Rückkehr in seine geliebte Engelwelt gerade in weitere Ferne rückte. „Wir sollen länger hierbleiben?“, fragte Luisa. Der Elohim schwieg einen Moment und auch Phanuel wich ihren Blicken aus.
„Luisa und Theo, ihr sollt für immer hierbleiben. Ihr sollt Menschen werden und die anderen zehn Engel, die ihr mitgebracht habt, auch.“ Luisa und Theo blieb der Mund offenstehen. „Warum? Warum gerade wir?“, schluchzte Luisa. „Ich habe doch schon jetzt Sehnsucht nach meinem Zuhause. Wieso sollen wir denn hierbleiben?“ Theo griff zu ihr hinüber und tätschelte ihren Arm, obwohl auch er das Gefühl hatte, gerade innerlich zu zerbröseln.
„Was genau bedeutet das?“, fragte Theo und seine Stimme zitterte. „Ich muss ein wenig ausholen. Wenn wir die Menschen und die Erde retten wollen, müssen wir ein Opfer bringen. Sonst werden sie immer von den Dunklen bedroht werden. Erst wenn wir ein wirklich großes Opfer bringen, gießen wir so viel Liebeskraft hier auf der Erde aus, dass die dunklen Mächte dadurch für lange Zeit ferngehalten werden können. Wir hoffen, dass dies lange genug ist, um die Wandlung hier auf der Erde zu vollziehen“, fuhr der Elohim fort.
Luisa und Theo hatte es nun endgültig die Sprache verschlagen. Sie würden ein Opfer sein, ein Faustpfand. Womit hatten sie das verdient? Und wie genau würde das funktionieren? In ihren Köpfen drehte sich alles.
So, und wie es weitergeht, erfahrt Ihr wieder morgen Abend.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht und schöne Träume
Kurz nach 22.00 Uhr waren die letzten Studiogäste gegangen und sie machten sich auf den Nachhauseweg. Hannes bot Martin und allen Engeln an, dass sie bei ihm wohnen können, solange die Werkstatt nun eine Baustelle war. Sie nahmen alle dankbar an. Klara war etwas aufgeregt, der Elohim war ja schon in ihrer Wohnung und sie wusste gar nicht, ob sie sich freute oder Angst hatte. „Kommt ihr alle noch mit zu mir?“, fragte sie daher. Und natürlich wollten alle noch mitkommen. Selbst die Erzengel und Theo und Luisa waren gespannt, wie sich der Elohim in einer menschlichen Wohnung zeigte. Immerhin bekamen sie ihn selbst in der Engel-Welt nicht so oft zu Gesicht.
Als Klara die Tür öffnete kam ihnen schon ein warmer Lichtschein entgegen. Sie trafen den Elohim im Wohnzimmer an. Er saß auf dem Sofa, hatte Umrisse wie ein größerer Mensch, war aber nicht so fest und menschlich wie die Erzengel und die Engel. Seine Energie nahm alle sofort in ihren Bann. Die ganze Wohnung war erfüllt von Weisheit und Liebe. Und sie sahen, dass er lächelte. „Da bin ich nun“, sagte er. „Ich habe mich schon ein wenig vertraut gemacht und wenn es die Wohnungsbesitzerin nicht stört, würde ich alles von hier aus begleiten. Vor allen Dingen werde ich an allen Orten, an denen jetzt die Projekte entstehen, anwesend sein, damit die Dunklen gar nicht erst auf dumme Ideen kommen. Somit könnten Michael und Raphael morgen wieder zurückkommen. Wir lassen sie noch über Nacht in Bangladesch, damit sie alles erklären können, aber dann sollen sie wieder hierherkommen. Ich habe das Gefühl, dass wir in wenigen Tagen eine Menge Orte betreuen müssen. Aber die Dunklen können uns nun nichts mehr anhaben. Die werde ich in Schach halten.“
Klara hätte zu gerne gefragt, wie er das zu tun gedachte, da er doch auf ihrem Sofa saß, aber sie traute sich nicht und hoffte, dass er ihr vielleicht in der nächsten Zeit noch mehr erklären würde. Sie wohnten nun ja zusammen.
„Gut, dann werden wir uns auf den Weg zu mir machen“, sagte Martin und winkte die Engel und Martin zur Tür. Morgen haben wir einen weiteren anstrengenden Tag und ich möchte gerne im Sender sein, wenn die Juristen eintreffen. Wir müssen vorher ja noch einiges besprechen.
In Hannes Wohnung gab es genügend Platz für alle. Sie waren so müde, dass sie sich sofort schlafen legten. Die Engel schliefen auch sofort. Hannes und Martin allerdings lagen noch eine Weile wach und ließen den Tag noch einmal Revue passieren. „Ich hatte schon immer ein umtriebiges Leben“, sagte Hannes. „Aber seit deinem Anruf habe ich das Gefühl, ich lebe in einer Achterbahn. Das ist wirklich ein absolutes Gefühlschaos. Und ich habe das alles ja noch gar nicht realisiert. Liegen drüben im Wohnzimmer tatsächlich drei Erzengel und zwei Engel? Und auf Klaras Sofa sitzt ein Elohim? Das ist doch verrückt. Wenn mir das vor drei Tagen jemand erzählt hätte, hätte ich denjenigen ausgelacht. Sowas passiert doch nur im Märchen“, sagte Hannes. Martin murmelte schläfrig: „Oder zu Zeiten des Weihnachtswunders.“ Und dann war er auch schon eingeschlafen.
Im Sender war in der Früh schon Hochbetrieb. Zwölf ehemalige Richter, Rechtsanwälte und Notare spazierten fachsimpelnd herum und waren schon zu Höchstform aufgelaufen, als Martin, Hannes, Klara und die Engel eintrafen. Alle zwölf waren in Würde ergraut und man hatte das Gefühl, dass sie alles, was sie zu sagen hatten, in reinstem Juristendeutsch ausdrückten. Hannes hörte sich das eine Weile an und sagte dann: „Leute, so geht das nicht! Das muss lockerer sein. Wenn ihr in den Menschen den Eindruck erweckt, dass die gleich mit juristischen Schritten bedroht werden, wird der Andrang bald nachlassen.“ Das sind keine Käufer oder Verkäufer, das sind nette Menschen, die helfen wollen.“
„Nun denn, aber die rechtlichen Grundlagen müssen eben besprochen werden“, sagte ein ehemaliger Richter. „Ja, aber nicht im ersten Gespräch“, erwiderte Hannes. Es geht nun darum, dass hier Menschen anrufen, die eine Idee haben, und die wollen sie erzählen. Da gilt es erst einmal zuzuhören und Notizen zu machen. Wer sind denn die lockersten von euch?“, fragte er. Alle zwölf schauten etwas verdutzt. „Woran, denken sie, können wir das festmachen?“, fragte einer der Herren. Hannes raufte sich die Haare. Wie konnten kluge Menschen nur so begriffsstutzig sein?
Phanuel ergriff das Wort: „Wie viele der ehrenwerten Herren brauchen wir für die Telefonzentrale?“ Hannes dachte kurz nach. „Ich denke sechs sollten genügen. Und die anderen sechs könnten die Gesprächsprotokolle von gestern durchschauen.“ Phanuel schaute jeden der Herren an und teilte sie in zwei Gruppen. „Diese Gruppe hier sind die Herren für die Telefonzentrale. Und diese Gruppe hier, macht sich über die Protokolle her.“ In Ermangelung einer besseren Lösung waren alle einverstanden.
Hannes rieb sich die Stirn. „Gut, wir arbeiten von jetzt bis 14.00 Uhr und dann treffen wir uns in der Kantine. „Klara, würdest du mit den sechs Herren die Telefonzentrale organisieren?“ Klara stimmte freudig zu. Das würde ihr einen Riesenspaß machen. „Phanuel, Gabriel und Uriel, könnt ihr bitte bei den Protokollen helfen, bzw. gleich die interessantesten Anrufe von heute aussortieren, sodass wir nachher besprechen können, wen wir für heute Abend einladen?“ Die drei Erzengel waren einverstanden. Für sie war das recht leicht, denn sie konnten die Energie in den Protokollen spüren. Aber die Menschen sollten das auch ohne sie können. Sie würden ja nicht immer hier sein. Aber sie würden dafür sorgen, dass die besten Ideen heute Abend in die Sendung kamen.
Martin schaute etwas verwirrt. „Und was machen wir?“ Hannes grinste. „Dich, Theo und Luisa brauche ich jetzt im Besprechungsraum. Da kommt gleich eine phänomenale Überraschung“, sagte er. Während sie die langen Gänge zum Besprechungsraum entlang gingen sagte Hannes: „Bin ich froh, dass Klara in der Telefonzentrale mitarbeitet. Ich hätte echt Bedenken, ob die trockenen Herren nicht unsere Anrufer vergraulen. Wir werden das heute Abend dazu sagen müssen. Die Anrufer sollen sich ein Glas Wasser neben das Telefon stellen, es könnte etwas trocken werden.“ Hannes lachte schallend über seinen eigenen Witz. Auch Martin grinste. Für Theo und Luisa war diese Art von Humor fremd, aber sie lächelten höflich.
Im Besprechungsraum warteten bereits drei Herren und zwei Damen. Es stellte sich heraus, dass diese alle Programmdirektoren von verschiedenen Fernsehsendern waren. Einer war aus England, eine Dame kam aus Israel, eine weitere Dame kam aus Australien, ein Herr aus China und einer aus Johannesburg. Sie alle wollten das neue Format in ihre Sender aufnehmen. Hannes war ganz in seinem Element und schilderte in leuchtenden Farben die Idee hinter dem Format. Sie einigten sich darauf, dass sie nichts an den Sender von Hannes bezahlen mussten, aber alle Einnahmen – abzüglich aller Kosten – in die Projekte fließen lassen sollten. Alle fünf waren einverstanden. Hannes zog sich mit Martin, Theo und Luisa kurz zu einer internen Besprechung zurück. „Was sagt ihr dazu?“ fragte er und rieb sich die Hände. „Jetzt wird es wirklich international.“ Martin war ein wenig zurückhaltender. „Aber wie sollen wir sicherstellen, dass das dort auch funktioniert?“, fragte er.
Hannes wuschelte sich durch die Haare. „Fünf Sender, fünf Erzengel…“, sagte er nur. „Wir sollten die fünf Erzengel fragen, ob sie bereit wären, jeweils für zwei, drei Tage in den jeweiligen Sender zu reisen. Wir haben noch zehn Tage bis Weihnachten. Da kann noch wahnsinnig viel geschehen. Und außerdem werden wir lernen müssen, loszulassen. Wenn das eine weltweite Initiative der Nächstenliebe sein soll, können wir das unmöglich alles kontrollieren. Wir dürfen jetzt anfangen zu vertrauen. Wenn diese fünf Sender soweit sind, dass alles klappt, können sie wieder andere Sender einschulen…und so weiter.“
Für Martin ging das alles sehr schnell. „Gut, aber wir sollten zumindest mit den drei Erzengeln sprechen, die gerade hier sind. Luisa, könntest du Gabriel, Phanuel und Uriel rasch hierherholen? Dann können wir sie fragen, ob sie einverstanden sind.“ Luisa machte sich sofort auf den Weg und kam wenige Minuten später mit den Erzengeln zurück. Diese hörten gespannt zu und erklärten sich sofort bereit, die Einschulungsarbeiten zu übernehmen. „Sagt mal, seid ihr da oben auch so knapp mit Personal?“, fragte Hannes und grinste.
Phanuel schüttelte den Kopf. „Nein, so knapp sind wir nicht. Aber die anderen Erzengel werden oben gebraucht. Aber wenn wir noch Engel holen wollen, davon können wir oben sicher einige entbehren“, sagte er. Luisa und Theo staunten mit offenem Mund. Es würden noch mehr Engel auf die Erde kommen? Wie würden sie das anstellen?
Phanuel lieferte sogleich auch die Antwort: „Ihr beiden reist heute noch zurück in die Engelwelt und sucht zehn weitere Engel aus. Die Großen werden euch dabei helfen. Am besten bleibt ihr heute und über Nacht oben und kommt morgen früh mit den frischen Engeln herunter. Den morgigen Tag verbringt ihr dann mit Elohim, der die frischen Engel einweist. Und ihr seid dabei und unterstützt ihn.“
Das klang für alle nach einem sehr guten Vorschlag. Luisa und Theo waren einerseits traurig, dass sie den heutigen Tag verpassen würden. Auf der anderen Seite freuten sie sich auch, sich oben ein wenig auszuruhen. Es war schon sehr hektisch in der Menschenwelt.
Und wie es weitergeht, erfahrt Ihr morgen.
Ich wünsche Euch allen ein gute Nacht und wunderschöne Träume
Oben als Video, unten als Text 🙂 Viel Freude damit!
Währenddessen waren in Wien Hannes, Martin, Klara und die Engel wieder zurück in den Sender gefahren. Martin war zutiefst niedergeschlagen und wusste noch nicht, wie er heute Abend optimistisch vor der Kamera stehen sollte. So sehr hatte er sich über die Werkstatt gefreut und sie bereits als sein neues Zuhause betrachtet und jetzt war alles zerstört. Er wunderte sich darüber, dass Klara diese Situation wesentlich gelassener nahm als er. Sie schien unerschütterlich zu sein in ihrem Glauben daran, dass schlussendlich alles gut werden würde. Dafür bewunderte er sie. Er selbst fühlte sich gerade erneut an die schutzlose Situation auf der Straße erinnert, wo jederzeit irgendein Mensch kommen und sich an ihm vergreifen konnte.
Hannes hingegen schien dadurch sogar noch mehr in Fahrt zu kommen. Er musste über eine nahezu unerschöpfliche Energie verfügen. Während sie noch im Auto waren, telefonierte er bereits mit den Mitarbeitern im Sender, damit alles vorbereitet werden und die Studiogäste über die neue Adresse informiert werden würden.
„Alles hat am Ende auch sein Gutes“, sagte er zu Martin. Wir wissen zwar jetzt noch nicht, was es ist, und vielleicht werden wir es nie erfahren, aber ich glaube fest daran, dass gar nichts zufällig geschieht. Wir machen das mit der Werkstatt zu einem Projekt und wenn Klara damit einverstanden ist, werden wir die Werkstatt ein wenig kleiner machen und für dich eine Wohnung dazu bauen. Was meinst du, Klara?“, fragte er. „Oh, das ist eine wunderbare Idee“, sagte Klara. „Dann hat Martin viel mehr Privatsphäre und ist trotzdem immer da. Es ist für mich schön zu wissen, dass er da ist und ich nicht so ganz alleine bin. Was meinst du, Martin?“, fragte sie.
Martin war total erstaunt. An so etwas hätte er niemals gedacht. Das war natürlich eine wunderbare Idee. Dann hätte er wieder eine eigene kleine Wohnung und wäre trotzdem immer in der Werkstatt. Wenn man es so betrachtete, war es tatsächlich nicht ganz so schlimm. Hannes schien recht zu haben. Alles hatte auch sein Gutes. Diese Vorstellung hob seine Stimmung schon wieder.
Als sie im Sender ankamen, war schon reges Treiben. Es wurde eine kleine Weihnachtsdekoration im Studio angebracht. Auch hier sollte die Stimmung des Weihnachtsfestes durchscheinen. Sie wollten ja ein Weihnachtswunder vollbringen! Viel zu früh traf dann auch schon das Ehepaar ein, das die Klink finanzieren wollte und kurz darauf auch der ehemalige Klinikmanager. Nur der Bauunternehmer fehlte noch. „Wir sind Jan und Friederike Hanssen“, stellte sich das Ehepaar vor. Der ehemalige Krankenhausmanager reichte ihnen die Hand und sagte: „Ich bin Gerhard Dorn.“ Hannes geleitete die drei in die Kantine und bat sie, an einem der Tische schon einmal Platz zu nehmen. Kurz darauf waren die drei in einem lebhaften Gespräch, sodass niemand sich um sie kümmern musste. Theo und Luisa halfen das Studio zu schmücken und rückten hier und da die Sessel und Tischchen ein wenig zurecht. Phanuel, Uriel und Gabriel waren immer noch damit beschäftigt sich abzusprechen. Noch hatten sie den anderen nicht gesagt, worüber sie sprachen.
Klara war ein wenig nervös, sie würde heute auch wieder vor der Kamera sein. „Ich habe euch noch gar nicht gesagt, wen ich gerne zur Unterstützung in unser Team holen würde“, sagte sie zu Hannes und Martin. „Ja, das stimmt. Es geht aber auch alles drunter und drüber. Nichts desto trotz werden wir morgen Verstärkung brauchen. Die Leute aus der Telefonzentrale sagten mir vorhin, dass die Telefone immer noch nicht stillstehen. An wen hast du denn gedacht?“, fragte Hannes. Klara lächelte ein wenig und sagte dann: „Ich kenne den Club der pensionierten Anwälte, Richter und Notare. Mit denen habe ich gesprochen und die würden uns helfen, die Gespräche zu führen und dann auch bei der Umsetzung beratend zur Hand gehen.“ Als sie das gesagt hatte, schaute sie triumphierend in die Runde. Hannes und Martin blieb gleich der Mund offenstehen. „Das ist natürlich das Nonplusultra!“, rief Hannes und riss Klara so heftig an sich, dass Martin schon dachte, er würde ihr die Rippen brechen. „Du weißt gar nicht, wieviel Arbeit uns das abnimmt!“ Klara lächelte. „Für wie doof hältst du mich? Natürlich weiß ich das, aber ich musste erst fragen und sie haben vorhin zugesagt. Wenn wir das wollen, kommen sie morgen hierher in den Sender und helfen gleich einmal, die Telefonate anzunehmen. Dann könntest du deine Mitarbeiter wieder mit ihrer eigentlichen Aufgabe beschäftigen.“
In dem Moment kamen Theo, Luisa, Phanuel, Gabriel und Uriel dazu. „Gibt es was zu feiern? Ihr schaut so glücklich aus?“, fragten sie. Hannes berichtete rasch von Klaras Neuigkeiten und auch die Engel fanden die Idee fabelhaft. Wir haben auch einiges zu besprechen. Können wir uns irgendwohin setzen? Martin bekam gleich wieder ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Hoffentlich hatten die Engel keine schlechten Nachrichten.
„Wir haben mit den oberen Engeln in unserer Welt Kontakt aufgenommen. Die großen Engel, also die oberen Hierarchien begleiten dieses Projekt ja aus der Ferne. Und es ist so, dass wir vereinbart haben, dass einer von ihnen, nämlich Elohim, ebenfalls zu uns in die Menschenwelt kommt. Aber wir haben ein Problem. Wir Engel und Erzengel können uns eine menschliche Gestalt geben, das geht aber bei den Oberen nicht. Wenn Elohim kommt, soll er nicht gesehen werden. Wir brauchen einen Ort, an den keiner kommt, aber er ist dann mit seiner Energie bei uns und beschützt das Projekt. Und uns ist da nur ein einziger Ort eingefallen, wo er sich aufhalten könnte…“.
Nach diesen Worten schwieg Phanuel und schaute in die Runde. Aber alle starrten ihn nur gebannt an. „Und wo ist dieser Ort?“, fragte Hannes, dem beim besten Willen kein solcher Ort einfallen wollte. Die Werkstatt war zerstört. Da würden in der nächsten Zeit viele Handwerker ein und aus gehen müssen. Phanuel biss ein wenig auf seiner Unterlippe herum. „Klara, könnte Elohim bei dir wohnen?“, fragte er dann einfach gerade heraus. Klara klappte der Unterkiefer herunter. Sie wollte etwas sagen, aber ihre Kehle war plötzlich völlig ausgedörrt. Deshalb nickte sie nur. „Es ist mir eine Ehre“, konnte sie nur noch sagen. So ein großes Engelwesen sollte in ihrer Wohnung sein! So etwas hätte sie sich niemals ausdenken können. Sie fühlte sich ja schon geehrt, dass die Engel und Erzengel bei ihr waren. Dass sie davon sogar noch eine Steigerung erleben sollte, machte sie sprachlos.
„Gut“, sagte Phanuel dann. Somit wird Elohim bereits in deiner Wohnung sein, wenn wir zurückkommen. Klara konnte wieder nur nicken. Sie dachte darüber nach, ob ihre Wohnung wohl gut genug für einen Elohim war, aber sie entschied sich dann, dass es einfach gut genug sein müsse. Sie hatte nicht mehr zu bieten. Und sauber war ihre Wohnung sowieso. Darüber musste sie sich keine Gedanken machen.
Hannes schaute auf die Uhr. „Leute es wird Zeit, dass wir alle zusammentrommeln und ins Studio gehen.“ Martin, kannst du die drei aus der Kantine holen? Luisa und Theo, könnt ihr mal schauen, ob der Bauunternehmer schon da ist? Klara, rufst du die Juristen an und ich telefoniere noch rasch mit den Kollegen in Bangladesch.“ Alle beeilten sich, die aufgetragenen Dinge zu erledigen und wenige Minuten später trafen sie sich alle im Studio. Auch in Bangladesch warteten sie nur noch auf den Startschuss.
Und dann gingen sie auch schon auf Sendung. Das Ehepaar Hanssen und Herr Dorn, der ehemalige Krankenhausmanager, hatten sich schon auf ein Projekt geeinigt, das sie heute vorstellen wollten. Als die Kameras liefen, moderierte Hannes die Sendung an. Theo, Luisa, Martin und Klara wurden als die bereits bekannten Initiatoren des Weihnachtswunders vorgestellt, dann schwenkte die Kamera aber zu Gerhard Dorn, der den Zuschauern berichtete: „Ich bin Gerhard Dorn und ich habe viele Jahre Krankenhausmanagement in verschiedenen Häusern gemacht. Ich möchte gerne mein Wissen und meine Fähigkeiten zur Verfügung stellen, um eine Klinik aufzubauen, in der die Menschen von der Geburt bis zum Tod nach den Regeln aller Künste betreut werden. Wir wollen nicht nur schulmedizinisch arbeiten, sondern ebenso mit Homöopathen, Energetikern, Geistheilern und allen anderen Heilkünsten gemeinsam ein Haus betreiben, in dem jeder Mensch die Fürsorge und Behandlung bekommt, die er braucht – und zwar vom ersten bis zum letzten Tag. Wir wollen keinen Unterschied machen zwischen dieser und jener Medizin, sondern ganz individuell schauen, was der Mensch nun braucht. Ich habe mich vor der Sendung schon mit dem Ehepaar Hanssen abgestimmt und wir stellen uns dies so vor, dass wir Meditationsräume haben, Begegnungsräume und viel Fläche in der Natur, sodass die Menschen bei uns von Grund auf gesundwerden können.“
Gerhard Dorn hatte sich richtig in Rage geredet. Seine Begeisterung sprang ihm förmlich aus dem Gesicht. Und nun kam das Ehepaar Hanssen zu Wort: „Wir sind Friederike und Jan Hanssen und entstammen einer alten Hamburger Industriellenfamilie. Wir leben schon lange in Wien und da wir nun älter werden, haben wir uns gefragt, wie wir einmal behandelt werden wollen, wenn wir alt und krank sind. Und wir haben schon lange festgestellt, dass es so etwas, das wir uns vorstellen, in der österreichischen medizinischen Landschaft nicht gibt.“
Friederike Hanssen schluckte kurz, bevor sie fortfuhr: „Da uns das Schicksal verwehrt hat, dass wir Kinder bekommen, und wir somit keine Erben haben, würden wir gerne so eine Klinik finanzieren.“ Sie sagte das mit aller Bescheidenheit und trotzdem sehr entschieden. Es wirkte tatsächlich, als hätten sich die beiden das schon lange überlegt.
Nun kam noch Herr Himmelreich, der Bauunternehmer, zu Wort: „Auch ich bin nicht mehr der Jüngste und stehe kurz davor, mein Unternehmen zu verkaufen und würde gerne, bevor ich aufhöre, meinen Dank für eine lange erfolgreiche Berufslaufbahn dadurch zum Ausdruck bringen, dass ich für dieses Vorhaben die Zeit meiner Mitarbeiter und das Baumaterial spende.“
Hannes konnte sich vor Begeisterung kaum halten. Und auch Martin, Klara, Theo und Luisa drückten sich heimlich unter dem Tisch die Hände. Das war so ein riesiges Projekt. Nun sprach Hannes sogar noch die zerstörte Werkstatt an, beschrieb sie als ein Opfer des Vandalismus, und Herr Himmelreich versprach, gleich am nächsten Tag einen Bautrupp hinzuschicken um die Maße zu nehmen und die Werkstatt neu zu planen. Aus der Telefonzentrale erhielten sie Zeichen, dass die Telefone ununterbrochen läuteten und Hannes war schrecklich froh, dass ab morgen die Anwälte, Richter und Notare den Telefondienst übernehmen würden.
Nun war nur noch die Live-Schaltung nach Bangladesch dran und auch diese war ein voller Erfolg. Der Textilunternehmer, ein höchst erfolgreicher und sympathischer Mann hatte schon alles perfekt durchdacht und würde in den nächsten Tagen die Pläne für die neue Fabrik schicken, sodass die Initiatoren des Projektes dieses absegnen konnten. Mongila stand die ganze Zeit neben ihm und konnte nicht aufhören über das ganze Gesicht zu strahlen. Es war ein höchst gelungener Abend, trotz der nachmittäglichen Schwierigkeiten.
Und wie es weitergeht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche euch eine wunderbar gute Nacht, schöne Träume und einen erholsamen Schlaf.
In der Zwischenzeit hatte das Team des Senders die Fotos der wundervoll dekorierten Werkstatt geschickt. Die Engel, Martin, Hannes und Klara freuten sich schon darauf, den Abend mit den Gästen dort zu verbringen. Martin war besonders stolz. War es doch seit vielen Jahren wieder ein erstes richtiges Zuhause für ihn. Und all dies hatte er nur Klara, Luisa und Theo zu verdanken. Welches Glück er doch gehabt hatte. Und nun war er auch noch Teil eines Teams aus Engeln und Menschen, die in wenigen Tagen die ganze Welt verändern würden. Manchmal hatte er das Gefühl, alles nur zu träumen.
Sie packten alle Unterlagen und Utensilien zusammen, die sie heute Abend brauchen würden und machten sich auf den Weg in die Werkstatt. Die Stimmung war ausgelassen und euphorisch. Das würde heute ein riesengroßer Erfolg werden. Die Autos hielten vor dem Einfahrtstor an. Klara stieg aus und wollte öffnen, stellte aber fest, dass das Tor nicht verschlossen war. „Du musst mit deinen Mitarbeitern sprechen“, sagte sie zu Hannes. „Sie dürfen das Tor nicht offenlassen.“ Hannes wollte gerade etwas erwidern, als sie alle vor Entsetzen erstarrten. Die Werkstatt stand ebenfalls offen, alle Scheiben waren zerbrochen und Martin, der als erstes aus dem Auto sprang stellte fest, dass auch im Inneren der Werkstatt alles zerstört war. Die Lampen des Filmteams waren zertrümmert und lagen in Scherben auf dem Boden, die ganze Werkstatt sah aus, als ob ein Tornado hindurch gefegt war. Werkzeug und Weihnachtsdekoration – alles lag wie Kraut und Rüben durcheinander. Kein Eckchen war verschont geblieben.
Martin sank auf die Knie und die Tränen flossen ihm in Strömen über das Gesicht. „Das darf nicht wahr sein“, schluchzte er immer wieder. Michael war der nächste, der sich die Bescherung anschaute. Schweigend ging er durch die Werkstatt und schnupperte mal hier und mal dort. „Wir müssen die Polizei rufen“, sagte Klara tonlos. Sie hatte die Bescherung bisher schweigend betrachtet. Michael schüttelte den Kopf. „Die Polizei kann uns hier nicht weiterhelfen“, sagte er. Diese Zerstörung haben keine Menschen gemacht. Es ist das Werk der Dunklen. Ich kann ihre Anwesenheit noch förmlich riechen. Das muss vor wenigen Minuten passiert sein. Es hätte mich gewundert, wenn sie nicht versuchen würden, uns zu stören.
Phanuel, Uriel, Gabriel und Raphael gingen schweigend durch die Werkstatt. Sie wussten, dass Michael recht hatte. Natürlich würden die Dunklen sie nicht einfach gewähren lassen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Immerhin hatten sie schon einen gewaltigen Erfolg erzielt und eine kleine Bewegung ins Leben gerufen. Auf einmal drehte sich Raphael abrupt um und rief: „Mongila! Wir müssen Mongila beschützen, sonst passiert in Bonnotola das Gleiche!“ Die Erzengel zögerten nicht lange. Michael und Raphael sahen sich nur kurz an und waren sich einig, dass sie beide sofort nach Bonnotola reisen mussten. Ohne viel zu erklären, teilten sie ihre Erkenntnis den anderen mit und machten sich sofort auf den Weg.
Luisa und Theo waren erleichtert, dass die beiden nun zu Mongila reisen würden. Sie hatten recht, wahrscheinlich war auch dieses Projekt in Gefahr. Zwar wussten sie beide nicht viel über die Dunklen, aber sie wussten, dass die Erzengel stark genug waren, es mit ihnen aufzunehmen.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Theo. „Hier können wir vermutlich nicht senden…“ Hannes durchschritt die Werkstatt zum wiederholten Male. „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder zeigen wir, was die Widersacher angerichtet haben und verunsichern damit eine Menge Menschen, die uns vielleicht helfen wollten, oder wir fahren zurück in den Sender und gestalten den Abend dort.“ Dabei klopfte er Martin auf die Schulter. „Sei nicht traurig, das lässt sich wieder in Ordnung bringen. Wir machen das gleich zu einem Projekt.“ Zu Klara gewandt sagte er: „Klara, mach auch du dir bitte keine Sorgen. Wir werden deine Werkstatt wieder in Ordnung bringen.“ Klara nickte tapfer. Was blieb ihr auch anderes über. Sie hatte schon eine Menge Schicksalsschläge verkraftet. Sie würde auch dies verkraften. Und außerdem war sie keine Frau, die sich leicht unterkriegen lässt. Wenn ihre Aktion offensichtlich jemandem nicht passte, dann war das für sie Grund genug, sie erst recht fortzusetzen. „Wie wäre es, wenn wir zuerst einmal bei mir einen Tee trinken“, fragte sie in die Runde. Hannes und Martin waren sofort einverstanden.
Uriel, Phanuel und Gabriel schüttelten den Kopf. „Geht nur, aber lasst uns drei hier noch eine Weile alleine. Wir müssen etwas besprechen. Luisa und Theo, ihr könnt auch einen Tee vertragen. Wir werden euch nachher in Kenntnis setzen, aber jetzt brauchen wir ein wenig Zeit.“
Inzwischen waren Michel und Raphael in Bonnotola angekommen und Mongila staunte nicht schlecht, als sie die beiden sah. „Oh, ich wusste gar nicht, dass ihr kommt“, sagte sie zu Michael, den sie ja vom letzten Besuch noch kannte. „Du hast einen neuen Kollegen mitgebracht“, sagte sie und reichte Raphael die Hand. Michael stimmte ihr zu. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte er betont ruhig. Mongila nickte. „Ja, warum? Was sollte sein? Ich habe gehört, dass später ein großer Fabrikant hierherkommt, der eine riesige Fabrik nach unserem Vorbild bauen möchte. Und wir sind alle schon ein wenig aufgeregt und haben überall saubergemacht und alles, so gut wir konnten, dekoriert.“
Sie hatte kaum zu Ende gesprochen als die Luft plötzlich mit einem unheilvollen Brausen erfüllt war. Mongila blickte fragend zum Himmel, doch der war blau wie zuvor. „Komisch das hörte sich jetzt an, als würde ein heftiger Sturm kommen, aber der Himmel sieht gar nicht danach aus“, sagte sie noch als das Brausen plötzlich anschwoll und heftiger wurde. Michael und Raphael sahen sich kurz an. Es nützte nichts, vermutlich würden sie jetzt ihre Deckung aufgeben müssen. Aber das war nicht zu ändern. Wenn die Dunklen so heftig ankamen, dann waren sie auf einen Kampf aus.
„Geht bitte alle in eure Häuser und überlasst das uns“, rief Michael Mongila zu bevor er mit Raphael auf den Dorfplatz rannte. Dort stellten sie sich Rücken an Rücken auf. Mongila scheuchte alle Menschen in die Häuser. Nur ein paar besonders neugierige Männer standen noch herum. Aber das Brausen wurde nun so laut, dass auch sie vorzogen, in Deckung zu gehen.
Michael und Raphael atmeten einmal noch durch und begannen dann, ihre Größe zu vervielfachen und ein riesiges Lichtfeld um sich herum aufzubauen. Die Luft auf dem Marktplatz und schon bald in ganz Bonnotola vibrierte. Die Menschen, die aus den Fenstern schauten, konnten kaum glauben, was hier vor sich ging. Und plötzlich erreichte ein schwarzer Wirbel den Marktplatz, doch bevor er auf die Erde auftreffen konnte, hatten Michael und Gabriel ihn auch schon in ihrem Licht eingekesselt. Es entstand ein heftiger Kampf und die beiden Erzengel wurden kräftig hin und her geschleudert, aber sie ließen nicht davon ab, den dunklen Wirbel im Inneren ihres Lichtscheins zu bewahren. Dieser schien immer wütender zu werden und begann sich wie ein Kreisel zu drehen und man konnte richtig spüren, wie schwierig es für die Engel war, ihn nicht entkommen zu lassen.
Nach ein paar Minuten war der Spuk vorbei. Michael und Raphael veränderten ihre Größe wieder auf die Größe eines Menschen und das Licht um sie herum verlosch langsam. Zunächst traute sich keiner der Einwohner von Bonnotola aus den Häusern. Raphael und Michael waren erschöpft und schauten sich nach einem Platz um, an dem sie wieder zu Kräften kommen konnten. Sie waren dankbar, dass Mongila ihnen einfach etwas zu trinken reichte, ohne sie mit Fragen zu überhäufen.
Als sie wieder halbwegs bei Kräften waren, erklärten sie Mongila wer sie waren und was gerade geschehen war. Sie waren sich nicht sicher, ob Mongila ihnen folgen konnte, aber sie waren ihr für ihre ruhige Art sehr dankbar. „Gut, ich werde das den anderen erklären“, sagte sie nur und machte sich auf den Weg zum Dorfplatz. Michael und Raphael schauten sich an. „Ich fürchte, wir müssen hierbleiben. Dieses Dorf braucht unsere Hilfe, sonst machen die Dunklen hier alles platt, wie sie es in der Werkstatt getan haben“, sagte Michael. Raphael war einverstanden und sagte: „Dann schlagen wir nun eben hier unsere Zelte auf. Hoffentlich sind die Dorfbewohner nun nicht zu sehr aufgebracht. Sonst können wir die Live-Schaltung vergessen.“
Doch in dem Moment rollten schon die Wagen des regionalen Senders auf den Dorfplatz und wenig später kam der Textilfabrikant in einer Limousine an. Scheinbar schienen die Dorfbewohner sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen, denn sie taten, als wäre nichts geschehen. Mongila erklärte dies später damit, dass in Bangladesch noch viel Wissen über die geistigen Kräfte in den Menschen steckte. Und natürlich würden Raphael und Michael das eines Tages näher erklären müssen. Aber zunächst hatten alle erkannt, dass sie ihnen zu Hilfe geeilt waren.
Und wie es in Wien weitergeht und wie das Treffen mit dem Textilfabrikanten verlaufen wird, erfahrt ihr morgen. Ich wünsche Euch allen eine wunderbare gute Nacht und schöne Träume!
Oben als Video, unten zum Lesen 🙂 Ich wünsche viel Vergnügen!
Als der Morgen kam, waren alle schon sehr früh auf den Beinen. Es war zu aufregend, um lange zu schlafen. Klara lud alle zu Kaffee und Broten ein. Mit so einem Einstieg konnte ein arbeitsreicher Tag beginnen. Martin und Hannes besprachen schon während dem Frühstück, wie sie heute vorgehen wollten. Hannes hatte schon mit dem Sender telefoniert und erhielt eine Menge E-Mails mit Informationen. „Die Anrufe können bislang in drei Gruppen aufgeteilt werden. Da sind zum einen Menschen, die selbst Ideen haben, dann gibt es Menschen, die finanziell die Ideen der anderen unterstützen wollen und es gibt welche, die gerne mitarbeiten möchten. Alle drei Gruppen können wir sehr gut brauchen. Ich hätte mir gedacht, dass wir hier auch drei Gruppen bilden und heute gleich damit beginnen, Interviews mit den Menschen zu führen. Alle weiteren Anfragen laufen im Sender ein.“
Martin nickte und schaute zu Klara. „Könntest Du Dir vorstellen, auch eine der Gruppen zu betreuen. Du bekommst zwei Engel dazu“, frage er sie. Klara nickte begeistert. Natürlich könnte ich mir das vorstellen. Ich bin schon ganz aufgeregt. Das ist endlich etwas, das ich gut kann. Am liebsten würde ich die Gruppe der Investoren betreuen. Als mein Mann noch lebte, waren wir viel in der Wiener Gesellschaft unterwegs und ich kenne die Gepflogenheiten und auch die Möglichkeiten vieler Menschen gut. Ich habe fünfzehn Jahre lang Wohltätigkeitsveranstaltungen geleitet und ich weiß, was die Menschen lockermachen können, wenn sie von etwas überzeugt sind. Ich denke, es geht darum, herauszufinden, in welche Art von Projekt sie gerne investieren wollen und dann zu schauen, dass sie so viel wie möglich geben.“
„Besser kann man das nicht zusammenfassen“, sagte Hannes bewundernd. „Ich wusste gar nicht, dass wir so ein Talent in der Gruppe haben. Das ist großartig. Wer von den Engeln möchte dieser Gruppe beiwohnen. Michael und Gabriel erklärten sich sofort bereit. „Ich glaube, wir sind da gut aufgehoben. Gabriel als führender Engel der Weihnachtszeit und ich als Zeitgeist“, sagte Michael. Alle nickten zufrieden. „Ich würde gerne die Gruppe der Menschen betreuen, die mitarbeiten wollen“, sagte Martin. „Und am liebsten wäre es mir, wenn ich dazu Theo und Luisa bekommen könnte.“ „Gut, dann werden Phanuel, Uriel, Raphael und ich die Gruppe der Menschen betreuen, die selbst Ideen haben. Ich denke, das ist eine perfekte Aufteilung. Sind alle einverstanden?“
Er blickte fragend in die Runde. Alle nickten. Hannes dachte nach. „Ich finde, um Zeit zu sparen, sollten wir die Vorgespräche online führen und dann jeden Tag die interessantesten Kontakte ins Werkstatt-Studio einladen. Ich glaube, es ist am besten, wenn wir die Vorgespräche im Sender führen. Dort haben wir genügend Räume und auch die notwendige technische Ausstattung dazu. Außerdem sind wir in der Nähe der Telefonzentrale und können sofort reagieren, wenn etwas ganz Wichtiges reinkommt. Und am Abend laden wir drei Gäste ein und kommen hierher für die Live-Sendung. Das ist doch das bessere Ambiente hier.“ Martin, Klara und die Engel waren begeistert. Das war ja großartig. Genauso würden sie es machen. „Klara, wäre es für Dich in Ordnung, wenn ich heute noch ein paar Leute aus der Requisite vorbeischicke, die es ein wenig weihnachtlich machen und vielleicht auch die Schlafplätze ein wenig umgestalten, damit wir eine tolle Atmosphäre haben?“ Klara fand die Idee großartig. „Oh ja, ich würde mich freuen, wenn die Werkstatt geschmückt wird.“ Hannes nickte. „Gut, dann leite ich das ebenfalls in die Wege. Dann würde ich vorschlagen, ich lasse Autos kommen, die uns rasch ins Studio bringen.“
Wenig später saßen alle drei Gruppen in jeweils einem Raum vor einem großen Monitor. Die Angestellten des Senders achteten darauf, dass alles reibungslos funktionierte und jede Gruppe konnte beginnen, mit jemandem zu sprechen.
Das Team des Senders leistete hervorragende Arbeit. Die Gruppen hatten die Gelegenheit mit vielen Menschen zu sprechen und machten sich dabei Notizen. Sie hatten vereinbart, dass sie bis 15.00 Uhr durcharbeiten und sich dann in der Kantine zur Besprechung treffen würden.
Es war kaum zu glauben, wie schnell die Zeit bis 15.00 Uhr vorbei war. Alle kamen mit roten Ohren und Wangen und glänzenden Augen in die Kantine. Hannes ergriff das Wort. „Die Gruppe von Klara, Gabriel und Michael hatte sieben Investorengespräche, die Gruppe von Martin, Luisa und Theo hatte fünfzehn Gespräche mit potentiellen Mitarbeitern und Helfern und Phanuel, Uriel, Raphael und ich hatten elf Gespräche mit Menschen, die eine Idee haben. Ich denke, wir schaffen es nicht, alle Ideen und Möglichkeiten jetzt zu besprechen, daher sollten wir uns die, die wir für heute am Wichtigsten halten, auswählen.“
Die Gruppen berieten sich noch einmal kurz und entschieden sich, die Ergebnisse zusammenzufassen. Klara startete mit ihrer Zusammenfassung. „Der wichtigste Investor heute war ein Textilfabrikant aus Bangladesch, der die Idee von Mongila aufgreifen möchte und mit ihr zusammen ein riesiges Textilimperium aufbauen möchte, indem sowohl Frauen als auch Männer arbeiten und in der Umgebung wohnen. Er stellt sich vor, dass die Familien ihre Kinder mitbringen und dass diese dort betreut werden und zur Schule gehen und sogar die Mittagspause mit ihren Eltern oder Elternteilen verbringen. Er hat das Geld dafür, das aufzubauen und würde sich am liebsten gleich mit Mongila und den Frauen im Dorf besprechen. Ich habe ihn wegen heute Abend gefragt, er wäre bereit. Wir müssten nur wieder eine Live-Schaltung nach Bangladesch machen.“
Alle waren begeistert. „Hat er erwähnt, wie viele Arbeitsplätze er auf diesem Weg schaffen könnte?“, fragte Hannes. Klara nickte. „Ja, das habe ich ihn auch gefragt, und er könnte sich vorstellen, im ersten Schritt dreitausend Menschen zu beschäftigen. Übrigens soll es dann auch gleich eine medizinische Versorgung vor Ort geben. Und ja, wo wir bei medizinischer Versorgung sind. Ein Ehepaar war heute auch da und würde gerne viel Geld spenden für ein alternatives Krankenhaus, in dem Menschen so gut betreut werden, dass sie auch wirklich gesund werden können.“
Als Klara dies erwähnte, fiel ihr Hannes ins Wort: „Na das trifft sich gut. Ich hatte einen ehemaligen Krankenhausmanager, der schon lange die Idee hat, ein alternatives Krankenhaus zu bauen, dem aber die finanziellen Mittel dafür fehlen. Er hat so sehr die Schnauze voll von der menschenunwürdigen Medizin, dass er nur noch davon träumt. Er hat alle Kenntnisse, die man braucht, um ein Krankenhaus aufzubauen und zu betreiben. Das ist ja großartig! Die drei müssen wir unbedingt zusammenbringen.“
„Wow! Martin staunte nicht schlecht. „Ich hatte mehrere Firmen und auch Privatmenschen, die Arbeitskräfte und Material für verschiedenste Projekte zur Verfügung stellen würden. Unter anderem war eine Baufirma dabei, die beides zur Verfügung stellen würden, wenn wir etwas bauen wollen.“
„Gut! Bitte laden wir das Ehepaar, dass ein Krankenhaus finanzieren möchte, den Krankenhausmanager und den Chef dieser Baufirma heute ein. Das ist ein fulminanter Auftakt und genau in der Größenordnung, die wir für den Anfang brauchen. Ich kläre mit den Kollegen in Bangladesch ab, wie wir den Textilfabrikanten und Mongila zusammenbringen und eine Live-Schaltung aufbauen können. Wäre es möglich, dass sich vielleicht zwei von euch Engeln wieder nach Bangladesch beamen?“ Luisa und Theo hielten sich den Bauch vor Lachen. Kaum kannte man sich zwei Tage, war es fast normal, dass Engel herumbeamen können.
Michael nickte. „Ich werde mit Luisa und Theo nach Bangladesch reisen und die anderen Erzengel bleiben bei euch“, sagte er.
„Aber zuerst werden wir noch etwas essen. Das wird noch ein langer Tag. Und dann machen wir uns an die Arbeit, damit wir die Herrschaften heute Abend alle dort haben, wo wir sie brauchen“, sagte Hannes.
Und er fügte noch hinz: „Wir werden vermutlich Verstärkung brauchen, um all die Ideen anzuhören, durchzudenken, und zu vernetzen, die jetzt jeden Tag hereinkommen. Das werden wir kaum alleine schaffen. Aber von meinem Team kann ich niemanden mehr abstellen. Hat von euch jemand eine Idee, wer uns dabei behilflich sein kann?“
Alle dachten kurz nach. „Ich habe eine Idee!“, sagte Klara. „Aber ich möchte noch nicht zu viel verraten. Ich muss das erst noch abklären.“
So, und morgen werden wir erleben, wie der erste Abend mit den Fernsehgästen verläuft und wen Klara zur Verstärkung einladen möchte.
Ich wünsche Euch allen eine wunderbare gute Nacht und einen erholsamen Schlaf!
Unten zum Lesen und oben als Video 🙂 Viel Freude damit!
Kurz nach der Sendung trafen sich alle wieder in Klaras, bzw. jetzt war es ja Martins, Werkstatt. Luisa und die beiden Erzengel Gabriel und Michael hatten sich von Mongila verabschiedet und ihr versprochen, dass sie in den nächsten Tagen wiederkommen würden um ihr zu berichten, wie die Sache weitergegangen ist. Hannes war ganz aus dem Häuschen. Er hatte vermutet, dass dies ein großer Erfolg werden würde. Doch er merkte bereits jetzt, dass sie eine Lawine ins Rollen gebracht hatten. Martin und Klara hatten einen phantastischen Auftritt hingelegt und die Menschen da draußen vor dem Fernseher schienen sie zu Tausenden ins Herz geschlossen zu haben.
Hannes entschied, dass mehrere seiner Mitarbeiter ab sofort nur noch die schnell improvisierte Telefonzentrale betreuen würden. Dort würde zunächst einmal alles, was hereinkam vorgefiltert werden. Mit den Kollegen in Bangladesch hatte er besprochen, dass auch deren Anrufer nach Wien umgeleitet werden sollten. Sie würden morgen schon damit beginnen, die Anrufe nach Inhalt zu sortieren.
Das Filmteam war bestens gelaunt und wollte gerade die Beleuchtung und die Tonanlage abbauen, als Hannes eine Idee hatte. „Wie wäre es“, fragte er zu Martin und Klara gewandt, „…wenn wir hier das Studio belassen und auch die Auswahlgespräche live übertragen würden. Dann würden wir z.B. jeden Abend zwei Stunden Sendezeit einplanen und mit den interessantesten Kandidaten direkt und live plaudern. Was haltet ihr davon?“ Martin und Klara fanden die Idee super. Auch die Engel waren Feuer und Flamme. Das würde sicher noch viel mehr Menschen motivieren, sich bei ihnen zu melden.
„Meine Lieben, das war eine tolle Aktion heute Abend“, sagte Michael und nickte begeistert und wohlwollend zu Martin, Klara und den Jung-Engeln Theo und Luisa. „Vor allen Dingen hat mich beeindruckt, welche tolle Vorarbeit ihr geleistet habt. Obwohl ihr nur zu zweit ein paar Tage in der Menschen-Welt wart, habt ihr mit Marin, Klara, Mongila und den Menschen aus Bonnotola so wunderbare Partner gefunden. Ohne diese Partner und Partnerinnen, und somit auch ohne eure Vorarbeit, hätte dieses Event heute nicht stattfinden können. Dafür möchte ich euch beiden von Herzen danken.“ Theo und Luisa standen wie vom Donner gerührt. Erzengel Michael hatte sie gerade vor allen Anwesenden gelobt. Auch wenn Michael hier in der Menschen-Welt fast wie ein normaler Mann wirkte, so wusste niemand besser als die beiden, welch großes Wesen er doch war.
„Danke“, sagten sie nur und schauten betreten auf ihre Füße. Sie freuten sich, aber sie wollten nicht stolz oder eingebildet erscheinen. Aber Michael fuhr bereits fort: „Und dir Hannes und deinem ganzen Team möchte ich von Herzen danken. Jetzt schäme ich mich fast dafür, wie stümperhaft wir gestern noch versucht haben, Einfluss auf die Herzen der Menschen zu nehmen. Eure wunderbaren technischen Möglichkeiten hatten wir dabei überhaupt nicht auf dem Schirm. Ohne dich wäre das alles überhaupt nicht möglich gewesen.“ Auch Hannes fühlte sich riesig geehrt. Wer wird schon von einem Erzengel gelobt?
„Und was mich sehr beeindruckt hat“, sprach Michael weiter, „…war, wie vernetzt du bist. In welcher Geschwindigkeit du so ein beeindruckendes Spektakel organisieren kannst, weil du so viele Kontakt über die ganze Welt hast.“ Michael schaute nach diesen Worten eine Weile stumm an die Wand und alle wussten, dass er wohl gerade nachdachte. „Wisst ihr, ich glaube, das ist die Lösung für das Problem der Menschen. Sie müssen alle genauso vernetzt sein, wie Hannes das ist. Dann ist keiner alleine und in Windeseile können Dinge aus dem Boden gestampft werden, die man vorher kaum denken konnte. Also ich hätte mir das alles heute Morgen, als wir in der U-Bahn-Passage aufgewacht sind, noch nicht vorstellen können.“
Nun wurden alle ein wenig ruhiger. Die große Aufregung hatte sich gelegt. Das Filmteam ließ alles stehen und liegen und machte sich auf den Weg in den wohlverdienten Feierabend. „Ich möchte ja nicht unverschämt sein“, sagte Luisa. Alle schauten sie überrascht an. „Ich habe schrecklichen Hunger“, sagte sie. Und in diesem Moment merkten sie, dass sie alle Hunger hatten. „Wie wäre es, wenn ich uns allen Pizza bestelle?“, fragte Martin. Dann hielt er kurz inne und wirkte bedrückt. „Ich habe aber leider noch keine Einnahmen gehabt, sonst würde ich euch jetzt alle gerne einladen. Das ist mir nun sehr peinlich. Ich war gerade in so einer Euphorie, dass ich ganz vergessen habe, dass ich ja immer noch ein obdachloser Bettler bin.“
Sofort startete ein Stimmentumult. Phanuel machte sich energisch bemerkbar. „So, nun möchte ich dazu etwas sagen: Es ist das Beste, Martin, was dir passieren kann, dass Du vergisst, dass du eigentlich kein Geld hast. Weil das mit dem heutigen Tag auch ganz sicher Geschichte ist. Es gibt so viel zu tun und es existieren sicher Möglichkeiten, dass du dafür entsprechend entlohnt wirst. Ich freue mich sehr, dass du dich gedanklich schon aus deiner misslichen Lage befreit hast. Hier ist genügend Geld. Das übergebe ich dir jetzt. Bitte sorge dafür, dass wir zumindest einmal am Tag alle etwas zu essen bekommen. Wir haben so viel zu tun, wir vergessen das sonst. Zumal wir Engel auch gar nicht gewohnt sind zu essen.“ Mit diesen Worten übergab Phanuel Martin ein ganzes Bündel Scheine.
Martin zögerte zunächst und nahm das Geld dann aber doch an. Es fühlte sich plötzlich richtig an, wieder Geld in der Tasche zu haben. Klara meldete sich nun auch zu Wort: „Ich versorge uns tagsüber mit Tee und Keksen und das Abendessen organisiert Martin.“ Alle stimmten hoch erfreut zu.
Martin bestellte Pizza und die Engel trugen noch eine Menge Matratzen und Decken aus Klaras Wohnung in die Werkstatt und richteten sich ein Schlaflager ein. Martin hatte sie eingeladen, doch gleich bei ihm zu schlafen. Sie hatten gerne angenommen, weil sie dadurch am wenigsten Zeit verlieren würden. Sie könnten einfach schlafen und dann gleich weiterarbeiten. Es gab wahnsinnig viel zu planen und zu tun.
Die Pizza kam sehr schnell, und noch während sie kauten, merkten sie alle, dass ihnen die Augen schon zufallen wollten. Bis hierher hatten sie gar nicht bemerkt, wie schrecklich müde sie waren. Aber sie plauderten noch eine ganze Weile. Martin wollte alles über Mongila wissen und Klara saß schweigend und mit leuchtenden Augen zwischen ihnen. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie glücklich mich das alles macht“, sagte sie und in ihren Augen glitzerten Tränen. „Ich war so viele Jahr so schrecklich einsam und habe oft nur darauf gewartet, auch endlich sterben zu dürfen um wieder bei meinem Mann und meinem Sohn sein zu können. Alles hier erschien mir sinnlos.
Und innerhalb dieser wenigen Tage durfte ich erleben, wie es ist, wenn man morgens fröhlich erwacht und wenn der Tag so turbulent ist, dass man gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergeht. Bis dahin erschienen mit die Tage oft endlos und schrecklich öde und einsam. Und nun sitze ich müde und froh mit Menschen und Engeln in dieser Werkstatt und kann mein Glück kaum fassen.“ Theo lehnte sich an Klara und drückte sie ein wenig. Er hatte sie schon sehr ins Herz geschlossen und freute sich riesig mit ihr. „Klara, ohne dich und dein großes Herz wären wir jetzt alle nicht hier. Du hast dies erst ermöglicht und ich bin dir unendlich dankbar“, sagte Martin.
Plötzlich hörten sie ein seltsames Geräusch aus der Ecke hinter dem Ofen. Als sie sich vorsichtig näherten, fanden sie Hannes, der einfach eingeschlafen war und leise vor sich hin schnarchte. „Ich vermute, Hannes wird heute auch hier schlafen“, sagte Martin und deckte ihn zu.
Klara stand auf und wünschte allen eine gute Nacht. Martin und die Engel legten sich auch nieder. Ein wenig redeten sie noch, aber nach und nach schliefen sie alle ein. Morgen würden sie wieder einen anstrengenden Tag haben. Sie mussten ausgeruht sein.
Und was nun als nächstes auf dem Programm steht, erfahrt ihr morgen.
Ich wünsche euch allen eine wunderbare gute Nacht und schlaft schön!
Während sie die Werkstatt vorbereiteten, erzählte Luisa Hannes die Geschichte von Mongila in Bangladesch. Hannes wurde ganz aufgeregt. „Ihr habt so ein Projekt auch in Bangladesch gestartet?“, fragte er. „Wie weit ist diese Frau mit den Vorbereitungen?“, fragte er. „Das weiß ich nicht. Aber vielleicht können die Erzengel dies in Erfahrung bringen“, sagte Luisa. Für diese war das kein Problem, schließlich hatten sie oben in der Engel-Welt ja die großen Engel, die den Überblick bewahrten.
Gabriel erklärte sich bereit, dies augenblicklich in Erfahrung zu bringen. Kurze Zeit später kam er zurück und sagte, dass Mongila und ihre Kolleginnen schon die ersten Materialen erhalten, und sieben Frauen des Dorfes bereits aus den Fabriken zurückgeholt hatten. „Oh Mann! Der absolute Hammer wäre, wenn wir von zwei Orten aus berichten könnten. Aber bis ihr ein Flugzeug nach Bangladesch habt, vergehen Tage.“ Hannes dachte angestrengt nach. Da mischte sich Phanuel ein: „Wir brauchen kein Flugzeug. Es wäre leicht möglich, dass einer der beiden Jung-Engel und zwei von uns in wenigen Minuten in Bangladesch sein können…“ Nun schaute Hannes ungläubig. „Okay…wie geht das?“ Phanuel zuckte die Schultern. „Das darfst du uns überlassen. Ich sage nur, dass es geht.“ Hannes zog sein Telefon aus der Tasche. „Wo genau in Bangladesch ist das?“ „Das Dorf heißt Bonnotola“, sagte Luisa.
Hannes rief im Sender an und beauftragte eine Mitarbeiterin damit, ein Filmteam in Bangladesch zu organisieren. Nach einigen Telefonaten war geklärt, dass innerhalb der nächsten zwei Stunden auch in Bonnotola ein Filmset aufgebaut werden könne. „Okay, wer von euch geht jetzt nach Bangladesch?“, fragte Hannes. Die Erzengel berieten sich kurz und entschieden, dass Luisa, begleitet von Gabriel und Michael nach Bangladesch reisen sollte. Theo würde hierbleiben, um beim Interview mit Martin und Klara mitzuwirken. Phanuel organisierte die Abreise der drei Engel nach Bangladesch. Sie mussten sich beeilen, schließlich wusste Mongila noch von gar nichts, und es wäre besser, wenn die Engel vor dem Filmteam eintreffen würden.
Auch wenn Hannes sehr neugierig war und gerne gesehen hätte, wie die Engel reisten, erlaubten die Erzengel nicht, dass er zuschaute, wenn die drei sich auf die Reise machten. Kurze Zeit später kehrte Phanuel zurück. Die drei waren weg. Hannes rieb sich nur noch das Kinn. Das war das Aufregendste, was er jemals erlebt hatte. Immer wieder klopfte er Martin auf die Schulter.
Es dauerte nicht lange, bis das ganze Filmteam eintraf. Klara hatte vorne die große Toreinfahrt geöffnet, sodass sie mit dem Transporter direkt vor die Werkstatt fahren konnten. Martin bewunderte Hannes, wie er souverän die Mitarbeiter dirigierte, sodass innerhalb kürzester Zeit ein richtiges Filmset entstand. Noch einmal besprachen sie die Details und dann ging es auch schon los. Immer wieder telefonierte Hannes mit seinen Mitarbeitern, weil sie planten, zwischendurch live nach Bangladesch zu schalten.
Hannes entschied, dass sie zunächst einen Probedurchgang in der Werkstatt machten und dann live übertragen würden. Dazwischen klärte er mit den Mitarbeitern im Sender, welche Sendungen wie und wohin verschoben werden mussten. Diese begannen auch sogleich, die geplante Sondersendung anzukündigen. Hannes war ganz in seinem Element.
Martin und Klara hingegen waren schrecklich nervös. Klara knetete ein Taschentuch in ihren Händen. Sie war einerseits erfreut, über die viele Abwechslung, aber sie war noch nie vor einer Kamera gestanden und hatte schrecklich Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun.
Martin versuchte, sich an die Zeit zu erinnern, in der er es gewohnt war, vor vielen Menschen zu sprechen. Er holte sich ganz bewusst alle Erfolge der damaligen Zeit ins Gedächtnis. Doch das linderte seine Aufregung nur wenig. Er war nicht mehr der Martin von damals. Die Zeit auf der Straße hatte sein Selbstbewusstsein schrumpfen lassen und die fehlenden Schneidezähne machten es nicht einfacher. Aber seine Rolle war ja nun auch die, des geretteten Obdachlosen. Er durfte aussehen, wie er aussah.
Luisa, Michael und Gabriel kamen nur wenige hundert Meter vor dem Dorf Bonnotola an. Rasch gingen sie zu Mongilas Haus. Mongila erkannte Luisa schon von Weitem und rannte ihr fast entgegen. „Luisa, wie schön, dich zu sehen. Ich will dir zeigen, was wir in den paar Tagen schon geschaffen haben“, sagte sie atemlos und schaute dann erst zu Gabriel und Michael. Diese begrüßten sie herzlich. Sie spürten auch bei Mongila diese besondere Kraft, die sie schon bei Martin erkannt hatten. Mongila bog nicht zu ihrer Hütte ab, wie Luisa es vermutet hatte, sondern sie führte sie mitten ins Dorf und zeigte ihnen ein größeres Gebäude, das vorher noch nicht dort gestanden hatte. „Das haben die Männer des Dorfes für uns gebaut. Es ist zwar sehr einfach, aber es genügt. Das ist jetzt unsere kleine Fabrik hier im Dorf. Jede Frau hat hier einen Arbeitsplatz, sodass wir uns auch gegenseitig helfen können. Und dort drüben werden wir ein weiteres Haus bauen, als Schule für die Kinder.“ Mongila platzte fast vor Begeisterung und Stolz. Luisa konnte nicht anders, als sie einmal fest in den Arm zu nehmen. Wie wunderbar, dass sie sich so einsetzte! Mit ihr hatten sie einen großen Glücksgriff gemacht.
Mongila musste Tag und Nacht gearbeitet haben, denn alles war perfekt geplant und vorbereitet. Einige Maschinen und Materialien fehlten noch, aber sie hatten alles, was im Dorf vorhanden oder bereits geliefert war, in dieses neue Gebäude gebracht. Kaum hatten sie alles gesehen, entstand ein Tumult im Dorf. Mongila lief um zu schauen, und Luisa lief neben ihr her, um ihr zu sagen, dass sie ein Filmteam erwarteten. Und tatsächlich, dieses traf auch bereits ein. Luisa erklärte Mongila, was sie planten und dass sie heute Abend live im Fernsehen sein würde. Mongila fiel vor Schreck fast um. „Kannst du den anderen Frauen Bescheid geben, damit wir die Geschichte live erzählen können?“, fragte Luisa. „Natürlich! Die meisten sind sowieso gleich wieder da. Sie sind nur rasch nach Hause gegangen, um mit ihren Kindern zu Abend zu essen. Wir arbeiten hier fast rund um die Uhr. Aber wir sind so glücklich wie noch nie“, sagte Mongila und strahlte dabei.
Mittlerweile waren auch ihre Kinder eingetroffen und hängten sich bei Luisa ein. Gabriel und Michael staunten. Wie großartig Luisa das alles machte! Es erschien ihnen fast, als hätte sie ewige Zeiten hier verbracht, dabei waren es nur zwei Tage gewesen.
Auch in Bonnotola war das Filmteam höchst professionell. Sie entschieden sich, direkt bei der kleinen, neu erbauten Dorf-Fabrik zu filmen. Mongila ließ es sich nicht nehmen, rasch nach Hause zu laufen und ihre schönsten, farbenprächtigen Kleider anzulegen. Die anderen Frauen taten es ihr nach. Indessen baute das Filmteam alles auf, was sie brauchten. Einer der Männer gab Luisa das Telefon. Hannes war dran. „Alles okay bei euch?“, fragte er. „Alles okay und noch viel mehr“, antwortete Luisa und lächelte. Sie klärten rasch den Ablauf. Hannes hatte es tatsächlich geschafft, dass die Live-Sendung aus Wien und Bonnotola auch in Bangladesch live ausgestrahlt werden würde. Das war großartig!
Gabriel und Michael ließen sich von den anderen Frauen, die mittlerweile festlich gekleidet zurückgekehrt waren, erklären, wie dieses Projekt ihr ganzes Leben verändert hatte. Sie erfuhren nun aus erster Hand, was die beiden Jung-Engel in so kurzer Zeit erreicht hatten. Und sie waren mächtig stolz auf Theo und Luisa. Was für tüchtige Engel sie doch waren!
Und dann ging es auch schon los. Offenbar hatte die Übertragung aus Wien auch schon begonnen. Hier in Bonnotola hatten sie keine Zeit gehabt zu proben, aber sie würden das schon schaffen. Das Filmteam zeigte ihnen, wie und wo sie sich aufstellen sollten, sodass die Zuschauer möglichst viel Atmosphäre erleben konnten.
Die ganze Übertragung lief fast eineinhalb Stunden. Zuerst erzählte Martin in kurzen Sätzen seine Geschichte als Obdachloser. Er schilderte die Nächte auf der Straße, erzählte von der Kälte und der Gewalt, die er erlebt hatte und wie plötzlich Luisa, Theo und Klara in sein Leben getreten waren.
Er schilderte auch, was er nun vorhatte und wie er die Wagen für die Menschen auf der Straße bauen würde. Klara erzählte, wie einsam sie zuvor gewesen war und wie Theo, Luisa und Martin ihrem Leben eine völlig neue Richtung und neuen Sinn gegeben hatten.
Danach schalteten sie direkt nach Bangladesch, wo Mongila ihre Geschichte erzählte. Wie sie ihre Kinder verlassen musste, um in der Fabrik, weit von ihrem Zuhause entfernt, zu arbeiten. Wie sie jeden Tag geweint und sich um ihre Kinder gesorgt hatte. Und sie erzählte, wie sich ihr Leben verändert hatte, seit Luisa und Theo aufgetaucht waren. Die Filmteams machten eine gute Arbeit und fingen an beiden Orten die Atmosphäre der Hoffnung und Geschäftigkeit ein.
Noch während die Sendung lief, erhielt Hannes die Informationen, dass im Sender bereits jetzt schon die Telefone heiß liefen. Er telefonierte, sprach, moderierte, rief die Menschen auf, jetzt auf der Stelle ihre Ideen mitzuteilen um damit das größte Weihnachtswunder aller Zeiten zu initiieren. Und er wusste bereits jetzt, dass sie einen riesigen Erfolg haben würden.
Auch im Sender in Bangladesch liefen die Telefone heiß. Von überall auf der ganzen Welt kamen Anrufe herein und er wusste bereits jetzt, dass arbeitsreiche Wochen vor ihnen lagen. Aber was tat man nicht alles, um die Welt zu retten!
Und wie es weitergeht erfahrt Ihr morgen!
Ich wünsche Euch allen eine gute Nacht! Schlaft gut und drückt die Daumen, dass wir in diesem Jahr das größte Weihnachtswunder aller Zeiten erleben werden!
Mitten in der Nacht wachten Luisa, Theo, Uriel und Raphael auf. Und Michael, Phanuel und Gabriel legten sich schlafen. Es waren nicht mehr viele Menschen unterwegs und so hatten die beiden Jung- Engel Luisa und Theo genügend Zeit, sich mit den Erzengeln zu unterhalten. Es war der frühe Morgen des zweiten Advents.
„Was ist es eigentlich, was die Menschen so bedroht?“, fragte Theo. Diese Frage bewegte ihn schon die ganze Zeit. Raphael wiegte den Kopf hin und her. „Es sind mehrere Dinge. Erstens bedrohen sich die Menschen selbst durch ihre Bequemlichkeit. Das bedeutet, dass sie nicht die Dinge tun und verändern, die sie eigentlich tun sollten. Und zum anderen sind die dunklen Mächte gerade im Begriff, die Menschen wegen ihrer Bequemlichkeit zu übernehmen. Und wenn die dunklen Mächte die Menschen übernehmen, dann sieht es übel aus. Das wird dann eine sehr lange Zeit dauern, bis die Menschen die nächste Chance erhalten werden, sich zu befreien.“ Theo hörte gespannt zu. „Aber warum wollen die dunklen Mächte die Menschen übernehmen? Was haben sie davon?“ Raphael atmete tief ein. „Das ist eine schwierige Frage und ich weiß gar nicht, ob ich mit einem Jung-Engel darüber sprechen sollte. Aber nun sitzen wir alle hier in dieser U-Bahn Passage und versuchen zu retten, was zu retten ist, also spreche ich auch mit euch darüber.“ Raphael schwieg eine Weile, als überlegte er, womit er beginnen sollte.
„Hört gut zu“, sagte er zu Luisa und zu Theo gewandt. „Die Menschen wissen es nicht, aber eigentlich sind sie dazu bestimmt, dass sie eines Tages auch zu Engeln werden. Das ist der göttliche Plan für die Menschen. Und eigentlich sah es in den letzten Jahren schon ganz gut aus. Eine Menge Menschen hatten begonnen, sich für die Erde einzusetzen. Sie hatten erkannt, dass sie sich auch für die anderen Menschen einsetzen müssen und nicht nur an sich denken dürfen. Und sie hatten auch begonnen, sich für die Tiere einzusetzen. Aber eine große Anzahl von dunklen Kräften war immer stärker und hatte die Bemühungen derjenigen Menschen, die schon erkannt hatten, was sie zu tun haben, wieder zerstört. Die dunklen Mächte haben riesige Tierfabriken durch die Menschen bauen lassen. Sie haben dafür gesorgt, dass natürliche Heilmittel immer mehr verdrängt wurden und sie haben große Fabriken gebaut, in denen Substanzen hergestellt werden, die die Menschen nicht gesünder, sondern immer schwächer machen. Aber es gab immer Menschen, die sich dadurch nicht beirren ließen. Und nun haben die dunklen Mächte beschlossen, dass die Menschen viel weniger Freiheiten haben sollten.“
An dieser Stelle hörte Raphael auf, weil eine Gruppe junger Leute auf sie zukam. Die vier Engel setzten sich auf und konzentrierten sich auf die Herzen dieser Menschen, die gerade auf sie zukamen. Es waren drei junge Burschen und zwei junge Frauen. Als sie näherkamen, verlangsamten die fünf ihre Schritte und schauten die vier Engel an. Luisa und Theo bekamen Angst. Ihnen fielen gerade wieder die Geschichten ein, die Martin ihnen erzählt hatte. Luisa schloss vor Schreck die Augen.
Als sie die Augen wieder öffnete, standen die fünf jungen Leute direkt vor ihnen. Die Mädchen gruben in ihren Taschen und warfen ihnen ein paar Münzen auf die Decke. Uriel nickte ihnen zu und bedankte sich. Eines der Mädchen sagte: „Irgendwas ist komisch mit euch. Ihr seht gar nicht wie Obdachlose aus.“ Raphael zuckte mit den Schultern und sagte: „Was genau ist bei uns anders?“ Das Mädchen dachte eine Weile nach und sagte dann: „Ich kann es nicht erklären, aber ihr leuchtet irgendwie. Ihr habt eine andere Ausstrahlung.“ Uriel sog die Luft zwischen den Zähnen ein. „Echt. Das ist ja interessant“, sagte er betont gleichgültig. Noch eine Weile starrte das Mädchen sie an, dann gingen sie weiter. „Seht ihr“, sagte Raphael zu Luisa und Theo. Es gibt Menschen, die schon viel mehr wahrnehmen als andere Menschen. Das sind die Hoffnungsträger. Aber sie wissen es nicht. Und wir müssen nun Wege finden, wie wir ihnen das vermitteln können.“
„Und glaubst, du, was wir hier machen ist der richtige Weg?“, fragte Luisa nun, die schon die ganze Zeit insgeheim zweifelte, dass dieser Weg der beste war. Raphael zuckte erneut mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Dadurch, dass wir uns nicht richtig einmischen dürfen, haben wir beschlossen, dass wir nur auf diese Art und Weise arbeiten werden. Aber ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob wir dabei genügend erreichen. Selbst wenn wir die Herzen der Menschen erreichen, wissen wir nicht, ob sie dann auch etwas damit tun. Und die Tatsache, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt, macht das Ganze noch schwieriger.“
Luisa schaute sich um. Die Trostlosigkeit der Menschenwelt bedrückte sie. Alles war dunkel, schmutzig und roch auch nicht gut. Naja, sie waren auch in einer U-Bahn-Passage. Das war bestimmt nicht der schönste Platz. Aber sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie immer noch auf dem falschen Weg waren. Insgeheim wunderte sie sich auch darüber, dass die Erzengel keine bessere Idee hatten. Die großen Engel, die ihre Mission bewachten, offenbar auch nicht. Wie konnte es sein, dass sie als kleiner Jung-Engel offenbar mehr an der Sache zweifelte als die anderen? Vielleicht lag sie ja falsch und alles war richtig wie es war. Aber sie glaubte es nicht wirklich.
Es kamen nur wenige Menschen vorbei bis die drei anderen Erzengel Michael, Gabriel und Phanuel wach wurden. Als sie wieder zu siebt auf der Decke saßen und darüber sprachen, was sie bisher vielleicht erreicht oder auch nicht erreicht hatten, schweifte Luisa immer wieder mit ihren Gedanken ab. Sie hatte das Gefühl, sie mussten hinausgehen und zu den Menschen sprechen, aber sie wusste nicht, was sie ihnen sagen sollten.
Vermutlich würden die Menschen ihnen gar nicht zuhören. Draußen war alles so laut und die Menschen waren so eilig. Sie mussten einen anderen Weg finden, wie sie sich Gehör verschafften. Sie dachte sogar darüber nach, ob die Methode, wie sie mit Martin und Mongila gearbeitet hatten, nicht doch die viel bessere Methode war. Martin! Sie mussten zu Martin gehen. Sie hatte schon gestern Abend das Gefühl gehabt, dass sie mit Martin sprechen sollten. Vielleicht sollten sie ihn ja einweihen?
Ihr großes Problem war ja, dass sie sich in der Menschenwelt gar nicht auskannten. Martin kannte sich perfekt aus und das würde wahrscheinlich viel Zeit sparen. Jetzt brauchte sie nur noch genügend Mut, um den anderen zu sagen, was sie dachte. Aber diese hatten schon längst bemerkt, dass Luisa gar nicht der Unterhaltung zuhörte, sondern ihren eigenen Gedanken nachhing. Und sie warteten schon gespannt darauf, was sie zu sagen hatte. Als Luisa sich endlich ein Herz gefasst hatte, um die anderen in ihre Idee einzuweihen, schauten diese schon alle zu ihr.
„Warum starrt ihr mich alle an?“, fragte sie und es war ihr schrecklich unangenehm. „Wir können zwar hier in der Menschenwelt nicht deine Gedanken lesen, wie wir es in der Engel-Welt können, aber wir konnten förmlich hören, dass du angestrengt gedacht hast“, sagte Phanuel. Luisa lachte nun. „Ja, das stimmt. Ich wusste gar nicht, dass ich so laut denke“, sagte sie und erzählte den sechs anderen Engeln von ihren Gedanken.
Als sie geendet hatte, waren alle erst einmal sehr schweigsam. Wollten sie wirklich einen Menschen in ihren Plan einweihen? Durften sie das überhaupt? Es entstand eine lange Diskussion. Theo, der Martin ja auch kannte, war ganz Luisas Meinung. Michael und Raphael ebenfalls. Aber Phanuel, Gabriel und Uriel waren skeptisch. Auf der anderen Seite hatten sie sehr viel zu verlieren, wenn sie nicht endlich einen Weg finden würden, wie sie mehr und schneller die Menschen erreichen konnten. Sie mussten noch so unendlich viel Licht in die Welt der Menschen bringen, dass es schon fast unmöglich erschien. Die Menschen waren nur sehr schwer zu erreichen. Und sie als Engel waren auch viel zu wenig vertraut damit, wie sie das schaffen könnten. Irgendwann kamen sie zu der Entscheidung, dass sie einen Versuch starten wollten. Sie wussten ja nicht einmal, ob Martin noch in der Tischler-Werkstatt war, oder ob er nicht mittlerweile weitergezogen war. Somit machten sie sich auf den Weg. Es war ein seltsamer Anblick, als die sieben Engel sich auf den Weg zu der Tischler-Werkstatt machten.
Als sie ankamen, öffnete Martin höchst erfreut die Tür. So viel Besuch hatte er nicht erwartet. Und sie kamen lange nicht dazu, ihr Anliegen vorzubringen, denn Martin war vor Begeisterung nicht zu halten und erzählte, was er in den letzten Tagen alles in die Wege geleitet hatte. Er hatte schon drei weitere Menschen ohne Wohnung gefunden, die ihm bei der Arbeit helfen würden, sobald er alles vorbereitet hatte. Dies wollte er noch alleine und in aller Ruhe tun. Klara und er waren mittlerweile auch schon gute Freunde geworden und sie versorgte ihn offensichtlich rührend mit Essen. Martin erzählte, dass sie mehrmals täglich kam und ihm auch von ihrem Leben berichtete, das sie führte, als ihr Mann und Sohn noch lebten und bestätige Martin, dass sie sich sehr darüber freute, dass wieder Leben in die Werkstatt einzog.
Während er berichtete, schauten sich Theo und Luisa um. Sie hatten die Werkstatt ja zuvor gesehen und das, was Martin nun daraus gemacht hatte, versetzte sie in Erstaunen. Alles war blitzblank sauber. Ein paar Maschinen lagen in ihren, ordentlich sortierten, Einzelteilen auf den Tischen. Martin war ganz offensichtlich dabei, den ganzen Maschinenpark zu pflegen und neu zu gestalten.
Während er noch sprach, kam Klara herüber und erklärte sich bereit, wieder einmal Tee und Kekse zu servieren und alle sieben Engel erlebten, wie das Glück in die Herzen der beiden eingezogen war.
Sie würden sich wohl noch etwas gedulden müssen, bis sie Martin ihr Anliegen vortragen konnten. Aber die Wärme und die Behaglichkeit in der Werkstatt gefiel ihnen und sie spürten alle sieben, dass der Schritt, sich einem Menschen anzuvertrauen, wohl doch der gute und richtige Schritt war.
Und wie Martin auf die Geschichte der sieben Engel reagieren wird, erfahrt Ihr morgen.
Ich wünsche Euch allen eine wunderbare und ruhige Nacht.
Der nächste Morgen war schnell da. Luisahim und Theorahel waren schrecklich aufgeregt. Immerhin würden sie heute gemeinsam mit den Erzengeln auf die Erde reisen. Luisahim war sich nicht sicher, ob sie sich mehr freute, oder ob sie mehr Angst hatte. Doch sie entschloss sich, dass die Freude überwog. Es war die aufregendste Vorweihnachtszeit, die sie jemals erlebt hatte. Theorahel stimmte ihr zu. Ja, das war es wohl wirklich. Sie hatten eine ganz besondere Mission und wollten diese gut erfüllen.
Die Erzengel standen schon beisammen als sie in die große Halle kamen. Offenbar hielten sie noch eine Besprechung ab. „Ah, da seid ihr ja“, sagte Phanuel, als er sie sah. „Wir haben noch ein paar Fragen an euch“ sagte Michael. Luisahim und Theorahel waren überrascht. Normalerweise hatten sie, die Jung-Engel, Fragen an die Erzengel, nicht umgekehrt. Aber es fühlte sich richtig gut an. „Wie ist das mit dem Essen? Wir werden ja essen müssen, wenn wir so lange als Menschen unterwegs sind“, sagte Michael. „Ja, das ist ganz lustig. Manche Dinge schmecken richtig süß im Mund und andere prickeln so seltsam. Dazu sagen die Menschen, dass es scharf sei. Manche Dinge sind auch ganz weich im Mund und andere sind eher krümelig und man muss sie gut kauen. Aber essen macht richtig Spaß“, antwortete Theorahel. Die Erzengel nickten. Ein paar von ihnen hatten das schon erlebt, aber es war schon sehr lange her und sie konnten sich nicht mehr richtig daran erinnern.
Gut, dann werden wir noch rasch schauen, ob die Großen soweit fertig sind, dass sie uns hinunterschicken können. Alles war vorbereitet. War es vorher schon eine recht spannende Mission, als nur Luisahim und Theorahel auf die Erde geschickt wurden, so war es jetzt ein riesengroßes Unterfangen und sorgte auch in der Engelwelt für Aufsehen. Zumal keiner wusste, wann sie wieder zurückkommen und was ihnen als Menschen alles widerfahren würde. Aber es war ein beruhigender Gedanke, dass die großen Engel ein wachsames Auge auf sie haben würden, auch wenn sie nicht in jeder Situation helfen konnten. Sie mussten also insgesamt alle sehr wachsam sein und auch selbst gut auf sich aufpassen.
Raphael, Phanuel, Michael, Uriel und Gabriel stellten sich mit Luisahim und Theorahel im Kreis auf. „Eine Frage habe ich noch“, sagte Luisahim. „Werdet ihr in der Menschenwelt die gleichen Namen haben wie hier?“ Michael lachte. „Darüber haben wir auch schon nachgedacht. Wir Erzengel können keine anderen Namen annehmen, weil wir mit diesen Namen ganz eng verbunden sind. Michael, Raphael und Gabriel sind ja auch in der Menschenwelt gebräuchlich. Die Menschen haben ihre Kinder nach uns benannt. Uriel und Phanuel werden eher auffallen, aber heutzutage geben die Menschen ihren Kindern auch sehr ungewöhnliche Namen. Ich denke, wir werden uns dadurch nicht verraten.“ Luisahim und Theorahel nickten. „Seid ihr bereit?“, fragte Uriel. „Ja“, tönte es im Chor. Und die Großen, die jetzt dafür sorgten, dass der Wirbel sie in die Menschenwelt brachte, winkten noch einmal. Dann setzte auch schon der Wirbel ein. Luisa und Theo – wie sie ja in der Menschenwelt hießen, hielten sich ein wenig an den Erzengeln fest, da der Wirbel heute viel stärker war, als an den Tagen zuvor. Immerhin mussten ja auch sieben Engel auf die Erde gebracht werden.
Als der Wirbel nachließ, standen sie direkt wieder in der Wiener Innenstadt und zwar genau an dem Platz an dem Luisa und Theo das erste Mal standen, als sie später Martin getroffen hatten. Luisa und Theo gaben den Erzengeln etwas Zeit sich umzuschauen, bevor sie fragten, was sie jetzt tun würden. Michael sagte: „Gehen wir los. Wir müssen eine Ort finden, an dem viele Menschen sind und dann werden wir es euch erklären.“ Sie gingen eine Weile schweigend durch die Innenstadt, durch breitere und schmalere Gassen. Allerdings gingen sie so schnell, dass kaum Zeit blieb, sich etwas umzuschauen. Aber bald schien der richtige Ort gefunden zu sein. Michael breitete eine dicke Decke aus, die er mitgebracht hatte und bat alle, sich auf diese Decke in einen Kreis zu setzen. Luisa musste ein wenig kichern. Es war schon seltsam, dass mitten in einer Stadt sieben Engel im Kreis saßen, von denen die Menschen glaubten, dass sie ebenfalls Menschen wären.
„So, um uns herum sind viele Menschen. Wir werden uns nun, ohne dass wir schauen, auf die Herzen der Menschen, die um uns herumgehen konzentrieren und goldenes Licht in die Herzen schicken. Wir werden vielleicht keine Veränderung bemerken, aber ich weiß, dass wir damit Erfolg haben können.“ Alle anderen Engel nickten und so saßen sie nun zu siebt im Kreis, schlossen die Augen und erfühlten die Menschen um sie herum. Und wenn sie einen Menschen in ihrer Nähe fühlten, schickten sie goldenes Licht zu seinem Herzen. Und dies machten sie über eine sehr lange Zeit.
Anfangs hatte Luisa tatsächlich das Gefühl, dass sie damit überhaupt nichts veränderten. Die Menschen gingen genauso an ihnen vorbei, wie sie vermutlich an allen anderen Menschen vorbeigingen. Aber dann kam eine Mutter mit drei recht kleinen Kindern, eines davon saß in einem Kinderwagen und die anderen beiden zog sie schimpfend hinter sich her. Alle drei Kinder weinten, die Mutter schimpfte und es fühlte sich an, als ob sie selbst den Tränen nahe war. Und offenbar hatten alle sieben Engel diese Mutter mit ihren Kindern erfühlt und schickten nun all ihr Licht zu ihr und den Kleinen. Und je näher sie kam, desto ruhiger schienen die Kinder zu werden. Als sie an ihnen vorbeigingen, weinte keines der Kinder mehr. Auch die Mutter war ruhiger geworden. Und so schickten sie noch viel mehr von dem goldenen Licht zu den Herzen der Frau und der Kinder.
Luisa und Theo waren beruhigt. Es schien zu wirken. Sie hatten noch nicht diese tiefe Gewissheit, die die Erzengel hatten. Schließlich waren sie noch lange nicht so erfahren. Und genau dies taten sie den ganzen Tag lang. Nach etlichen Stunden begannen sie müde zu werden. Sie standen auf und streckten ihre Beine aus. In der Menschenwelt konnten auch Engelbeine einschlafen und daher fühlten sie sich nun alle müde und ganz steif. „Nun habe ich aber Hunger“, sagte Theo. „Ja, ich glaube, auch mein Bauch könnte nun etwas vertragen“, sagte auch Uriel. Gabriel, Raphael, Phanuel, Michael und Theo nickten. „Dort drüben kann man etwas zu essen kaufen. Haben wir Geld?“, fragte Luisa, die ganz stolz war, dass sie wusste, dass man dazu Geld brauchen würden.
„Ja, wir haben Geld“, sagte Raphael und gemeinsam gingen sie zu dem Laden und holten sich viele leckere Dinge, die sie gemeinsam verspeisten. Es schmeckte sehr gut. Aber nach dem Essen wurden sie alle schrecklich müde und es tat sich die Frage auf, wo sie die Nacht verbringen würden. „Wir könnten zu Martin gehen und fragen, ob wir bei ihm schlafen können“, sagte Luisa. Die Erzengel schüttelten den Kopf. „Nein, da ist die Gefahr viel zu groß, dass wir uns verraten. Wir werden es machen müssen wie die Menschen, wenn sie kein Zuhause haben. Wir suchen uns einen Platz, der windstill ist und schlafen auf dem Boden.“, sagte Raphael. Luisa und Theo erschraken. Martin hatte ihnen viele schlimme Dinge erzählt, die passieren, wenn man auf der Straße schläft. „Ihr müsst keine Angst haben. Uns wird schon nichts passieren. Wir sind Engel. Und auch wenn die Menschen das nicht wissen, so spüren sie doch, dass wir anders sind als sie. Sie werden uns also nichts tun“, sagte Michael.”Außerdem schlafen wir nicht alle zur gleichen Zeit.”
Sie schauten sich um. Es war Dezember und es war schrecklich kalt, es wäre gut, wenn der Platz geschützt wäre. Sie entschieden sich, in einer U-Bahn Passage zu schlafen. Gemeinsam suchten sie einen passenden Ort und breiteten dort ein paar Decken aus. „Wir machen es so, zuerst schlafen Luisa, Theo, Uriel und Raphael. Michael, Phanuel und ich bleiben wach und wir setzen unsere Arbeit hier fort. Hier sind auch nachts viele Menschen unterwegs. Wenn ihr ausgeschlafen habt, wechseln wir. Dann arbeitet ihr weiter und wir schlafen“, sagte Gabriel. Luisa und Theo waren sehr müde. Uriel und Raphael schienen auch nichts dagegen zu haben, eine Runde zu schlafen. Sie legten sich hin und waren fast augenblicklich tief eingeschlafen.
Währenddessen wurden die Menschen, die bei ihnen vorbeikamen weniger und oft konzentrierten Michael, Phanuel und Raphael sich auf die gleichen Menschen. Und sie spürten, wie die Herzen sich unter dem Licht öffneten. Sie fanden es schade, dass die nicht wussten, was danach passierte, aber sie spürten, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Es war nicht so einfach, den Menschen zu helfen, wenn sie nicht darum gebeten hatten. Sie durften sich ja nicht ungefragt einmischen. Aber Licht zu den Herzen schicken, das durften sie immer.
Und so saßen die drei in der U-Bahn Unterführung. Die Menschen gingen achtlos an ihnen vorbei, merkten zwar, dass ihr Herz plötzlich leichter wurde, aber sie wären niemals auf die Idee gekommen, das dies mit der Gruppe von scheinbar Obdachlosen zusammenhing, die hier in der U-Bahn ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Die Menschen gingen ahnungslos an sieben Engeln vorbei.
In diesem Sinne wünsche ich Euch eine gute Nacht – morgen geht das Abenteuer der sieben Engel in der Menschenwelt weiter.
Unten zum Lesen und oben als Video – wie es Euch besser gefällt.
Gabriel erwartete die beiden am nächsten Morgen und holte sie in den großen Besprechungsraum, wo alle Engel und auch das höchste Sonnenwesen versammelt waren. Zuerst wurden die beiden sehr gelobt. Hatten sie es doch geschafft, in vier Tagen zwei riesige Projekte in die Welt zu bringen, die unter Umständen für viele Menschen eine große Erleichterung sein konnten. Jetzt kam es auf die Menschen an. „Ihr habt sehr gute Arbeit geleistet“, sagte Phanuel und schaute die beiden freundlich an.
Luisahim und Theorahel freuten sich riesig. Es war schon etwas Besonderes, von den Erzengeln so gelobt zu werden. Cherubim und die ganzen anderen sehr hohen Engel strahlten sie mit ihrem wunderbaren Licht an. Die beiden Jung-Engel spürten die Wärme und Liebe, die sie dadurch empfingen. Phanuel fuhr fort: „Heute werdet ihr nicht auf die Erde reisen. Wir haben heute viel zu besprechen. Wir haben festgestellt, dass das alles zu langsam geht. Das ist aber nicht eure Schuld. Ihr habt alles getan, was getan werden konnte, aber ihr werdet Verstärkung brauchen. Wir haben auch gesehen, dass es euch viel Freude macht, mit den Menschen zu sprechen. Aber dafür haben wir keine Zeit mehr. In zwei Tagen ist schon der zweite Advent und die Zeit läuft den Menschen davon. Da unten auf der Erde passiert so viel in so kurzer Zeit, dass wir schneller handeln müssen. Daher werden wir heute besprechen, wie wir die Hilfe für die Menschen beschleunigen können.
Zunächst einmal werden wir Erzengel ab morgen mit euch reisen. Michael, Gabriel, Raphael, Uriel und ich sind bereit, mit euch auf die Erde zu reisen. Unsere Reise wird von hier oben gesteuert. Cherubim, Seraphim und Aralim werden uns an die Orte schicken, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen. Tarshishim, Hashmalim und Elohim werden uns alle Werkzeuge zukommen lassen, die wir benötigen. Sie beobachten unsere Reise und setzen ihre Fähigkeiten für uns ein.
Es war schön, dass ihr gesehen habt, wie die Menschen gute Dinge umsetzen können und ihr sollt auch irgendwann noch einmal zu Martin und Mongila reisen, aber jetzt müssen wir sie alleine arbeiten lassen. Sie haben unseren Schutz und unsere Unterstützung.“
„Aber was machen wir dann bei den Menschen?“, fragte Luisahim. „Wir werden uns durch die verschiedenen Kontinente arbeiten. Die Menschen rufen überall um Hilfe und die Verzweiflung wird immer größer. Wir müssen nun schauen, wie wir am besten helfen können. „Wird das jedes Jahr vor Weihnachten gemacht?“, fragte Theorahel.
Phanuel lachte auf. „Nein, so dringend haben sie unsere Hilfe schon seit langer Zeit nicht mehr gebraucht. Das letzte Mal war vor rund neunzig Jahren. Damals haben die dunklen Mächte sich ebenfalls der Menschen bemächtigt, so wie es gerade jetzt geschieht. Und wenn sie einmal eingedrungen sind, können wir nicht mehr viel machen. Damals waren nur sehr wenige Menschen standhaft.“
„Du meinst, das war die Zeit, als es dann einen Krieg gegeben hat?“, fragte Luisahim. „Ja, genau damals. Das war eine sehr düstere Zeit. Und das Einzige, was wir damals noch tun konnten war, dafür zu sorgen, dass die Zeit nicht so lange andauerte, wie sie eigentlich dauern sollte. Aber bis dahin war schon unheimlich viel Leid geschehen.“
„Und zwischen damals und heute haben die dunklen Mächte die Menschen in Ruhe gelassen?“, fragte Theorahel. „Nein, sie haben den nächsten großen Schlag im Verborgenen vorbereitet. Wir haben den Menschen immer wieder Zeichen geschickt und viele Menschen haben diese Zeichen auch verstanden. Aber es waren immer noch nicht genug. Wisst ihr, die dunklen Mächte sind schlau. Sie haben die Menschen dumpf gemacht, indem sie ihnen viel Zerstreuung und leichte Unterhaltung geschickt haben. Die Menschen sind dadurch unaufmerksam geworden. Sie haben sich wohl gefühlt und nicht bemerkt, dass sie etwas zusammenbraut.“
„Und die, die es bemerkt haben, haben die nichts gesagt?“, fragte Luisahim. „Warum haben sie die anderen Menschen nicht gewarnt?“ Phanuel schüttelte den Kopf. „Sie haben versucht, die Menschen zu warnen, aber diese wollten nicht zuhören. Es gab zu allen Zeiten Menschen, die versucht haben, auf das Wirken der dunklen Mächte hinzuweisen. Aber wenn es den Menschen gut ging, wollten sie nichts davon wissen. Es ist ja sogar jetzt noch so, dass es eine Menge Menschen gibt, die alles, was gerade passiert gutheißen. Sie sehen nicht hinter das Trugbild. Und sie beschimpfen diejenigen, die sie aufmerksam machen wollen. Das ist ein Jammer!“
Luisahim und Theorahel schauten betreten. Sie hatten keine Ahnung, wie sie nun vorgehen sollten. Gerade hatten sie noch geglaubt, dass sie einfach täglich auf die Erde reisen und den Menschen helfen würden, wie sie Martin und Mongila geholfen haben. Nun war das schneller zu Ende gegangen, als sie geglaubt hatten. Die beiden waren ein wenig enttäuscht. Es hatte ihnen große Freude gemacht.
„Was können wir nun tun?“, fragte Theorahel noch einmal. „Wir müssen nun mit Herzensenergie arbeiten“, mischte sich der Erzengel Michael in das Gespräch ein. „Wir können nicht mehr einzelne Menschen inspirieren etwas zu tun, das die Energie auf der Erde anhebt, sondern wir müssen so viel Energie auf die Erde bringen, dass viele Menschen gleichzeitig beginnen, für das Licht zu arbeiten. Wir müssen zu ihren Herzen sprechen und sie inspirieren, dass sie das Licht weiterverbreiten.
„Wie genau werden wir das machen?“, fragte Luisahim und sah, wie die Michael ihnen winkte mitzukommen. Er führte sie zu dem Fenster, von dem aus sie die Erde immer beobachteten. Wenn sie wollten, konnten sie die Bilder von der Erde ganz nah heranholen und immer genauer schauen. Und die beiden Erzengel holten nun verschiedene Bilder heran, auf denen man sehen konnte, wie die Menschen Licht erzeugten.
Die einen beteten, die anderen meditierten, wieder andere machten Musik und trommelten. Über die ganze Welt verteilt waren Menschen zu sehen, die gemeinsam mit anderen aufgestanden waren, um die dunklen Mächte zu vertreiben. „Seht ihr, da wo diese Menschen sind, müssen noch viel mehr dazu kommen. Die Menschen sollen nicht ängstlich alleine zu Hause sitzen und immer trauriger werden. Sie sollen zusammenkommen, egal wie!“
Er zeigte ihnen auch Bilder von Menschen, die fröhlich singend und rufend durch die Straßen gingen und Theorahel und Luisahim konnten sehen, dass es über diesen Menschen sehr hell wurde. Überall wo die Menschen sich zusammenschlossen und gemeinsam den Weg für das Licht bereiteten, wurde es immer heller.
„Wir werden hinuntergehen und so viel Herzensenergie zu diesen einzelnen Gruppen bringen, damit immer mehr Menschen von diesem Licht angezogen werden. Das ist das beste Mittel um die dunklen Mächte zu verjagen. Diese düsteren Gesellen mögen kein Licht. Sie mögen auch keine Musik und kein Lachen und keine Freude. Sie wollen, dass die Menschen zuhause sitzen und selbst immer düsterer und griesgrämiger werden und dass sie beginnen, sich gegenseitig die Schuld zu geben.
Und unsere Aufgabe ab morgen wird nun sein, dass wir hinuntergehen und ebenfalls mit ihnen tanzen, singen, beten, meditieren und durch die Straßen gehen, sodass es immer heller und heller wird. Dann sind die dunklen Mächte mehr und mehr gezwungen, sich zurückzuziehen.“
Luisahim und Theorahel konnten sich immer noch nicht recht vorstellen, wie sie das anstellen würden, aber sie vertrauten auf die Erzengel. Sie waren ja die Jüngsten und Unerfahrensten, sie mussten die Verantwortung nun nicht mehr alleine tragen.
„Eines noch“, sagte Michael. Luisahim und Theorahel sahen ihn abwartend an. „Wir werden nicht mehr jeden Abend zurückkommen. Es ist ein großes Opfer von uns Engeln, aber wir werden einige Zeit auf der Erde bleiben. Der Höchste hat dies vor langer Zeit auch getan. Nun werden wir diese Mission antreten und in diesem Kampf gegen die dunklen Mächte alles tun, was in unserer Macht steht.“
Die beiden Jung-Engel schaute erstaunt. „Wir werden nachts nicht zurückkehren?“, fragten sie. Michael schüttelte den Kopf. „Nein, wir werden uns für eine unbestimmte Zeit unter die Menschen mischen. Aber alles andere erfahrt ihr morgen. Zieht euch zurück und sammelt eure Kräfte, ihr werdet sie dringend brauchen. Morgen treffen wir uns wie immer in der großen Halle.“
So, und wie das Abenteuer weitergeht, werdet Ihr morgen hören oder lesen.
Ich wünsche Euch allen eine wunderbare und ruhige Nacht. Alles wird gut!
Hier findet Ihr den sechsten Teil sowohl zum Lesen als auch als Video
Als der nächsten Morgen anbrach, waren Luisahim und Theorahel schon sehr früh wach. Sie überlegte, wie sie Mongila und auch ihren Kolleginnen helfen konnten. Als Gabriel endlich da war, hatten sie eine Menge Fragen: „Wo waren wir gestern eigentlich?“, fragte Theorahel als erstes. Er hatte sich nämlich nicht getraut, Mongila zu fragen. Sie hätte sonst sicher Verdacht geschöpft. „Ihr wart in Bangladesch und da werdet ihr heute wieder hingehen. Es gibt vieler dieser Fabriken in Bangladesch und die Menschen dort haben ein erbärmliches Leben. Ich gebe euch heute noch etwas mit. Es ist ein Tuch, aber kein normales Tuch. Wenn ihr euch mit diesem Tuch über die Stirn wischt und dabei ganz fest an einen Wunsch denkt, wird er sich in der Sekunde erfüllen. Das Tuch kann drei Mal benutzt werden. Also verwendet es klug.“ Luisahim steckte das Tuch schnell ein. Das würden sie sicher brauche. Immerhin lag eine riesige Aufgabe vor ihnen und sie hatten nicht die geringste Idee, wie sie das schaffen sollten. „Danke“, sagte Luisahim und Gabriel nickte freundlich. „Wir sind alle sehr stolz auf euch“, sagte er auch heute noch einmal. Dann kam auch schon der Wirbel und die beiden befanden sich nur wenige hundert Meter vor dem Dorf Bonnotola. Langsam gingen sie in Richtung des Dorfes. „Wie werden wir das heute machen?“, fragte Luisa. Theo zuckte die Schultern. „Lassen wir es auf uns zukommen. Vielleicht weiß Mongila ja, was sie brauchen würde. Die Menschen wissen das oftmals sehr genau. Aber es fehlt ihnen manchmal die Möglichkeit und immer das Vertrauen, dass es funktionieren könnte.
Als sie sich Mongilas Haus näherten, sahen sie schon die Kinder draußen spielen. Diese entdeckten sie auch sofort und rannten auf sie zu. Das älteste Mädchen streckte ihnen die Hand entgegen. „Guten Tag, ich bin Salma. Und ich möchte euch von Herzen danken, dass ihr unsere Mutter nach Hause gebracht habt. Wir hatten viel Angst in den letzten Wochen.“ Bei diesen Worten traten dem Mädchen wieder Tränen in die Augen. „Ich bin Luisa und das ist Theo und wir freuen uns, dass wir euch und eurer Mutter helfen konnten. Nun sind wir hier, um mit eurer Mutter zu sprechen und zu überlegen, wie wir euch und anderen Familien helfen können.“ Salma lächelte und zeigte auf ihre jüngeren Geschwister: „Mein Bruder heißt Kazi und meine kleine Schwester Nasrin, und ich danke auch in ihrem Namen. Ihr seid uns herzlich willkommen und gerne überlegen wir auch, ob wir etwas dazu beitragen können“, sagte Salma. Luisa und Theo begrüßten Kazi und Nasrin und wunderten sich darüber, wie erwachsen Salma mit ihren sieben Jahren schon wirkte. Aber es war ja kein Wunder, sie hatte jetzt wochenlang für ihre kleinen Geschwister gesorgt, ohne zu wissen, ob die Mutter jemals wiederkommt. Da wird man vermutlich ganz schnell erwachsen. Das sollte kein Kind erleben müssen!
Gemeinsam gingen sie in die Hütte, wo Mongila bereits das Frühstück vorbereitete. Sie kochte gerade Reis auf einer Feuerstelle und stapelte das Fladenbrot, das sie gestern gekauft hatten, auf einen Teller. In einer Pfanne wurde Gemüse geröstet. Auch vom Käse schnitt Mongila kleine Stücke ab. Als sie Luisa und Theo sah, freute sie sich riesig und lud sie sofort zum Frühstück ein. Auch sie bedankte sich noch einmal überschwänglich. Sie wirkte richtig glücklich. Theo und Luisa setzten sich mit den Kindern im Kreis und Mongila brachte das Essen. Sie aßen mit den Händen und nahmen das Gemüse mit dem Fladenbrot auf. Es schmeckte köstlich. Luisa und Theo erlebten das erste Mal ein Essen mit scharfen Gewürzen und wunderten sich über das seltsame Gefühl im Mund.
Als sie gegessen hatten, setzten sich Luisa und Theo mit Mongila vor die Hütte in den Schatten. „Wieso müsst ihr alle in den Fabriken arbeiten? Gibt es keine andere Möglichkeit, dass ihr Geld verdienen könnt?“, fragte Theo. „Wir haben versucht, unser Geld damit zu verdienen, dass wir Körbe flechten und andere Gegenstände herstellen. Aber da keiner von uns genügend Geld hat, um das Material vorher einzukaufen, mussten wir immer an denselben Händler verkaufen, der uns im Vorfeld das Material gegeben hat. Und dieser Händler hat uns immer so wenig dafür bezahlt, dass wir irgendwann damit aufgehört haben. Es ist uns praktisch nie etwas übriggeblieben. Wir hatten zwar Arbeit, aber trotzdem nicht genügend Geld, um davon zu leben. „Hättet ihr denn andere Händler, die euch die Dinge abkaufen würden?“, fragte Luisa und eine Idee keimte in ihr auf. „Ja, es gibt schon Händler, die einen vernünftigen Preis bezahlen, aber die geben uns das Material vorher nicht. Daher waren wir all die Jahre auf diesen einen Händler angewiesen.
„Mongila, wäre es möglich, dass du alle Frauen bittest, dass sie zu Mittag hier zu deiner Hütte kommen und wir darüber sprechen können?“ Mongila nickte. „Viele sind nicht mehr hier. Die meisten sind schon lange in den Fabriken. Aber vielleicht kommen deren Mütter. Die sind ja auch daran interessiert, dass ihre Töchter wieder nach Hause kommen können. Das dauernde Weinen der Kinder nach ihren Müttern ist ja für niemanden leicht.“ „Gut“, sagte Luisa. „Theo und ich gehen uns nun beraten und kommen zu Mittag wieder hierher. Schau zu, dass du so viele Frauen wie möglich zusammentrommeln kannst.“
Mongila machte sich sofort auf den Weg und Luisa und Theo gingen aus dem Dorf hinaus und setzen sich unter einen Baum. „Ich denke, ich weiß schon die Lösung“, sagte Luisa. Wir müssen nur schauen, dass wir das Tuch nur einmal benützen müssen. Deshalb ist es wichtig, dass wir nachher die Frauen dazu befragen, was sie alles herstellen können, das sich gut verkaufen lässt. Und dann müssen wir von ihnen wissen, wieviel Geld sie dafür brauchen. Ich glaube, das könnte funktionieren. Luisa war ganz aufgeregt. Theo wusste noch nicht so recht, was sie vorhatte, ließ sich aber von ihrer Freude anstecken. Immerhin hatten sie vor ein paar Stunden noch keine Ahnung, was sie hier tun könnten.
Es war für ihn spannend zu erleben, dass es immer aus der Entfernung so schwierig wirkte, doch, wenn man mit den Menschen sprach, wurde es gleich viel einfacher. Er begann so langsam zu verstehen, dass gar nicht er und Luisa die Lösung finden mussten, sondern dass die Menschen eigentlich immer die Lösung schon kannten und es nur an der Umsetzung scheiterte. Das hatte man ja auch bei Martin gesehen. Er wusste, was sein Traum war. Theo dachte daran, was Martin jetzt wohl gerade machte und ob er seinen Traum umsetzen würde? Aber ganz bestimmt würde er das, dachte Theo dann. Er war vorgestern so glücklich gewesen. Er war sich mittlerweile sicher, dass sie heute Abend wieder mit einem guten Ergebnis nach Hause gehen und die Menschen hier auch ein wenig glücklicher zurücklassen würden.
Die beiden entschieden, sich noch ein wenig umzuschauen. Obwohl alles sehr einfach war, wirkte es doch sehr gemütlich in dem Dorf Bonnotola. Kaum hatte man die letzten Häuser hinter sich gelassen, war man umringt von Palmen und anderen tropischen Pflanzen. Hier wirkte alles ganz anders, als sie es gestern bei den Textilfabriken erlebt hatten. Von Trostlosigkeit war keine Spur zu sehen.
Doch schon bald war es Zeit, zu Mongilas Hütte zurück zu gehen. Dort hatten sich bereits eine Gruppe alter und junger Frauen versammelt und Theo und Luisa gingen herum und begrüßten sie alle. Alle Frauen wirkten sehr freundlich, aber auch ein wenig vorsichtig. Theo und Luisa hatten dafür Verständnis. Schließlich waren sie fremd und die Menschen wussten nur, dass sie gestern Mongila zurückgebracht hatten.
Als noch ein paar letzte Frauen eingetroffen waren. Setzte sich Mongila nun auch in den Kreis. Offenbar waren nun alle da. Sie deutete Theo und Luisa, dass sie nun sprechen konnten. Luisa ergriff das Wort. „Guten Tag und danke, dass ihr so zahlreich gekommen seid“, leitete sie das Gespräch ein. „Wir sind Fremde und haben gestern durch Zufall Mongila getroffen und sie hat uns ihre Geschichte erzählt. Sie hat uns erzählt, dass sie und andere Frauen ihre Kinder alleine zurücklassen müssen, um in den Fabriken unter schrecklichen Bedingungen zu arbeiten. Und wir wollen euch nun helfen, eine bessere Möglichkeit zu finden“, sagte Luisa. Es entstand Gemurmel unter den Frauen. Ein paar wirkten sehr interessiert, ein paar andere wirkten eher misstrauisch. Wahrscheinlich waren sie bisher nicht viel Gutes von Fremden gewohnt. „Wie wollt ihr uns helfen?“, fragte eine der älteren Frauen. „Meine beiden Töchter sind in der Fabrik und ich kümmere mich um sieben Kinder, die ich nur schlecht und recht ernähren kann. Auch bin ich zu alt, um den ganzen Tag nach so vielen Kindern zu schauen, die dauernd nach ihren Müttern weinen.“ Ein paar andere Frauen nickten zustimmend.
„Zunächst würde ich euch gerne fragen, was ihr denn herstellen könntet, wenn ihr das Geld für das Material hättet. Mongila hat uns von den Körben erzählt, die ihr gemacht und wofür ihr aber viel zu wenig Geld erhalten habt. Die Frauen nickten. Dann begann die erste der Frauen zu sprechen: „Viele von uns können nähen. Aber wir haben weder Stoff noch Nähmaschinen. Ein paar können wunderbare Teppiche weben, aber wir haben weder Wolle noch Webstühle. Wieder andere können Bänder flechten…Und natürlich können wir alle Körbe flechten und wir können auch aus Bambus verschiedene Küchengeräte herstellen. Aber für alles fehlt das Geld.“
Theo bat die Frauen, eine nach der anderen, dass sie rechneten, wieviel Geld sie brauchen würden, um ihre Produkte herzustellen. Mongila schrieb mit. Als alle geendet hatten, erschien ein Betrag von rund einhunderttausend Taka. Luisa rechnete es schnell in das Geld um, das sie vor ein paar Tagen bei Martin gesehen hatten. Es waren rund eintausend Euro. Das war viel und auch wieder nicht.
Sie baten um ein kurzes Gespräch mit Mongila. „Wenn wir das Geld besorgen könnten, wärst du bereit, dafür zu sorgen, dass dies alles besorgt wird? Und wärst du auch bereit dafür zu sorgen, dass, während ihr arbeitet, jemand die Kinder betreut und in verschiedenen Dingen unterrichtet?“ Mongila nickte begeistert. „Ja, das würde ich gerne tun“, aber woher wollt ihr so viel Geld nehmen? In dem Moment wischte sich Luisa mit dem Tuch den Schweiß von der Stirn und in der Sekunde spürte sie ein großes Bündel Scheine in ihrer Tasche. Das übergab sie Mongila.
Gemeinsam gingen sie wieder nach draußen. Luisa bat die Frauen um Ruhe und sagte: „Mongila wird nun dafür sorgen, dass jede Familie das Material bekommt, das sie braucht. Ihr braucht uns das Geld nicht zurückgeben, aber ihr müsst uns versprechen, dass ihr die anderen Frauen aus den Fabriken holt und dass ihr das Geld, das ihr jetzt von uns bekommt, irgendwann an jemand anderen weitergebt, der es aus diesem Grund brauchen kann. Es muss aber immer die Möglichkeit sein, dass die Menschen sich mit diesem Geld eine Existenz aufbauen. Und ihr müsst uns versprechen, dass ihr dafür sorgen werdet, dass eure Kinder zur Schule gehen können. Ihr alle seid nun dafür verantwortlich, dass zuerst dieses Dorf und dann die anderen Dörfer wieder aufblühen, weil die Menschen das Geld haben, sich etwas aufzubauen und die Kinder lesen, schreiben und rechnen lernen. Seid ihr dazu bereit?“ Alle Frauen nickten und strahlten um die Wette. Theo und Luisa mussten sich schon wieder beeilen. Mongila, die Frauen und die Kinder begleiteten sie noch aus dem Dorf hinaus.
„Wir vertrauen euch und wir werden wiederkommen, um zu schauen, was ihr geschaffen habt.“ Alle winkten sich gegenseitig zu. Sobald die Frauen und Kinder außer Sichtweite waren, blieben die beiden stehen und spürten bald den wohlbekannten Wirbel.
Sie waren schrecklich müde und nachdem sie Gabriel, Michael und Phanuel alles haarklein erzählt hatten, fielen sie auch schon in ihre Betten und schliefen sofort ein.
Das war die heutige Folge und ich wünsche auch Euch eine gute Nacht – schlaft schön!
Am nächsten Morgen standen Theorahel und Luisahim wieder pünktlich bei ihrem Treffpunkt in der Engel-Welt. Sie mussten etwas warten, da Gabriel noch nicht da war. Heute war die Aufregung auch nicht mehr ganz so groß, da sie bereits ein wenig wussten, was sie erwartete. Gabriel kam heute nicht alleine, sondern er war in Gesellschaft zweier anderer Erzengel – Michael und Phanuel.
Michael hatte ein paar Gegenstände in den Händen. „Was ist das alles?“, fragte Theorahel. Das sind Dinge, die ihr brauchen könnt auf der Erde. Er übergab Luisahim etwas, das aussah wie ein Tennisball. „Wenn du das in deiner Tasche zusammendrückst, kannst du Menschen einen Wunsch erfüllen. Aber ihr dürft diesen Ball in der ganzen Zeit nur sieben Mal verwenden.“ Die beiden Jung-Engel nickten und betrachteten das seltsame Objekt. „Und das hier ist etwas, das aussieht wie ein Fernrohr. Es ist auch eine Art Fernrohr, aber es schaut nicht in den Raum, sondern in die Zeit. Aber du darfst dich nicht davon leiten lassen. Denn es zeigt dir nur das, was geschehen wird, wenn alles genau so weitergeht, wie es gerade ist. Sobald etwas Unvorhergesehenes passiert, stimmt es nicht mehr. Das bedeutet, benutze es nur, wenn du dir absolut sicher bist, dass alle Beteiligten sich an die Abmachungen halten. Ansonsten führt es dich in die Irre. Dann läufst du einem Trugbild hinterher“, sagte Michael.
Luisahim nickte und gab das Fernrohr Theorahel und steckte selbst den Ball ein. Phanuel schaute die beiden streng an. „Ihr müsst Menschen finden, die bereit sind für sich und die anderen Menschen etwas zu tun. Ihr braucht so etwas wie unsere Vertreter auf der Erde.“ Luisahim und Theorahel nickten erneut. Sie würden sich Mühe geben. „Aber zuerst müssen wir noch einmal zu Martin, wir haben es ihm gestern versprochen“, sagte Theorahel. „Aber womit können wir ihm helfen?“ Phanuel wiegte den Kopf hin und her. „Die Menschen müssen lernen, sich selbst zu helfen. Das ist das allerwichtigste. Wenn ihr merkt, dass er dazu nicht bereit ist, müsst ihr jemand anderen suchen.“ Luisahim wurde das Herz schwer. Sie hatte insgeheim gehofft, dass die Erzengel ihnen heute Geld mitgeben würden, damit sie Martin etwas zu essen kaufen konnten. Aber offensichtlich war das nicht der Plan. Michael, der ihre Gedanken gelesen hatte, sagte: „Ich weiß, das ist schwer. Aber die Menschen haben nicht mehr so viel Zeit. Ihre Welt ist bedroht und der große Plan sieht vor, dass wir nur denen helfen können, die bereit sind, sich und den anderen Menschen zu helfen.”
“Ich weiß, das klingt hart, aber so ist es nun einmal. Es ist eine große Aufgabe für zwei so junge Engel wie ihr es seid. Deshalb war ich auch anfangs nicht glücklich mit dieser Entscheidung, aber wenn der Höchste der Meinung ist, dass es richtig ist, bin ich es auch. Er weiß, was er tut.“ „So, nun ist es Zeit für die beiden zu gehen. Hier sind noch Mütze, Schal und Handschuhe. Die werdet ihr heute brauchen. Es ist sehr kalt auf der Erde“, sagte Gabriel und reichte den beiden ein wolliges Paket. In diesem Moment setzte auch schon wieder der bekannte Wirbel ein und wenige Augenblicke später standen die beiden auf dem Stephansplatz. Gabriel hatte recht gehabt, es war wirklich noch viel kälter als gestern und vor allen Dingen ging ein schrecklicher Wind. Schnell banden sie den Schal um, setzen die Mütze auf, zogen die Handschuhe an und eilten so rasch sie konnten zu dem Hauseingang, an dem sie gestern Martin getroffen hatten. Doch der Hauseingang war leer. Kein Martin weit und breit.
Verzweifelt sahen sich die beiden an und kauerten sich selbst in den Hauseingang, der zumindest etwas Schutz vor dem Wind bot. „Was machen wir jetzt?“, fragte Theo. Sie hatten sich schon daran gewöhnt, dass sie auf der Erde die irdischen Namen trugen. „Ich weiß es nicht. Mir ist schrecklich kalt und ich wünschte, wir hätten diesen Auftrag nicht bekommen. Wir müssen wieder viele Stunden hier unten bleiben und ich habe nicht die geringste Ahnung, was wir jetzt machen können, wenn Martin nicht kommt“, sagte Luisa. In diesem Moment bog Martin um die Ecke. An einer Leine führte er einen großen Hund mit sich. Als er die beiden sah, lächelte er. „Was macht ihr denn schon wieder hier?“, fragte er. „Wir hatten doch gesagt, dass wir wiederkommen“, sagte Theo. Martin lächelte noch einmal. „Ja, das habt ihr. Aber ich habe schon lange nicht mehr erlebt, dass jemand sein Versprechen gehalten hat“, sagte er und breitete seinen Karton im Hauseingang aus.
Gemeinsam setzten sie sich und Luisa und Theo streichelten vorsichtig den Hund. „Woher hast du ihn?“, fragte Luisa. „Ach, das ist wirklich eine traurige Geschichte“, sagte Martin. „Er gehört einem anderen Obdachlosen, der heute Nacht verprügelt wurde und nun ist er im Krankenhaus und ich passe solange auf den Hund auf.“ „Er wurde auch in der Nacht verprügelt?“, fragte Theo ungläubig. Er erinnerte sich dunkel daran, dass er, als er seine Arbeit in der Engel-Welt gemacht hatte, immer wieder Bitten von Menschen ohne Wohnung erhalten hatte, dass sie in der Nacht sicher sein mögen. Aber er hatte eher geglaubt, dass man ihnen vielleicht etwas stehlen würde. „Ja, das Gute daran ist, dass er ein wenig im Warmen sein kann und die Möglichkeit hat, sich zu waschen und ein paar Nächte gut zu schlafen. Es ist schwer gut zu schlafen, wenn man so schutzlos irgendwo liegt. Deshalb haben viele von uns einen Hund. Ich hätte auch gerne einen, aber man muss im Tierheim nachweisen, dass man eine Wohnung hat und außerdem muss man auch dort viel Geld bezahlen, um einen Hund zu bekommen. Der beschützt einen nicht nur, sondern er hält auch warm. Gerade wenn es regnet und alles nass und kalt ist, ist ein Hund die einzige Möglichkeit, sich warm zu halten. Aber was erzähle ich euch da, das wird euch alles gar nicht interessieren.“
Martin streichelte ebenfalls den Hund und starrte geradeaus. Luisa und Theo sahen, dass sich Tränen in seinen Augen sammelten. „Was wäre dein größter Traum?“, fragte Luisa und sah Martin dabei an. Martin zuckte mit den Schultern. „Warum sollte ich über Träume nachdenken, wenn sie ja doch niemals in Erfüllung gehen. Ich werde hier auf der Straße alt werden und irgendwann an Kälte oder sonst etwas sterben. Für mich gibt es keine Träume mehr.“ Luisa schüttelte den Kopf. „Sag doch so etwas nicht. Man kann immer träumen und manchmal gehen Träume sogar in Erfüllung.“ Martin streichelte weiter das flauschige Fell des Hundes, seine Tränen tropften in seinen Bart. Auch Theo und Luisa kämpften mit den Tränen. Sie fühlten das schwere Herz des Mannes und es drückte ihres ebenfalls fest zusammen.
Martin schwieg eine lange Zeit. Dann begann er zu sprechen: „Lange habe ich davon geträumt, dass ich einen Platz finde, an dem ich so kleine Wagen für Obdachlose bauen kann. In meinem ersten Beruf war ich Handwerker und ich war einmal sehr geschickt. Und ich dachte mir, da ich am besten weiß, was man für das Leben auf der Straße braucht, wüsste ich genau, wie ich das bauen könnte. Aber mittlerweile habe ich diese Hoffnung auch aufgegeben. Ich hatte mir ein paar Menschen darüber gesprochen, aber niemand versteht, warum man obdachlosen Menschen helfen sollte. Wir sind sowas wie der Abschaum der Gesellschaft. Nicht einmal wert, dass man uns anschaut, wenn man uns ein paar Münzen gibt. Warum sollten wir einen Platz haben, an dem wir warm uns sicher schlafen könnten?“ Martin schwieg wieder. „Aber denkst du, du könntest so etwas bauen. Wie sollte das denn aussehen?“, fragte Theo, den diese Idee begeisterte. Das ist ganz einfach. Wir brauchen etwas, das wir mit uns herumziehen können und worin wir schlafen können, ohne dass wir verletzt werden. Wo wir geschützt sind von Wind und Regen und wo wir es ein wenig warm haben und unsere wenigen Dinge darin aufbewahren können. Die meisten Menschen auf der Straße können nicht mehr zurück in ein normales Leben und trotzdem haben wir den Wunsch nach Sicherheit und Wärme. Deshalb wäre es am einfachsten so kleine Wagen zu bauen, die gerade groß genug sind um darin zu schlafen und die wir wie Handkarren hinter uns herziehen können.“
„Wow, was für eine schöne Idee“, sagte Luisa. „Und könntest du so etwas bauen?“ Martin lachte wieder sein raues Lachen „Grundsätzlich könnte ich das, aber dazu braucht man Werkzeug und natürlich eine Werkstatt und Material.“ Luisa und Theo sahen sich verschwörerisch an. Sollten sie es wagen? „Wenn es eine Möglichkeit gäbe, das zu tun, wärst du dann bereit, das auch für andere Obdachlose zu bauen?“, fragte Luisa vorsichtig. Martin sah sie etwas zweifelnd an. „Warum fragst du das? Ihr seid irgendwie seltsam. Gestern hatte ich auch schon das Gefühl, dass mit euch etwas nicht stimmt.“ „Ich frage das, weil mich das interessiert“, antwortete Luisa ausweichend. „Es ist eine dumme Frage. Natürlich würde ich das auch für andere Obdachlose machen. Ich würde alles lieber machen, als hier zu sitzen und zu warten, dass jemand Geld in meine Büchse schmeißt. Aber ich habe dir ja schon gesagt, dass es vollkommen unmöglich ist, weil ich nicht einmal genug Geld für das Essen erbetteln kann. Wie soll ich dann zu Geld für Werkstatt und Werkzeug kommen.“ Theo und Luisa bemerkten, dass Martin keine Lust mehr hatte, weiter über diesen Traum zu sprechen. Es schien ihm weh zu tun über Dinge nachzudenken, die ihm unmöglich erschienen.
Theo und Luisa schauten sich eine Weile an und Theo wusste, was Luisa dachte und umgekehrt. Sie fragten sich, ob das jetzt so ein Moment war, wo Luisa den Ball zusammendrücken sollte. Martin bemerkte ihre Blicke, sagte aber nichts. Er hatte sich damit abgefunden, dass die beiden ihm nicht geheuer waren. In dem Moment drückte Luisa den Ball. Aber nichts geschah. Sie hatte gedacht, dass irgendetwas geschehen würde, sobald sie den Ball drückte. Aber alles war wie zuvor. Vielleicht funktionierte er ja gar nicht?
Luisa und Theo waren bitter enttäuscht. Am liebsten hätte Luisa den Ball weggeworfen, so wütend war sie. Martin stellte seine Büchse auf. „Wollt ihr jetzt eigentlich heute wieder den ganzen Tag hier sitzen?“, fragte er. Luisa und Theo zuckten die Schultern. Sie waren jetzt, wo der Ball scheinbar nicht funktioniert hatte, vollkommen ratlos. Ja, was sollten sie hier eigentlich noch machen?
In dem Moment öffnete sich die Tür an die sie alle lehnten. Martin wäre fast nach hinten gekippt. Erschrocken sprangen sie auf. „Entschuldigung“, sagte Martin. „Es ist in all der Zeit das erste Mal, dass diese Tür geöffnet wird. Und ich sitze schon lange hier.“ Im Türrahmen stand eine gebeugte kleine Frau und starrte die drei aus trüben Augen an. „Und ich beobachte sie schon eine ganze Weile. Zuerst waren sie alleine, aber jetzt sind sie zu dritt und ich habe mir gedacht, ich würde sie dafür bezahlen, wenn sie da hinten etwas ausräumen könnten.“ Martin nickte sofort. „Ja sicher. Das würde ich gerne tun. Was ist mit euch?“, fragte er Luisa und Theo. Die beiden nickten und zu dritt mit Hund folgten sie der alten Frau.
Und was die drei nun vorfinden, werdet ihr morgen Abend erfahren.
Am nächsten Morgen waren Luisahim und Theorahel schon sehr früh fertig, um ihre Mission anzutreten. Es war ja der insgeheime Wunsch aller Engel, eine Zeit lang auf die Erde zu den Menschen gehen zu dürfen und nun waren sie dran. Sie hatten keine Ahnung, was sie dort erwarten würde und waren entsprechend aufgeregt. Es dauerte nicht lange, dann kam Gabriel, der große Erzengel, der für die Weihnachtszeit zuständig war, zu ihnen und gab ihnen die letzten Anweisungen. „Wir überlassen es dem Höchsten, wohin er euch täglich schicken wird. Macht euch keine Gedanken. Ihr werdet jede Sprache der Menschen verstehen, genauso wie es hier auch ist. Aber ihr müsst euch fortbewegen wie die Menschen und essen und trinken wie die Menschen. Für die zwölf Stunden, in denen ihr täglich auf der Erde weilt, seid ihr auch ebenso verletzlich wie Menschen. Ihr könnt eure Mission nur ausführen, wenn ihr tatsächlich Menschen seid. Aber ihr habt euer Engel-Vertrauen und unseren Schutz, wie ihn die Menschen auch haben. Doch ihr dürft nicht leichtsinnig sein, sonst können wir euch nicht helfen.“ Luisahim sah Theorahel an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie waren also nicht Engel, die sich unter die Menschen mischen durften, sondern sie mussten für die Erdenzeiten tatsächlich zu Menschen werden. Luisahim und Theorahel bekamen ein wenig Angst. Schließlich wussten sie, dass das Leben der Menschen oft nicht einfach war. Aber sie nickten beide tapfer. „So, ab nun seid ihr Luisa und Theo und die Reise geht sofort los. Schließt die Augen, ich sende euch nun auf die Erde“, sagte Gabriel und Luisa und Theo, wie sie nun hießen, taten was er ihnen sagte und spürten, wie sie in einen Wirbel hineingezogen wurden. Als der Wirbel sich beruhigte, bemerkten sie das erste Mal in ihrem Leben Kälte an ihrem Körper und öffneten vorsichtig die Augen.
Alles war ein wenig düster und grau. Luisa rieb sich die Arme und Theo tat es ihr nach. Der Himmel war bedeckt und es fiel weißes, kaltes Zeug auf ihren Körper. Rund um sie herum standen große Bauwerke und sie drehten sich mehrfach im Kreis. Das eine Bauwerk erkannten sie, das war der Stephansdom. Sie waren also in Wien angekommen. Sie kannten Wien nur aus der Sicht der Engel und da hatte es immer ein wenig freundlicher gewirkt. Sie hatten zunächst keine Ahnung, was sie nun tun sollten, daher begannen sie einfach, ein wenig herumzugehen. Es waren nur wenige Menschen unterwegs, die Läden und Kaffeehäuser waren geschlossen und die ganze Stadt wirkte etwas ausgestorben. Obwohl ihnen Gabriel einen Mantel mitgegeben hatte, froren sie. Sie hatten in ihrem Leben noch nie Kälte erlebt. Ein paar Menschen schlenderten durch die ausgestorbenen Straßen, beachteten sie aber nicht. „Wohin sollen wir gehen?“, fragte Luisa und sah Theo dabei an, der mit seinem Mantel nun völlig verändert wirkte. Sie fühlten sich schutzlos und unsicher. Theo zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Bisher konnten wir einfach hinhören, was die Menschen sagten oder dachten, aber nun sind wir wie sie und ich fühle mich gerade sehr ratlos“, sagte Theo. Dann erblickten sie in einem Hauseingang einen Mann. Er saß auf einem Karton und hielt ein Schild in seinen Händen. Luisa ging etwas näher um das Schild zu lesen: „Obdachlos und hungrig“ stand auf dem Schild. Luisa fühlte sich sofort zu diesem Mann hingezogen. Sie schnappte Theos Arm und zog ihn mit sich. Als sie bei dem Mann angekommen waren fragte Luisa: „Wie können wir ihnen helfen? Wir sind hier um den Menschen zu helfen, aber wir wissen nicht so recht, wo wir anfangen sollen.“ Theo rempelte sie ein wenig an. Sie sollten doch nicht verraten, in welcher Mission sie hier waren. Doch der Mann nahm sie sowieso nicht ernst. Er lachte rau auf. „Wenn ihr mir helfen wollt, gebt mir etwas zu essen, denn ich bin hungrig und habe seit gestern Morgen nichts mehr gegessen. Es ist egal wo man sitzt, es kommt kaum jemand vorbei.“ Luisa schaute sich um. Sie sah in einiger Entfernung eine Bäckerei. Dort würde sie etwas zu essen holen. „Ist gut. Ich bin gleich zurück“, sagte sie und deutete zu Theo, dass er hier auf sie warten sollte. Sie lief rasch zu der Bäckerei und fühlte sich wohl, weil es da drinnen so warm war. „Ich hätte gerne von diesem drei“, sagte sie und deutete auf die Briochebrötchen. „Und dann hätte ich noch gerne drei von diesen hier“, sagte sie noch, während sie auf die Laugenbrezeln deutete. Die Verkäuferin sah sie streng an, packte aber die gewünschten Dinge ein. „Das macht zehn Euro achtzig“, sagte sie, während sie die Waren über die Theke reichte. Luisa schaute erschrocken. „Aber ich habe gar kein Geld“, sagte sie mehr zu sich selbst. Die Verkäuferin hielt in der Bewegung inne. Ihr Blick wurde noch etwas düsterer. „Wie? Du hast kein Geld? Dann kannst Du auch nichts kaufen.“ Mit diesen Worten zog sie ihren ausgestreckten Arm wieder zurück und nahm das Gebäck wieder an sich. Luisa schluckte. Darauf war sie nicht vorbereitet. „Aber wir haben Hunger und da vorne sitzt ein Mann. Der hat auch Hunger“, sagte sie und sah die Verkäuferin bittend an. „Das ist jetzt aber nicht mein Problem. Ich bin nicht hier um die Ware zu verschenken, sondern um sie zu verkaufen.“ Mit diesen Worten schüttete sie die Brezeln wieder in die Auslage. Luisa stand noch eine Weile unschlüssig herum und überlegte, was sie nun tun sollte. Aber es wollte ihr einfach nichts einfallen. „Schleich dich!“ sagte die Verkäuferin nun in einem etwas barscheren Tonfall und machte eine Bewegung als würde sie eine Mücke verjagen. Luisa ließ den Kopf hängen und ging zur Tür. Langsam trat sie wieder auf die Straße und ging mit gesenktem Kopf zu Theo und dem Mann zurück. „Und, waren sie ausverkauft?“, fragte der Mann, als er sah, dass Luisa mit leeren Händen zurück kam. „Nein, ich hatte kein Geld“, sagte Luisa und Theo fragte sofort: „Und da haben sie dir nichts gegeben?“ Luisa schüttelte den Kopf und sie spürte, dass Tropfen aus ihren Augen fielen. So musste es sein, wenn Menschen weinen. Eine kalte Hand umklammerte ihr Herz. Der Obdachlose sah sie misstrauisch an. „Was seid ihr denn für komische Typen? Hast du ernsthaft gedacht, dass du eine Bäckerei spazieren und ohne Geld etwas zu essen schnorren kannst? Wo kommt ihr denn her? Seid ihr vom Himmel gefallen?“ Luisa erschrak. Hatte er sie womöglich durchschaut? Sie sagte nichts darauf, denn lügen konnte sie ja nicht. Der Mann rückte ein wenig zur Seite und winkte Luisa und Theo zu sich. „Setzt euch mal hierher und sagt mir, was mit euch beiden los ist. Wieso seid ihr denn nicht in der Schule?“ Luisa zog Theo neben sich auf den Boden, damit sie beide auf dem Karton sitzen konnten. „Tut mir leid, das können wir nicht sagen“, sagte Theo, noch bevor Luisa antworten konnte. „Okay, verstehe. Ihr seid irgendwo ausgerissen“, sagte der Obdachlose. „Ihr werdet schon eure Gründe gehabt haben. Und jetzt, was macht ihr jetzt?“, fragte er. Luisa und Theo zuckten mit den Schultern. Das war ja verrückt. Er dachte nun, sie wären von zuhause abgehauen. Aber sie hatten nicht die Möglichkeit, das richtig zu stellen. „Okay, dann werden wir jetzt eben zusammen hier betteln. Vielleicht bekommen wir ein bisschen mehr, da ihr noch nicht so zerlumpt ausseht, wie ich es tue. Ich heiße übrigens Martin“, sagte der Obdachlose und streckte zuerst Luisa und dann Theo die Hand hin. Beide schüttelten erfreut seine Hand. „Ich heiße Theo und das ist Luisa“, sagte Theo. Martin lächelte und entblößte dabei eine riesige Zahnlücke. Alle Schneidezähne schienen zu fehlen. „Was ist mit deinen Zähnen passiert?“, fragte Luisa und biss sich gleich darauf auf die Lippen. Vielleicht hätte sie das besser nicht fragen sollen. Doch Martin nahm es gelassen. „Die hat mir irgendein Idiot im Vorbeigehen ausgetreten“, sagte er. Luisa hielt die Luft an. „Ein anderer Mensch hat dich im Vorbeigehen getreten?“ Martin nickte und sah Luisa wieder so seltsam an. „Ja, solche Dinge machen die Menschen manchmal“, sagte er langsam. „Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass ihr beiden etwas sonderbar seid?“, murmelte er mehr zu sich. Luisa sah Theo von der Seite an. Nur zu gerne hätte sie Martin erzählt, wer sie waren und was sie hier taten, aber das durften sie ja nicht. In diesem Moment kam eine Frau vorbei und Martin richtetet sich ein wenig auf und hielt das Schild in die Höhe. Die Frau schaute von ihm zu Luisa und Theo und wandte sich wieder ab. Aber sie gab ihnen nichts. Martin lehnte sich wieder zurück. „Warum hat uns die Frau nichts gegeben?“, fragte Theo. Martin lächelte. Weil die meisten Menschen nichts geben. Nur ab und zu kommt jemand vorbei, der etwas gibt. „Aber die Frau sah aus, als ob sie viel Geld hätte“, sagte Luisa nachdenklich. „Das mag sein, aber meistens geben die Menschen etwas, die gar nicht so viel haben. Die können es sich vielleicht besser vorstellen, wie es ist, wenn man gar nichts hat“, sagte Martin. Er schien das gewohnt zu sein. Doch Luisa grübelte immer noch darüber nach, wie es sein konnte, dass ein Mensch, der viel hatte, an einem anderen Menschen, der nichts hatte, vorbeiging, ohne ihm etwas zu schenken. Das konnte sie nicht verstehen. Es kamen in den nächsten Stunden noch einige Menschen vorbei. Martin setzte sich jedes Mal auf und hielt das Schild in die Höhe. Zwei junge Männer griffen sogar in ihre Hosentaschen und warfen ein paar Münzen in die Büchse, die Martin vor sich stehen hatte, ohne die drei mit einem Blick zu würdigen. „Ja, das ist manchmal noch schlimmer, als nichts zu bekommen“, sagte Martin nachdenklich. „Was meinst du damit?“, fragte Luisa. „Ich meine, so unsichtbar und wertlos zu sein, dass die Menschen einen nicht einmal anschauen“, sagte Martin und Luisa spürte, dass nun er traurig wurde. Sie tätschelte seinen Arm. Langsam wurde es dämmrig. Martin hatte ihnen mittlerweile seine Lebensgeschichte erzählt. Sie hörten, dass er einmal ein gefragter Redner gewesen war und dass er eines Tages vor dem Ruin stand und keine andere Möglichkeit mehr sah, als auf der Straße zu leben. Sie erfuhren auch, dass er lange geglaubt hatte, dass er eines Tages wieder den Weg zurück in ein normales Leben finden würde, dass sich seine Hoffnungen nun aber zerschlagen hatten. Nun saß er hier und überlebt einfach einen Tag nach dem anderen. Luisa und Theo wurde dabei das Herz ganz schwer. Wie schwer musste seines erst sein? Sie saßen nun schon seit Stunden in diesem Hauseingang und Luisa und Theo waren komplett durchgefroren. „Ich fürchte, wir müssen bald gehen. Aber wir kommen morgen wieder“, sagte Luisa zu Martin. Dieser schaute sie fragend an. „Wo geht ihr denn hin? Passt auf euch auf. Es ist gefährlich auf der Straße. Ihr beiden seid viel zu zart für dieses Leben. Geht lieber wieder nach Hause.“ „Ja, das machen wir“, sagte Luisa und war froh, nun endlich die Wahrheit sagen zu können. Martin zählte das Geld. „Wollt ihr noch etwas essen? Ihr müsst auch schrecklichen Hunger haben. Wir haben drei Euro achtundvierzig. Ich kann uns ein Brot kaufen gehen.“ Luisa und Theo bedankten sich und schüttelten den Kopf. „Danke, aber wir brauchen jetzt nichts. Kauf dir lieber selbst etwas. Wir sehen uns morgen wieder“, sagte Theo. Sie standen auf und winkten Martin noch einmal zu. „Ich fürchte, wir haben heute nicht besonders viel erreicht“, sagte Luisa zu Theo als sie wieder zu dem Platz gingen, von dem sie zurückgeholt werden würden. Beide gingen schweigend nebeneinander her. Sie hatten so großen Hunger, wussten aber, dass sie, wenn sie zurück in der Engelwelt waren, dieses Gefühl nicht mehr haben würden. Kaum waren sie an dem vereinbarten Treffpunkt angekommen, entstand auch sogleich wieder der Wirbel und kurz darauf standen sie vor Gabriel. „Na, da seid ihr ja wieder. Wir haben schon auf euch gewartet. Er führte sie in den großen Sitzungssaal, wo schon alle genauso saßen und standen wie am gestrigen Abend. Bedrückt standen die beiden in der Tür. „Ich fürchte, wir haben heute schrecklich versagt…“, begann Luisa ihre Rede, doch der Höchste schickte sofort einen Schwall Liebe in ihre Richtung. „Nein, ihr habt nicht versagt. Ihr habt erlebt, wie schwer es ist, ein Mensch zu sein und wir werden uns heute überlegen, was wir euch für morgen mitgeben werden, damit ihr mehr Möglichkeiten habt, zu handeln. Jetzt ruht euch erst einmal aus. In weniger als zwölf Stunden geht’s schon wieder los“, sagte der Höchste. Luisa und Theo merkten erst jetzt, wie müde sie geworden waren. Der Hunger und die Kälte hatten ihnen sehr zugesetzt und nun wollten sie nur noch schlafen. „Wir möchten gerne morgen wieder zu Martin und ihm helfen“, sagte Luisa noch und der Höchste nickte. „Ja, wir werden jetzt darüber beraten und sagen euch morgen Bescheid“, sagte er. Schlaft gut und ruht euch aus für euer nächstes Abenteuer.
Ich wünsche Euch allen eine wunderschöne gute Nacht und verbleibe bis morgen Früh
Es geschah am Vorabend des ersten Advents im dem Jahre, in dem die Menschen wieder einmal begonnen hatten, sich gegenseitig zu beschuldigen und zu bekämpfen. In der Welt der Engel herrschte einerseits die freudige Vorbereitung für die Weihnachtszeit, wofür hauptsächlich die Engel der unteren Hierarchien zuständig waren. Und andererseits waren die höheren Engel damit beschäftigt, sich Gedanken über die Menschen zu machen. Wie weit waren die Menschen doch gekommen und wie tief wieder gefallen. Das durften sie so nicht geschehen lassen. Doch das Gute war, dass es eine große Menge von Menschen gab, die um ihre Hilfe baten. Gabriel, als der führende Erzengel der Weihnachtszeit, hatte an diesem Vorabend des ersten Advents alle Engelhierarchien gebeten, an einer großen Versammlung teilzunehmen, um einen Plan zu schmieden, wie die Menschen wieder auf den guten Weg kommen könnten. Als erstes hatte er Michael in seinen Plan eingeweiht. Genau wie er, war Michael ein Erzengel und zusätzlich auch noch ein Zeiten-Engel, der nun für die Geschicke auf der Erde zu einem gewissen Teil verantwortlich war. Michael war froh über Gabriels Idee und sah in dieser besonderen Zeit die Möglichkeit, dass die Menschen sich sehr rasch wieder dem Guten zuwenden würde. Michael war schon seit Monaten besorgt, weil er sah, dass die Menschen immer mehr den Glauben an das Gute und das Vertrauen in die Welt zu verlieren schienen. Daher griff er Gabriels Idee dankbar auf und schmiedete sofort Pläne, wen sie unbedingt dazu einladen mussten. Als erstes fiel sein Blick auf Phanuel, der war schließlich dafür zuständig, dass die Menschen sich endlich zu dem entwickelten, was sie sein sollten. Phanuel nickte, aber Michael sah ihm an, dass er nicht unbedingt erfreut war. „Was ist mit dir, Phanuel?“, fragte er daher. Phanuel zuckte die Schultern. „Ach weißt du, ich habe mir schon so viel Mühe mit den Menschen gegeben, aber irgendwann ist auch einmal die sprichwörtliche Geduld eines Erzengels erschöpft.“ Michael konnte ihn verstehen. Seit vielen Jahrtausenden war Phanuel dafür zuständig, dass die Menschen erkannten, was und wer sie eigentlich waren. Aber es war wie verhext. Kaum waren sie einen Schritt weitergekommen, gingen sie wieder den Anderen auf den Leim. Denen, die es nicht so gut mit ihnen meinten. „Die Menschen sind einfach so bequem. Und sie sind auch kalt geworden. Das Schicksal ihrer Brüder und Schwestern interessiert sie nicht. Sie sind nur auf Geld und Ablenkung aus.“ Michael kniff die Lippen zusammen und überlegte. „Das stimmt so nicht“, sagte er. Es gibt wirklich viele Menschen, die sich um andere kümmern und die den Weg schon weit gegangen sind.“ „Ja, vielleicht hast du Recht“, sagte Phanuel. Ich fühle mich nur gerade etwas entmutigt. Was sollen wir denn noch machen?“ „Das weiß ich momentan auch nicht“, erwiderte Michael. „Aber vielleicht finden wir heute Abend, in der großen Zusammenkunft, eine Lösung. Ich frage Raphael, ob er auch teilnehmen möchte. Er hat schon oft solche Zeiten mit den Menschen erlebt und hat sicher einen Rat. Raphael war ebenfalls angetan von der Idee. „Ach, die werden das schon schaffen, aber vielleicht brauchen sie wieder sowas wie damals, damit zumindest ein Teil von ihnen einen Neuanfang wagen kann.“ Michael war etwas verwirrt. „Was meinst du damit?“, fragte er daher. „Naja, erinnere dich bitte. Damals als ich Noah gezeigt habe, wie er die Arche bauen soll. Das war doch genial. Und er hat sich gar nicht übel angestellt.“ Michael nickte. Er konnte sich dunkel erinnern. Ja, Phanuel hatte schon recht gehabt, die Menschen hatten sich schon öfter ein wenig…sagen wir mal…schwierig verhalten. Auf Raphael war auf jeden Fall Verlass. Er war einer derjenigen, die immer eine Idee im Ärmel hatten. „Gut, dann treffen wir uns in einer Stunde im großen Sitzungssaal“, sagte Michael und Raphael nickte zustimmend.
„Ich werde jetzt die Großen holen, Seraphim, Cherubim und Aralim. Sie haben sich bereit erklärt, heute dabei zu sein“, sagte Michael noch, bevor er sich umdrehte. Raphael zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Echt? Die kommen auch? Dann muss der Hut aber schon ganz schön brennen.“ Michael lächelte. „Du sagst es. Der Hut brennt lichterloh!“ „Cool“, sagte Raphael. Das ist genau das Richtige für mich. Ich habe schon lange nicht mehr Feuerwehr gespielt. Was ist mit Tarshishim, Hashmalim und Elohim?“, fragte Raphael noch. „Ja, die kommen auch. Mit denen hat Gabriel schon gesprochen“, sagte Michael. Raphael nickte anerkennend. „Na, wenn die ganzen Chef-Leute auch da sind, dann wird heute sicher eine gute Lösung gefunden werden. Ich werde auf jeden Fall pünktlich sein.“
Michael schlenderte hinab zu den Engeln, die mit den Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt waren. Es war eine Menge los, die meisten von ihnen hatten ihre Ohren aufgesperrt, damit sie die Wünsche der Kinder hören konnten. Aber es kamen auch viele Wünsche von Erwachsenen zu ihnen. Hauptsächlich von all den vielen Menschen, die jetzt gerade alleine zuhause saßen. Die sehnten sich so sehr nach Gesellschaft. Aber das konnten die Engel nicht organisieren. Gesellschaft hatten sie leider nicht im Angebot. Natürlich versuchten sie oft selbst, diese Menschen zu trösten, aber oftmals nahmen die Menschen ihre Anwesenheit gar nicht wahr. Nur in den Träumen konnten sie sie erreichen. Aber gewissenhaft notierten sie alles, was ihnen zu Ohren kam. Manchmal wandten die Menschen sich direkt an sie, dann konnten sie sofort ein wenig Erleichterung schicken. Aber meist mussten sie genau hinhören, was die Menschen den anderen Menschen erzählten oder was sie zu sich selbst sprachen. Dann konnten sie auch ein wenig helfen. Michael schaute dem Treiben ein wenig zu und war wieder einmal tief beeindruckt, wie gut alles organisiert war, sodass auch wirklich niemand da unten auf der Erde vergessen wurde. Und natürlich waren die Engel auch ein wenig nervös, wenn sie bemerkten, dass ein Erzengel ihnen zuschaute. Doch sie spürten, dass Michael sehr zufrieden mit ihnen war und fuhren mit ihrer Arbeit fort. Zwei von ihnen sausten immer hin und her und versuchten, die anderen auf Menschen aufmerksam zu machen, die bereits innerlich ganz verstummt waren. Dafür waren die anderen Engel sehr dankbar. Diese Menschen konnten leicht übersehen werden, weil sie nicht einmal mehr mit sich selbst sprachen. Aber gerade für diese Menschen wollten sie da sein. Nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern immer. Das waren oft Menschen, die ganz traurig oder verzweifelt waren. Menschen, die schon lange kein gutes Wort mehr gehört hatten und innerlich schon ganz verkümmert waren. Und die beiden jungen Engel, die immer hin und her sausten, brachten deren Botschaften zu den Kollegen. Michael hielt sie kurz an und sagte: „Haltet mal bitte inne, ihr beiden. Ich beobachte euch schon eine Weile. Wer hat euch diese schwierige Aufgabe denn gegeben?“ Die beiden schauten Michael etwas bestürzt an. „Niemand hat uns diese Aufgabe gegeben, wir haben einfach eines Tages bemerkt, dass wir sehr gut die Menschen hören können, die so eine leise Stimme haben, dass man sie leicht überhört. Und dann haben wir beschlossen, dass wir den anderen Engeln viel Mühe abnehmen können, wenn wir uns auf diese Menschen spezialisieren und die anderen darauf aufmerksam machen. Dann müssen unsere Kollegen nicht immer befürchten, dass sie vielleicht jemanden überhört haben“, sagte der größere der beiden Jung-Engel. Michael nickte. „Das ist wirklich sehr löblich. Wie heißt ihr eigentlich?“, fragte er. Der größere Engel antwortete: „Ich heiße Luisahim und das ist mein Bruder Theorahel.“ „Ich muss euch beide wirklich loben. Ihr macht eine sehr wichtige Arbeit. Ich möchte gerne, dass ihr in etwa einer halben Stunde zu uns in den großen Sitzungssaal kommt, ich glaube, ich habe eine Idee“, sagte Michael. Die beiden nickten. „Wo ist der große Sitzungssaal denn?“, fragte Theorahel. „Ihr geht einfach dort hinauf und folgt dann immer dem Licht. Der große Sitzungssaal wird heute nicht zu verfehlen sein. Aber seid bitte pünktlich“, sagte Michael noch, bevor er sich umdrehte.
Gut gelaunt machte sich Michael auf den Weg zu Uriel. Vielleicht war seine Idee wirklich gut. Er würde es mit den anderen besprechen. Uriel war bereits auf dem Weg zum Sitzungssaal. Phanuel hatte ihm Bescheid gegeben. Michael war zufrieden. Dann waren sie vollständig. Vom höchsten bis zum einfachsten Engel waren alle eingeladen und hatten sich einverstanden erklärt. Heute würde die große Veränderung auf der Erde ihren Anfang nehmen. Dessen war sich Michael sicher. Langsam machte er sich ebenfalls auf den Weg und hing dabei seinen Gedanken nach. Er freute sich. Immerhin hatten die Menschen so viel Kraft. Heute würden sie den Plan schmieden, wie sie in den kommenden Wochen das Ruder vollkommen herumreißen würden. Es wäre ja gelacht, wenn die Entwicklung, die seit vielen Jahren bereits positiv verlaufen war, nun nicht weitergeführt werden konnte. Aber die Menschen mussten noch viel lernen. Doch er war zuversichtlich, dass sie dies gerne tun würden. Als er sich dem Sitzungssaal näherte, begann er sich zu wundern, warum es gar so hell heraus strahlte. Er wusste ja, dass die obersten Engel ein sehr helles Licht verstrahlten, dem auch er als Erzengel stets ehrfurchtsvoll gegenübertrat. Aber heute war es sogar noch heller als sonst. Michael beschleunigte seine Schritte. Gerade war er noch ganz entspannt gewesen, aber jetzt ergriff ihn Erregung. Sollte tatsächlich…. Und ja, als er die Schwelle des Sitzungssaales übertrat, spürte er schon die Anwesenheit des größten Sonnenwesens. Schnell setze er sich auf seinen Platz in der Runde. In der Gegenwart des Höchsten war er immer ganz aufgeregt. Er spürte diese allmächtige Liebe und wunderte sich insgeheim, warum er heute hier war. Normalerweise ließ er sich von den höchsten Engeln vertreten. Phanuel, Raphael, Gabriel und Uriel saßen bereits auf ihren Plätzen und schauten ebenfalls sehr erstaunt. In diesem Moment betraten die beiden Jung-Engel Theorahel und Luisahim den Raum. Als sie den Höchsten erblickten, ließen sie sich vor Schreck auf die Knie fallen. Doch dieser winkte sie freundlich herein. Da er alles wusste, wusste er auch, warum die beiden hier waren. Anerkennend nickte er zu Michael. Michael erschauerte. Die Angelegenheit musste höchste Brisanz haben.
Der Höchste ergriff auch sofort das Wort. „Liebe Engelchöre, ich bin höchst erfreut, dass ihr euch Gedanken macht um die Menschen auf der Erde. Dies ist durchaus angebracht und ich weiß, dass Michael soeben eine phantastische Idee geboren hat. Ich möchte, dass du, Michael, diese Idee nun vorstellst. Michael erhob sich. Er konnte kaum in die Runde schauen, so hell war das Licht. Die obersten Engel hatten sich rund um den Höchsten aufgestellt und strahlten Liebe, Güte und Weisheit aus. Michael sammelte sich kurz und sagte dann: „Christus, Engel aller Chöre, ich habe den Gedanken Gabriels aufgegriffen, uns heute hier zu versammeln und während ich noch unten war und den Engeln bei ihrer Arbeit zugeschaut habe, wurde mir bewusst, dass diese beiden hier ein ganz besonderes Talent haben“. Und dabei zeigte er auf Luisahim und Theorahel. Sie hören die Stimmen der Verstummten auf der Erde und das ist das, was ich für den wichtigsten Schachzug in der momentanen Misere erachte. All die Menschen, die in ihrer Verzweiflung verstummt sind, sollten wieder eine Stimme bekommen, damit sie aufsprechen und ihre Meinung kundtun können. Und ich habe mir überlegt, dass wir in den nächsten vierzig Tagen, dem Advent und den heiligen Nächten, diese beiden jeden Tag auf die Erde schicken sollten, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Sie könnten dabei sicher viel in Bewegung bringen.“ Michael verstummte und schaute den Höchsten an. Sein liebevolles Lächeln beruhigte Michael. Die beiden Jung-Engel waren zunächst vor Schreck wie gelähmt. Sie wussten ja auch nicht, warum diese Versammlung hier und heute stattfand. Aber es wurde ihnen bewusst, dass sie wohl eine bedeutende Rolle zugewiesen bekommen hatten. Im großen Sitzungssaal brach kurz ein Gemurmel aus. Nicht alle Engel fanden diese Idee gut. Aber der Höchste schaute die beiden an und nickte ihnen zu. „Ich bin mir sicher, ihr werdet eure Aufgabe gut machen.“ Luisahim nickte und boxte Theorahel mit dem Ellbogen ein wenig in die Seite, damit sich dieser auch aus seiner Erstarrung löste und einverstanden nickte. „Müssen wir die beiden nicht zuerst einer gründlichen Schulung unterziehen?“, fragte Phanuel etwas irritiert. Er konnte sich nicht vorstellen, was diese beiden auf der Erde ausrichten sollten. Doch der Höchste schüttelte den Kopf. Diese beiden werden unsere Botschafter sein und uns jeden Abend Bericht erstatten. Und wir werden uns die nächsten vierzig Tage hier jeden Abend einfinden, um zu hören, was die beiden uns zu berichten haben. Sie können alles, was sie können müssen. Wir vertrauen vollständig auf sie. Und ausgehend von ihren Berichten, werden wir hier, in der großen Versammlung, entscheiden, was nun zu tun ist.“ Nach diesen Worten schwieg der Höchste einen Moment und auch die anderen wagten nicht, etwas zu sagen. Luisahim und Theorahel schauten in die Runde. Das würde ja ein schönes Abenteuer werden. Kaum hatten sie das gedacht, sagte der Höchste: „Ja, das werden vierzig Abenteuer, die die Welt verändern werden. Damit ihr auf der Erde nicht so sehr auffallt, werden wir eure Namen für die nächsten vierzig Tage in Luisa und Theo ändern. Dann müsst ihr nicht so viele Fragen nach eurer Herkunft beantworten. Es ist nämlich absolut wichtig, dass die Menschen nicht erkennen, dass ihr eigentlich Engel seid. Sie sollen zu euch sprechen, wie sie zu jedem anderen Menschen auch sprechen würden. Nur dann können wir erkennen, was wirklich mit ihnen los ist und wie wir helfen können. Macht euch bereit ihr beiden. Morgen früh geht’s los!“
Morgen Abend folgt Teil 2 der Geschichte – ich hoffe, ich konnte Euch gut unterhalten
Ich wünsche Euch und Ihnen einen wunderschönen und vor allen Dingen eine gute Nacht
Ich habe ja schon irgendwann darüber geschrieben, wie wichtig es ist, mit welchem Gedanken wir in den Tag starten. Aber genauso wichtig ist es auch – vielleicht sogar noch wichtiger – mit welchem Gedanken wir in die Nacht gehen. Wir sind in der Nacht ja in der geistigen Welt unterwegs und treffen vermutlich genau auf die Wesenheiten, die wir durch unsere Gedanken anziehen. Nicht umsonst ist ein Abendgebet ein gute Variante, um eine ruhige und erholsame Nacht zu haben.
Ich habe eine Idee…
Gestern hatte die Möglichkeit längere Zeit einem Gedanken nachzuhängen und habe auch über meine Planung für das Jahr 2022 nachgedacht. Mein großer Wunsch, seit Kindertagen, ist es zu schreiben. Ich liebe es, mich schreibend auszudrücken und habe ja auch schon drei Sachbücher geschrieben. Aber eigentlich träume ich davon, Geschichten zu schreiben. Ich bin ein riesengroßer Fan von Astrid Lindgren und lese ihre Bücher mit Leidenschaft. Böse Zungen behaupten, ich habe nur deshalb so viele Kinder, damit ich möglichst oft Astrid Lindgren Bücher und Harry Potter vorlesen konnte 🙂
Naja, und dann habe ich daran gedacht, dass ich ja hier eine Menge LeserInnen habe und es vielleicht eine gute Idee sein könnte, wenn ich durch den Advent und bis Dreikönig jeden Tag eine Gute-Nacht-Geschichte schreibe. Wobei ich noch nicht genau weiß, ob es tägliche kurze Geschichten sein werden oder jeweils Fortsetzungen einer langen Geschichte.
Geschichten von der geistigen Welt inspiriert
Ich glaube ja, dass die meisten Geschichten von der geistigen Welt inspiriert sind und weiß auch von mir, dass es wesentlich einfacher ist zu schreiben, wenn ich mich ganz dem hingebe, was geschrieben werden will und was gerade in der Luft liegt. Und ich werde die geistige Welt darum bitten, mir jeden Tag eine Geschichte, oder eine Fortsetzung zu schicken, die in die spezielle Tagesqualität hinein passt.
Kopf versus Herz
Mein Kopf war fies und sagte mir dauernd, ich hätte doch sowieso zu wenig Zeit für mich selbst und wollte mich die ganze Zeit davon abbringen. Aber mein Herz blieb standhaft und sagte: “Tu, was Du liebst! Bring Geschichten zu den Menschen!” Und deshalb habe ich mich entschieden, meinem Herzen zu folgen. Die geistige Welt wird mich dabei unterstützen und mir die Zeitfenster schenken, die ich dazu brauche.
Die derzeitige Welt braucht Geschichten der Hoffnung
Ich habe das Gefühl, dass es gut ist, diese Zeit nun – die ja mit Advent, Poraltagen, Rauhnächten…etc, total mystisch ist, mit Geschichten einer neuen Welt anzureichern. Ich habe auch das Gefühl, dass diese Geschichten dann einen kleinen Teil dazu beitragen werden, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Und ich möchte es für Euch schreiben
Ich freue mich so sehr darüber, dass wirklich viele Menschen nun täglich meine Morgen-Impulse lesen, anstatt sich mit den Nachrichten oder anderen Dingen zu beschäftigen. Heute ist übrigens der 91. Tag meiner Morgen-Impulse! Wir können ja alle nur einen kleinen Teil zur neuen Zukunft beitragen. Und deshalb würde ich das gerne noch ausweiten und Euch von morgen, 27.11.2021 bis 6.01.2022 jeden Tag eine Geschichte schenken, die ebenso verlässlich wie die Morgen-Impulse jeden Abend zwischen 18.30 und 19.30 erscheint. Das sind dann genau 40 Tage! Das ist auch für mich eine große Herausforderung, aber ich werde mich ihr gerne stellen. Denn sie bringt auch mich näher an meinen Traum heran. Wenn ich das so schreibe, habe ich ein wenig Herzklopfen und fast ein bissel Angst vor meinem Mut, denn wenn ich ein Versprechen gebe, dann halte ich das auch. Und das bedeutet, ich schreibe die nächsten 40 Tage jeden Tag eine Geschichte. Und diese Geschichte soll Sie und Euch in eine gute Nacht begleiten, falls Ihr das wollt.
Kopf versus Herz – der Kopf konstruiert aus der Vergangenheit und das Herz holt sich Inspiration aus der Zukunft
Ich habe Euch diesen Entscheidungsprozess deshalb so detailliert aufgeschrieben, weil ich weiß, dass es vielen Menschen so geht. Das Herz wünscht sich, etwas zu tun und der Kopf schießt dauernd dazwischen. Aber der Kopf ist kein so besonders schlauer Geselle. Er denkt in kleinen Zusammenhängen, die er aus der Vergangenheit konstruiert, während das Herz die Impulse der Zukunft aufgreift und zu uns bringt. Der Kopf sagt uns auch dauernd, was alles nicht möglich ist, während das Herz aus der unbegrenzten Fülle des Universums schöpft. Deshalb ist es oft besser, dem Herz eine Stimme zu geben und ihm zu folgen. Wenn man sich etwas aus ganzem Herzen wünscht, dann wird es auch so geschehen – sofern es mit dem großen Plan überein stimmt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch einen wunderschönen Freitag – heute ist Tag der Venus, also Zeit zu genießen. Tun Sie sich heute doch einmal etwas Gutes!