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Klara war absolut entzückt, sieben Engel in ihrem Wohnzimmer zu bewirten. Immer wieder und wieder mussten sie ihr erzählen, wie es in der Engel-Welt ist und sie bat auch noch mehrmals darum, dass die Erzengel den Lichtschein erstrahlen ließen. Dabei klatschte sie in die Hände und freute sich einfach. Sie wusste, dass sie das niemandem erzählen konnte. Diese Geschichte würde ihr kein Mensch glauben. Umso mehr freute sie sich über die Gesellschaft von Martin. Sie würde jeden Tag mit ihm über dieses himmlische Erlebnis sprechen können.
Indessen ging Martin in der Werkstatt auf und ab. Es war ihm vollkommen klar, dass sie einen Fernsehsender brauchen würden, der diese Botschaft ausstrahlte. Martin erinnerte sich an seinen Freund Hannes, der einen eigenen Sender hatte. Dummerweise hatte er sich von all seinen Freunden zurückgezogen und alle Brücken abgebrochen, als er beschloss, auf der Straße zu leben. Aber soweit er sich erinnern konnte, hatte Hannes immer schon ein großes Interesse für solche übersinnlichen Themen gehabt. Das war ja sogar der Grund, warum er damals diesen Sender ins Leben rief. Er wollte diese Art von Geschichten in der Welt verbreiten. Doch Martin war sich unsicher, ob Hannes überhaupt noch mit ihm sprechen wollte. So lange hatte er nichts von sich hören lassen. Aber er musste es versuchen. Hannes hätte das große Publikum, das sie nun brauchten. So wie die Engel das versucht hatten, war es doch ein wenig „old school“. Sie brauchten innovativere Methoden. Und wie das medial umzusetzen wäre, das würde Hannes wissen.
Martin fasste sich ein Herz und suchte die Telefonnummer von Hannes aus seinem Handy. Dabei fiel ihm ein, dass Hannes ihn damals, vor Jahren, noch mehrmals versucht hatte zu erreichen. Aber er hatte weder abgenommen noch hatte er zurückgerufen. Zu tief saß damals die Scham und die Enttäuschung über seine geplatzte Karriere als Vortragsredner. Er wollte nur noch weg.
Das Telefon läutete bereits. Martin war mehrmals versucht einfach wieder aufzulegen, aber es ging heute nicht um ihn, sondern um das Anliegen dieser Engel. Nach dem fünften Läuten hob Hannes ab. „Ich kann nicht glauben, dass du mich anrufst, Martin Körner“, erklang es am anderen Ende. Martin zuckte innerlich zusammen. Sehr freundlich klang das nicht. „Hannes, es tut mir leid. Aber ich muss dir etwas sehr Wichtiges erzählen…“, wollte Martin das Gespräch beginnen. „Moment mal!“, herrschte ihn Hannes an. „Ich glaube einfach nicht, dass du anrufst und mir etwas erzählen willst, als hätten wir uns vorgestern das letzte Mal gesehen.“ Martin schwieg einen Moment, dann sagte er: „Was muss ich tun, damit du mir zuhörst? Es ist wichtig und es geht nicht um mich.“ Nun schwieg Hannes. „Martin, wenn ich mit dir sprechen soll, muss ich dich sehen. Es ist viel Zeit vergangen und wir waren enge Freunde. Das kann ich jetzt nicht einfach vom Tisch wischen. Bevor ich mir deine Geschichte anhöre, möchte ich wissen, was mit dir geschehen ist. Bist du in Wien?“
Martin konnte Hannes natürlich verstehen. Es war wirklich schlimm gewesen, dass er sich nie bei ihm gemeldet hatte und er hatte oft an Hannes gedacht. Aber je tiefer er in den Sumpf der Obdachlosigkeit gerutscht war, umso weniger hatte er den Mut gehabt, sich zu melden. Aber nun gab er Hannes seine Adresse und Hannes versprach, in einer halben Stunde bei ihm zu sein.
Martin ging weiter nervös auf und ab. Eigentlich hatte Hannes ihm nun einen großen Gefallen getan, denn es war wesentlich einfacher alles zu erklären, wenn er ihm die Engel sogar vorstellen konnte. Aber wie sollten sie die Botschaft verbreiten? Obwohl Martin wusste, dass das eigentlich die Aufgabe von Hannes war, so zermarterte er sich doch sein Gehirn, weil er gerne einen Vorschlag gemacht hätte. Aber es wollte ihm einfach nichts einfallen. Wenn sie die Geschichte nur erzählen würden, würden die Menschen zwar vermutlich begierig der Geschichte lauschen, aber es steckte kein Handlungsimpuls drinnen. Er musste auf Hannes warten. Er war ein schlauer Kopf.
Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis Hannes eintraf. Zuerst schaute er Martin noch ein wenig grimmig an. Er war enttäuscht und hatte sich auch viele Sorgen um seinen Freund gemacht. Aber bald stellte sich wieder die alte Vertrautheit ein. Zu lange waren sie gemeinsam auf den großen Rednerbühnen der Welt gestanden, um dies jetzt alles zu vergessen. Sie waren Schicksalsgefährten. Martin musste Hannes erzählen, warum er sich niemals mehr gemeldet hatte und Hannes konnte ihn sogar verstehen. Das Speaker-Business war ein hartes Gewerbe. Wenn man da nicht mehr obenauf war, wurde man schnell fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel. Und Hannes musste sich auch selbst den Vorwurf machen, dass er damals mit sich und seinem Fernsehsender so beschäftigt war, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie schlecht es Martin ging.
Aber die Option heute noch sieben echte Engel kennenlernen zu dürfen, sorgte bei Hannes für rote Wangen vor lauter Aufregung. Martin kannte diese roten Wangen und er wusste, dass Hannes vollkommen angebissen hatte. Er war der richtige Mann!
Hannes fasste alles noch einmal zusammen: „Also, du hast die beiden Jung-Engel kennengelernt und hast ihnen von deinem Traum erzählt, diese Handkarren für Obdachlose zu bauen. Dann haben diese Engel dafür gesorgt, dass Klara ins Spiel kam. Nun bist du glücklich, weil du hier wohnen und arbeiten kannst und Klara ist glücklich, weil sie nicht mehr alleine sind. Die Engel sind glücklich, weil sie einen ersten kleinen Erfolg haben, weil du auch andere Obdachlose ins Boot geholt hast und ihnen Arbeit geben wirst und weil ihr für die Kollegen und Kolleginnen auf der Straße diese Wagen bauen werdet, wo sie warm und sicher drin schlafen können. Das ist ja eine win-win-win-win-win Situation. Da gibt es ja nur Gewinner. Ich habe eine Idee!“ sagte er. „Aber zuerst möchte ich Klara und die Engel jetzt endlich kennenlernen.“
Gemeinsam gingen sie hinüber in Klaras Wohnung. Martin stellte Hannes vor und Klara sorgte auf der Stelle dafür, dass auch Hannes Tee und Kekse bekam. Martin spürte, dass Hannes die Erzengel und die beiden Jung-Engel heimlich und sehr ehrfürchtig musterte.
Als er die dampfende Tasse vor sich stehen hatte, begann Hannes seine Idee zu schildern: „Ich habe es so verstanden, dass ihr die Menschen dazu bringen möchtet, dass sie zu Lichtern der Liebe auf der Erde werden. Stimmt das?“, fragte er die Engel.
Phanuel antwortete: „Ja, das ist aber nicht alles. Wir brauchen diese Energie der Liebe, damit wir die gesamte Energie auf der Erde anheben können. Je höher die Menschen schwingen und je mehr sie sich auf das Gute, das Schöne und das Wahre konzentrieren, desto ungemütlicher wird es für die dunklen Mächte. Die können sich in einer hohen Schwingung nicht halten. Aber dazu muss noch sehr viel geschehen. Es müssen viele Menschen sich verändern und anfangen, ganz anders zu denken.“ Hannes nickte. „Ich verstehe“, sagte er.
„Besteht die Möglichkeit, dass ihr euch als Engel zu erkennen gebt?“, fragte er nach. Die Erzengel sahen sich an. „Eigentlich sollten wir im Verborgenen wirken, wenn es also möglich wäre, dass wir uns nicht zu erkennen geben, wäre es gut. Die Menschen sollen von sich aus handeln. Das ist viel besser“, sagte Phanuel. Hannes rieb sich das Kinn. Das war schade, denn natürlich würden sie für viel mehr Aufsehen sorgen können, wenn sich die Engel zu erkennen gäben.
Nach einer Weile fing Hannes an zu sprechen. „Okay, wir könnten einmal so beginnen: Wir machen eine Sondersendung, in der Martin und Klara von ihrem Zusammentreffen erzählen und dass sie von himmlischen Mächten zusammengeführt worden sind, weil diese im Moment bereit sind, Menschen ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, wenn dieser Wunsch für viele Menschen zum Guten führen würde. Und wir könnten zu einer Art Wettbewerb einladen, indem die Menschen heute noch beginnen, ihre Ideen an den Sender zu schicken. Dann haben wir alle vermutlich in den nächsten Tagen eine Menge zu tun, um die Ideen zu sichten und könnten jeden Abend darüber berichten. Das wäre einmal ein Anfang. Und während das läuft, können wir uns überlegen, welche Ideen wir noch umsetzen werden. Die besten Ideen müsstet ihr dann unterstützen. Das können wir als eine Art Weihnachts-Challenge nach draußen senden. Was haltet ihr davon?“
Die Engel wirkten begeistert und Klara freute sich darüber, ins Fernsehen zu kommen. Hannes schaute auf die Uhr. Es ist jetzt 16.00 Uhr. Ich würde ein Kamerateam herbestellen und wir könnten um 21.00 Uhr schon damit auf Sendung gehen. Dann haben wir heute Nacht garantiert schon die ersten Einsendungen.
Martin war platt. Hannes war echt ein Mann der Tat. Er überlegte nicht erst lange, sondern handelte. Das wäre auf jeden Fall ein guter Anfang und vor allen Dingen würde gleich heute etwas geschehen. In den Menschen steckten sicherlich eine Menge guter Ideen.
„Okay, dann sollten wir hier nicht länger herumsitzen, sondern drüben die Werkstatt vorbereiten, damit die Beleuchter genügend Platz haben, um die Lampen aufzustellen. Und während wir das machen, denken wir über das Interview nach. Am besten frage ich euch beide“, sagte Hannes und zeigte auf Martin und Klara. „Und wenn wir zumindest die Jung-Engel dazu bekommen könnten, wäre es genial. Wir müssen ja jetzt im ersten Schritt noch nicht verraten, dass sie Engel sind. Es könnten ja auch engagierte Jugendliche sein“, fügte er noch hinzu.
Alle waren einverstanden und es entstand augenblicklich ein geschäftiges Treiben. Während Hannes telefonierte, eilten Martin, Klara und die Engel schon hinüber in die Werkstatt und begannen Platz zu schaffen.
So, und wie es weitergeht, erfahrt Ihr morgen Abend. Ich wünsche allen eine wunderschöne und gute Nacht!
Manou