Jeder Mensch erlebt im Lauf seines Lebens ungezählte Kränkungen. Manche ärgern uns nur im Moment, andere bleiben tief in unserem Bewusstsein und manchmal sogar in unserem Unterbewusstsein hängen. Diese Art der Kränkungen können sogar zu Glaubenssätzen werden – je nachdem wann und von wem wir diese erfahren haben. Das Schlimme daran ist, dass uns viele dieser Momente gar nicht mehr bewusst sind – wir fühlen also den Inhalt der Kränkung in uns, doch ist die Ursache und der Verursacher nicht mehr präsent. Und das kann fatale Folgen haben. Wir wissen vielleicht gar nicht mehr, warum wir uns unzulänglich fühlen, tun dies aber aufgrund einer früheren Aussage – und dabei stimmt es überhaupt nicht. Doch wir tragen nun den Schuh, den uns jemand anderer angezogen hat. Daher ist es wichtig, seine Glaubenssätze zu erforschen und sich selbst neu kennenzulernen.
Was sagen wir uns selbst immer vor, bzw. behaupten wir sogar vor anderen über uns?
Mein deutlichstes Erlebnis dieser Art hatte ich vor vielen Jahren als ich noch Berufsorientierungstrainerin für die Unfallversicherungsanstalt war. Da hatte ich als Klienten einen jungen Mann, der mich schon mit den Worten begrüßte: “Mit mir brauchen sie sich keine große Mühe geben, ich habe eine Lernbehinderung.” Zunächst ignorierte ich diesen Satz, denn ich wollte mir lieber selbst ein Bild machen. Aber als der junge Mann dies im ersten Vorgespräch noch zweimal wiederholte, fragte ich ihn, woher er das denn wisse. Und er antwortete: “Das hat mein Volksschullehrer zu mir gesagt.” Der Volksschulllehrer! Dieser Mann war Mitte 30, das hieß, er lief seit 30 Jahren durch die Welt und trug auf seiner Stirn den Stempel “Lernbehinderung”. Und obwohl ich normalerweise nicht so gerne mit den üblichen Tests arbeitete, machte ich diese alle mit diesem jungen Mann – und ihr könnt es Euch denken: Er hatte nicht einmal einen Hauch einer Lernbehinderung. Zumindest konnte ich weder in den Tests noch in den Gesprächen etwas davon feststellen. Dieser junge Mann war absolut durchschnittlich begabt und in seiner Auffassung nicht eingeschränkt. Doch diese Aussage seines Volksschullehrers hatte ihn so tief getroffen, dass er fortan daran festhielt. Ich weiß nicht, ob ich es in der kurzen Zeit geschafft habe, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, aber zumindest wusste er, woher es kam und konnte oder kann damit arbeiten.
Doch nicht immer haben wir es so genau im Bewusstsein, woher die negativen Gedanken kommen, die wir selbst über uns denken. Manches Mal ist es schon so in uns versteckt, dass wir glauben, wir haben die Erfahrung selbst mit uns gemacht und uns somit das Urteil über uns selbst gebildet. Das kann auch sein, aber zuvor hat es vermutlich jemand anderer zu uns gesagt. Und ganz im Sinne einer “Selfullfilling Prophecy” haben wir dann auch entsprechend gehandelt, was das vermeintliche Wissen über uns selbst nur vertieft hat.
Wie kommen wir aus der Nummer raus?
Zunächst sollten wir uns einmal all die negativen Gedanken und Glaubenssätze über uns hervorholen und diese aufschreiben. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
- Ich bin schlampig
- Ich habe zwei linke Hände
- Ich habe immer Pech
- Ich kann keine Freundschaften schließen
- etc….da fällt Euch sicher noch mehr ein
Weiteres Vorgehen zum Auflösen dieser negativen Glaubenssätze
- Ihr sucht Euch den Glaubenssatz aus, der Euch derzeit am meisten belastet. Aber bitte nur einen.
- Ihr dreht den Satz um in die positive Richtung. Also wenn der Glaubenssatz lautet: “Ich habe zwei linke Hände” wird daraus: “Ich bin sehr geschickt”
- Ihr lebt ein paar Wochen mit dem umgekehrten Satz. Also um bei dem Beispiel zu bleiben: Ihr sucht Euch ganz gezielt Möglichkeiten, um Eure Geschicklichkeit auszuprobieren. Und natürlich kann dies anfangs etwas schwierig sein, aber je öfter Ihr es ausprobiert, desto leichter fällt es plötzlich. Sucht Euch Möglichkeiten, um Euch Eure Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen.
- Das macht Ihr so lange, bis der Glaubenssatz aufgelöst ist und Ihr Euch vom Gegenteil überzeugt habt.
- Dann nehmt Ihr den nächsten Glaubenssatz dazu: Zum Beispiel der: “Ich bin unattraktiv”. In dem Fall schaut Ihr Euch ganz genau im Spiegel an und konzentriert Euch auf das, was an Euch attraktiv ist. Jeder Mensch hat etwas, das ihm selbst an sich gefällt. Kleidet Euch bewusst vorteilhaft, unterstreicht Eure Vorteile und sagt Euch immer wieder: “Ich kann attraktiv sein, wenn ich es nur möchte.” Und Ihr werdet sehen, Ihr werdet im Lauf der Zeit ein ganz neues Bild von Euch selbst bekommen. Es ist eine Entscheidung, ob man sich selbst als attraktiv oder unattraktiv erlebt.
- Und so nehmt Ihr den ganzen Sommer lang einen Satz nach dem anderen und versucht, diesen vor Euch selbst zu entkräften. Dabei ist es noch gar nicht wichtig, Feedback von außen zu erhalten. Das kommt dann schon mit der Zeit. Zunächst ist es wichtig, dass Ihr Euch selbst vom Gegenteil überzeugt.
- Falls es mit einem der Sätze gar nicht klappen will, nehmt einen anderen. Es stehen sicher genug zur Auswahl. Ich würde Euch raten, mit den einfacheren zu beginnen und die Schwierigkeitsstufen zu steigern.
Da heute Sonntag ist, ist es ein perfekter Tag um sofort damit zu beginnen. Lernt Euch selbst neu kennen! Macht Euch Eure Liste wenn Ihr möchtet – das dauert vielleicht eine Stunde. Die Liste muss noch nicht vollständig sein, sie kann immer wieder ergänzt werden. Nehmt Euch den ersten Satz vor und dreht ihn um ins Gegenteil. Und Ihr werdet sehen, dass Ihr auf diesem Weg ganz viele Eurer Blockaden auflösen könnt. Und verabschiedet Euch von dem Gedanken, dass Ihr alles auflösen müsst. Wenn es nur die Hälfte ist, ist es schon ein absoluter Gewinn für Euer weiteres Leben.
In diesem Sinne wünsche ich Euch einen wunderschönen Sonntag
Manou Gardner Medium aka Manuela Pusker
Bild von Alexey Klen auf Pixabay