Gestern habe ich über die guten Wegbegleiter für uns geschrieben. Aber wie sieht es mit uns selbst aus? Sind wir gute WegbegleiterInnen? Als PartnerInnen? FreundInnen? Oder als Zufallsbekanntschaften? Wie gehen wir mit den Menschen in unserer Umgebung um? Wenn wir für uns in Anspruch nehmen, dass wir in unserer Entwicklung unterstützt werden, dass wir unseren Weg gehen dürfen, ohne dass sich jemand dagegen stemmt, so ist es ja nur natürlich, dass wir auch darüber nachdenken, wie wir damit umgehen, wenn in unserem Umfeld Menschen sich auf den Weg machen – wohin auch immer. Können wir sie dabei unterstützen? Können wir freilassend genug sein? Können wir dem anderen Menschen das Gefühl geben, dass er gut und richtig ist, auch wenn sein Weg nicht unser Weg ist?
Die Bedürfnisse des anderen Menschen?
Oftmals fällt es uns ja noch relativ leicht zu erkennen, was wir selbst brauchen. Aber können wir auch erkennen, was der andere Mensch braucht? Und wenn wir es erkennen, können wir es auch akzeptieren und respektieren? Können wir den anderen Menschen als Individuum betrachten, das ebenso seinen eigenen Weg suchen will, wie wir selbst? Oftmals ist dies leicht, wenn die Ansichten, Meinungen und Werte übereinstimmen. Aber was tun wir, wenn dies nicht der Fall ist? Wenn der andere Mensch etwas ganz Anderes sucht als wir? Können wir soweit mit unserer Meinung zurücktreten, dass auch der Andere in der Freiheit ist? Oder suchen wir sofort danach, wie dies unsere eigenen Bedürfnisse unter Umständen beeinträchtigen könnte? Wollen wir den anderen Menschen unbedingt mitnehmen auf unserem Weg? Dann würden wir ihn nicht in der Freiheit lassen. So wie wir unsere Freiheit brauchen, braucht diese auch der/die Andere.
Bedürfnisse des anderen Menschen versus unsere eigenen Bedürfnisse
Was tun wir, wenn die Freiheit des anderen Menschen unsere Bedürfnisse beeinträchtigt? Wie weit sind wir in der Lage unsere Bedürfnisse nicht vom anderen Menschen abhängig zu machen? Bei Freundschaften geht das meist noch relativ leicht. Da sind wir “nur” aufgerufen, dass wir dem anderen Menschen einen eigenen Seelenplan zugestehen. Aber so einfach das klingt, gerade in Freundschaften wird oft unterschwellig suggeriert, dass der Weg nur dann richtig ist, wenn er für beide der richtige Weg ist. Wie weit können wir Freunden und Freundinnen wirklich zuhören ohne bewusst oder unbewusst zu manipulieren? Selbst wenn das zum Beispiel heißen würde, dass dieser Mensch nun weniger Zeit für uns hat, oder in eine andere Stadt oder ein anderes Land gehen wird? Wie oft versucht man doch dann, die eigene Komfortzone zu erhalten, indem man die Pläne des Anderen schlecht redet, diesen Menschen entmutigt? In Partnerschaften wird es noch einmal etwas schwieriger, da spielen oft existentielle Themen mit hinein. Was tun wir, wenn der Partner oder die Partnerin seinen Job aufgeben will, in dem er oder sie zwar gut verdient, aber sich unglücklich fühlt? Treten wir dem mit Verständnis entgegen oder versuchen wir, unsere Komfortzone aufrecht zu halten? Was tun wir, wenn der Partner oder die Partnerin das Leben in einer anderen Region dieser Erde zubringen möchte? Sind wir bereit, die Argumente anzuhören und darüber nachzudenken, oder schmettern wir diese sofort vom Tisch, weil uns der Gedanke Angst macht?
Oder was tun wir, wenn der Partner oder die Partnerin uns mitteilt, dass er/sie sich anderweitig verliebt hat, sich eventuell sogar von uns trennen will? Werden wir dann zur Bestie, oder versuchen wir, trotz der Kränkung, den anderen Menschen zu verstehen – zu erkennen, dass selbst solche Dinge zur persönlichen Entwicklung gehören können?
Trennungen in der Partnerschaft
Gerade bei Trennungen kann man oft erleben, dass Menschen, die sich einmal geliebt haben, plötzlich zu Feinden werden. Warum ist das so? Natürlich fühlt sich ein verlassener Partner gekränkt, aber bedeutet dies, dass man den anderen Menschen dafür vernichten muss? Ich habe diese Beobachtung nicht selten gemacht. Sobald das Ego des Einen gekränkt ist, werden ohne Rücksicht auf eventuelle Verluste, schwere Geschütze aufgefahren, um dem Partner der gehen will, das Leben so schwer wie möglich zu machen. Da werden Kinder als Waffe gezückt, das Geld sowieso und so weiter. Aber wäre nicht genau dies die Prüfung, ob wir es mit unserem spirituellen Weg wirklich ernst meinen?
Den anderen Menschen in Liebe ziehen lassen
Egal ob in Freundschaften oder Partnerschaften, wenn wir wirklich gute WegbegleiterInnen sein möchten, dann lassen wir Menschen ziehen, wenn diese es möchten. Ebensowenig wie wir in unserer Entwicklung gebremst werden wollen, haben wir das Recht, andere Menschen zu bremsen. Und je näher uns dieser Mensch steht, umso größer ist die Prüfung dabei. Aber niemand hat das Recht einen anderen Menschen abzuhalten, seinen Weg zu gehen.
Selbst offen zu sein für die Menschen, die den Weg mit uns gehen wollen
Wenn wir uns verschließen vor der Welt, wenn wir uns selbst als so unendlich fortgeschritten und entwickelt betrachten, dass die wir insgeheim all die anderen Menschen bedauern und mit einer gewissen (gerade spirituellen Menschen oft eigenen) Arroganz betrachten, dann werden wir einen sehr einsamen Weg gehen. Aber wenn wir anderen Menschen mit Offenheit begegnen, wenn wir bereit sind RICHTIG zuzuhören, dann werden wir sehr oft entdecken, dass diese Menschen sich ebenfalls ihre Gedanken machen und um ihre Erkenntnisse ringen. Aber gerade in der spirituellen Szene wird oft vorschnell geurteilt. Nur weil jemand nicht so eloquent ist, oder seine Gedanken nicht so schnell zur Sprache bringt, bedeutet das nicht, dass dieser Mensch auf seinem Weg noch nicht so weit gegangen ist. Viele Menschen sind es gewohnt, ihre Erfahrungen und Gedanken für sich zu behalten, weil sie zum Beispiel schlechte Erfahrungen gemacht haben, wenn sie darüber gesprochen haben.
Die spirituellen Marktschreier
In der spirituellen Szene gibt es Menschen, die sich selbst als den Nabel der Welt betrachten und keine Meinung außer der eigenen gelten lassen. Das sind Menschen, die sich selbst komplett überhöhen und anderen Menschen auch gerne das Gefühl geben, dass sie alles wissen und können. Ihre Sicht der Dinge zählt – keine andere Sicht ist akzeptabel. Diese Menschen sind keine guten WegbegleiterInnen, da sie niemanden auf Augenhöhe dulden. Oftmals wirken sie auf den ersten Blick sogar charismatisch. Doch der zweite Blick enthüllt dann oft das verletzte Ego, das sich mit aller Gewalt gegen alles wehrt, das ihm gefährlich werden könnte. Diese Menschen haben oft schreckliche Angst davor, eines Tages entlarvt zu werden. Hüten wir uns vor diesen Menschen! Und hüten wir uns vor allen Dingen davor, zu diesen Menschen zu werden! Doch betrachten wir auch diese Menschen mit Milde, da auch sie ihren Weg gerade suchen. Doch bleiben wir für uns auf dem Boden der Tatsachen, dass wir selbst auch fehlbar sind, dass wir auch suchen und ringen und dass wir immer Lernende bleiben werden.
Werden wir weise und bescheiden
Wirkliche gute WegbegleiterInnen sind Menschen, die sich durch ihre persönliche Entwicklung eine Menge Wissen und vor allem Weisheit angeeignet haben. Das sind Menschen, die dem anderen Menschen zuhören, sich Gedanken über DESSEN oder DEREN Worte machen, und nicht sofort prüfen, wie dies eventuell die eigenen Pläne durchkreuzen könnte. Wirklich gute WeggefährtInnen unterstützen den Weg des/der Anderen und denken höchstens darüber nach, wie sie helfen oder Mut zusprechen könne, damit der Freund/die Freundin oder der Partner/die Partnerin den eigenen Weg gehen kann. Mit solchen Menschen kann man weite Strecken des Weges gemeinsam gehen, weil sie akzeptieren können, dass man manchmal ganz eng nebeneinander geht und manchmal wird die Distanz etwas größer um sich vielleicht irgendwann wieder zu verringern.
Echte WegbegleiterInnen erkennen das Leben als eine wellenförmige Bewegung, in der man manchmal auf dem Wellenkamm surft und manchmal sich seinen Weg durchs Wellental bahnt. Und dies gestehen sie auch dem anderen Menschen zu und brechen nicht gleich alle Brücken hinter sich ab, nur weil der Weg des anderen Menschen jetzt nicht genau mit dem eigenen Weg und den eigenen Vorstellungen konform geht.
Suchen wir diese Menschen und vor allen Dingen: Seien wir diese Menschen!
Ich wünsche Euch und Ihnen einen wunderschönen Sonntag!
Manou Gardner Medium
Bild von Patou Ricard auf Pixabay