Das Ding mit der Schuld… und mit der Scham

Kennt Ihr das? Man fühlt sich schuldig für alle möglichen Dinge, selbst wenn man nichts dafür kann? Ich habe mich Jahrzehnte mit allen möglichen Schuldgefühlen herumgeplagt. Ich fühlte mich sogar schuldig, wenn ich müde war. Denn dann war ich ja nicht produktiv, vielleicht sogar faul. Ich war in meiner eigenen Wahrnehmung immer unzulänglich und habe etwas falsch gemacht, bzw. nicht genügend geleistet. Wenn die Kinder in der Schule Probleme hatten, fühlte ich mich schuldig, ja sogar dann, wenn sie nicht zum Kindergeburtstag eingeladen wurden… Es war eine (scheinbar) niemals endende Schuldspirale und mein Herz war ständig schwer, und selbst dies machte ich mir zum Vorwurf.

Es ist kein Problem, an wirklich allem schuld zu sein

Ich fühlte mich schuldig, wenn mein Mann schlechte Laune hatte, auch wenn die Kinder sich verletzten. Ich fühlte mich schuldig, wenn ich etwas nicht erledigt hatte, selbst wenn es keinen Moment Zeit gegeben hätte, es zu erledigen. Ich fühlte mich schuldig, wenn sich jemand nicht mehr bei mir meldete, denn dann hatte ich ja offensichtlich etwas getan, das diesen Menschen dazu gebracht hatte, sich abzuwenden und dann kam zur Schuld auch noch die Scham.

Schuld und Scham, die beiden unheilvollen Geschwister

Scham war auch ein Thema, das ich immer mit mir herumtrug. Ich fühlte mich beschämt, wenn sich jemand mir gegenüber mies verhielt. Denn immerhin musste ich ja daran schuld sein, dass dieser Mensch sich so benahm. Ich schämte mich für all meine Vergehen. Waren es die Winterschuhe der Kinder, die über den Sommer zu klein geworden waren und die andere, “richtige” Mütter sicher im Herbst schon überprüft hatten. Ich schämte mich, wenn es mal ein schnelles Essen aus dem Backrohr gab, anstatt gesunder frisch gekochter Kost und ich war gleichzeitig schuldig am Vitaminmangel meiner Familie. Ich schämte mich manchmal für meine bloße Existenz.

Wie ich es schaffte, dem (weitgehend) zu entkommen

All dies war in der Zeit, in der ich auch massiv unter Panikattacken litt – kein Wunder! Und selbst für diese schämte ich mich und fühlte mich schuldig. Und es war eines Tages so weit, dass ich keine Lust mehr hatte, dieses grässliche Leben zu leben. Ich hatte das Gefühl, dass es für mich, aber auch für alle anderen Menschen besser wäre, wenn ich nicht mehr existieren würde. Aber Suizid war für mich keine Option, da ich mich vor den nachtodlichen Folgen noch mehr fürchtete als vor dem Lebem, außerdem wäre ich zu feige dafür. Also blieb nur die Hoffnung, eben doch bei einer Panikattacke plötzlich zu sterben oder mich dagegen zu stemmen. Ich hatte es schon einmal geschrieben: Es gab diese Nacht, in der ich zu meiner Panikattacke sagte, dass es mir jetzt egal sei, dass sie mich mitnehmen solle, denn dieses Leben war nicht mehr lebenswert. Und in dieser Nacht änderte sich alles. Und als die Panikattacken weg waren, entschloss ich mich auch, dass ich mir selbst erlaubte, was ich allen anderen Menschen, ohne mit der Wimper zu zucken, erlaubte.

Ich durfte plötzlich Fehler machen

Ich erlaubte mir Fehler zu machen. Ich erlaubte mir, nicht perfekt zu sein. Ich erlaubte mir, Dinge nicht zu Ende gemacht zu haben. Ich erlaubte mir sogar, müde zu sein. Ich erlaubte mir unzulänglich zu sein. Ich erlaubte mir, keine Lust zu haben, Menschen zu treffen, die mir nicht gut taten. Und ich fühlte mich, wie der mutigste Mensch auf der Welt.

Ich entgiftete mein Leben

Ich wies all die schrecklichen LehrerInnen aus den Schulen meiner Kinder zurück, die von mir verlangten ihren Job zu machen. Ich schmiss toxische Menschen aus meinem Lebem, damit mehr Platz für die liebevollen Menschen war. Ich fing an, für meine eigenen Bedürfnisse einzustehen. Und ich begann, mich nicht mehr als den Mülleimer der Nation zu sehen. Ich fing an, mich selbst zu mögen.

Mich selbst zu mögen – was für ein Schritt!

Es war nicht leicht, mich zu mögen. Denn immer noch hatte ich Ecken und Kanten, die ich lieber nicht gehabt hätte. Ich war immer noch nicht der Mensch, den ich als Ideal vor mir sah. Aber ich war ein Mensch auf dem Weg. Ich erkannte, dass genau dies der Grund war, warum ich inkarniert war – um mich auf den Weg zu machen, der Mensch zu werden, der ich gerne sein möchte. Und ich bin da noch lange nicht angekommen, aber ich kann mir heute verzeihen, wenn ich etwas nicht so gut gemacht habe, wie ich es eigentlich hätte tun wollen. Ich kann es ohne schlechtes Gewissen akzeptieren, wenn ich an manchen Tagen auf nichts Lust habe. Und ich kann über mich selbst lachen.

Humor war ein wichtiger Schritt aus dem Teufelskreis

Heute ist die Schuld die Scham nur noch selten spürbar. Heute kann ich darüber lachen, wenn ich mich mal wieder als die halb-sizilianische Furie gezeigt habe, die ich bin, aber eigentlich nicht sein möchte. Ich kann darüber lachen, wenn meine Küche im Chaos versinkt, weil ich eines besonders gut kann: Ordentliche Räume in ein absolutes Chaos verwandeln. Aber ich kann es anschließend auch wieder aufräumen. Ich habe die Freiheit, einfach Chaos zu machen, weil es mein Chaos ist. Ich akzeptiere es, Pläne wieder zurück in die Schublade zu legen, wenn ich merke, dass ich mich damit übernommen habe….und so weiter… Ich kann mich sehen, als die die ich: Ein Mensch, der sich redlich bemüht und hin und wieder an den eigenen Ansprüchen scheitert. Und das fühlt sich gut an.

Mit mir selbst die meiste Zeit im Reinen zu sein, war der entscheidende Durchbruch auf meinem Weg. Ich muss nicht mehr jedem Menschen gefallen und es muss mich auch nicht Jeder mögen. Und es wird auf meinem Sterbebett völlig egal sein, dass ich manchmal die Buchhaltung zu spät abgegeben, im Lauf des Tages das Haus in ein kreatives Chaos verwandelt und ein schnelles Essen gekocht habe.

In diesem Sinne wünsche ich Euch, dass Ihr vielleicht auch ein wenig gnädiger mit Euch sein könnt. Denn wir sind nicht auf die Erde gekommen, weil wir schon perfekt sind. Wir sind hier, weil wir uns auf dem Weg befinden.

Alles Liebe in Euren Donnerstag

Manou Gardner Medium aka Manuela Pusker

Bild von Hoàng Nguyên Lý auf Pixabay

Die Kunst, sich selbst zu mögen

Gerade habe ich überlegt, was heute geschrieben werden möchte, und dann kam mir diese Überschrift in den Sinn. Und ich finde, das ist einen Impuls wert. Es ist ja – finde ich zumindest – meist relativ leicht, andere Menschen zu mögen. Schließlich sieht man deren Schwächen oft nicht, sondern kann sich auf das Augenscheinliche konzentrieren. Bei sich selbst ist das aber eine andere Nummer. Wir sind uns meist viel mehr unserer Schwächen bewusst, als unserer Stärken. Und die meisten Menschen neigen dazu, sich selbst wirklich hart zu kritisieren.

Was wir uns alles vorwerfen

Die meisten Menschen werfen sich oftmals den ganzen Tag über irgendwelche Dinge vor: Was wir nicht erledigt haben, was wir nicht gut genug erledigt haben, was wir nicht durchgehalten haben, was wir vergessen haben, was wir Falsches gesagt oder getan haben…die Liste ist unendlich. Wir sind mit uns selbst praktisch nie zufrieden.

Was wir uns nicht sagen

Wir sagen uns selbst in den wenigsten Fällen, wenn wir etwas gut gemacht haben. Selbst wenn wir gerade etwas wirklich gut gemacht haben, kommt der innere Zensor hervor und wirft uns vor, was wir noch nicht erledigt haben, oder wie wir es sogar noch besser machen könnten.

Was wir uns sagen sollten

Wenn wir es schaffen würden, zu uns selbst nett zu sein, uns selbst gut zuzusprechen, uns zu loben, uns zu verzeihen, uns selbst mit liebevollen Augen zu betrachten, dann würden wir oftmals ganz anders im Leben stehen. Wir hätten nämlich einen Menschen auf dieser Welt, der uns bedingungslos liebt – wir uns selbst!

Warum wir oft so gemein zu uns selbst sind

Die meisten Menschen sind zu sich selbst gemeiner als sie jemals zu einem anderen Menschen sein könnten. Wir sind es gewohnt, dass wir uns selbst herabwürdigen, weil wir nach Besserem streben. Unsere Leistungsgesellschaft hat uns von Kind auf indoktriniert, dass wir uns über unser TUN definieren, anstatt über unser SEIN. Und es gibt da draußen tausende von Coaches, die uns immer wieder erklären, dass wir schneller, besser, erfolgreicher…etc. sein könnten. Aber niemand sagt uns, dass wir netter zu uns selbst sein dürfen. Wir sind gewohnt, alles unter dem Motto des Erfolgs, der Leistung und dem Vergleichen mit anderen Menschen zu sehen.

Wir kommen wir aus der Falle raus?

Wir kommen nur dann aus dieser Falle der Selbstkritik raus, wenn wir damit beginnen, uns selbst als FreundIn wahrzunehmen. Unser Streben anzuerkennen und uns selbst dafür zu loben und uns daran zu erinnern, dass wir auch gut sind, wenn wir einfach nur SIND. Das Dasein an sich ist unser Geburtsrecht. Und wenn wir Dinge vielleicht nicht so gut machen, wie wir gerne wollen, so dürfen wir uns sagen, dass wir es zumindest versucht haben.

Im Latein-Unterricht hat mir dieser Satz besonders gut gefallen: In magnis et voluisse sat est – in den großen Dingen genügt es, gewollt zu haben.

In diesem Sinne wünsche ich Euch und Ihnen einen wunderschönen Samstag

Eure

Manou Gardner aka Manuela Pusker

Bild von Ben Kerckx auf Pixabay