Gerade als sie wieder ins Haus gehen wollten, sahen sie Beppo über die Felder stapfen. Schon von Weitem winkte er. Linda und die Kinder winkten erfreut zurück. „Guten Morgen, ich möchte euch nicht stören. Aber mich interessiert, wie eure Nacht war und ob ich euch bei etwas helfen kann.“ Der gute Beppo war ganz außer Atem. „Guten Morgen Beppo“, rief Linda. „Die Nacht war wunderbar und wir werden uns jetzt mal auf den Weg machen und alle Kleinigkeiten besorgen, die wir brauchen. Sollen wir dir auch etwas mitbringen?“

Beppo schüttelte den Kopf. „Danke, dann bringt mich Herta um. Ich habe ihr versprochen, dass ich meinen Krempel reduziere. Ich wollte nur sagen, kauft bitte kein Werkzeug. Ich habe hier gestern ganz viel Werkzeug gesehen und wenn es euch nichts ausmacht, würde ich den hinteren Bereich in der Scheune ein wenig zu einer Werkstatt machen.“ „Oh Beppo, das ist sehr lieb. Wenn es dir nichts ausmacht, wären wir darüber wirklich froh.

Bis wir zu solchen Details kommen, wird noch ein wenig Zeit verstreichen. Im Übrigen bin ich froh, wenn du hier bist, solange wir unterwegs sind. Denn mein Noch-Mann hat vorgestern Abend gesagt, dass er für heute einen Makler herschicken wollte. Falls der kommt, kannst du den bitte verjagen?“ Beppo lachte. „Nichts lieber als das. Und sollte dein Noch-Mann nochmal auftauchen, werde ich ihn mit der Mistgabel vom Hof jagen“, sagte er fröhlich. Linda musste lachen. Die Vorstellung war wirklich wunderbar. Es war super, sich so beschützt zu fühlen. Dann stand ihrem Einkaufstrip ja nichts mehr im Wege.

Kurze Zeit darauf saßen Linda und die Kinder schon im Auto und brausten zum nächstgelegenen Schweden. Sie schwärmten zu dritt aus und jeder suchte sich die Dinge, die er dringend brauchte und die sie verwenden konnten, um das Haus ein wenig persönlicher zu machen. Nach drei Stunden waren sie mit dem meisten durch und brachten noch das Gedränge an der Kasse hinter sich.

Linda war froh, dass sie die letzten Monate kaum Geld ausgegeben hatte, sodass der Einkauf zwar ein ganz schönes Loch in ihre Kasse riss, sie ihn aber locker bezahlen konnte. „Lasst uns das Zeug ins Auto laden, dann können wir hier gleich noch ein paar Zimtschnecken oder Pizzataschen verspeisen“, sagte Linda und Klara und Jonas nickten, denn auch ihr Magen knurrte mittlerweile ziemlich laut.

Gestärkt machten sie sich auf den Weg zum nächsten Supermarkt und kauften einen stattlichen Vorrat an Lebensmitteln ein, den sie nur noch mit Mühe im Auto verstauen konnten. „Ein Glück, dass ich früher gerne Tetris gespielt habe“, lachte Linda und stopfte Kartoffeln zwischen Kartons. Fröhlich machten sie sich auf den Heimweg und freuten sich schon darauf mit den neu erstandenen Schätzen das Haus zu dekorieren.

Sie hatten schon eine Menge erledigt und es war erst früher Nachmittag. Sie würden also ihr Programm, das sie sich für heute vorgenommen hatten, gut schaffen. Für Linda war es schon fast normal, die Forststraße einzubiegen und durch das Wäldchen zum Breitner-Hof zu fahren. Sie nannte das Haus mittlerweile so, und da es der Mädchenname ihrer Mutter war, kam ihr das auch nicht fremd vor. Allerdings schwand ihre gute Laune jäh, als das Haus in Sichtweite kaum. Das erste, was sie sah, war Georgs Wagen und daneben standen zwei Polizeiautos und Beppo und ein paar andere Männer fuchtelten herum. „Oh Gott! Was ist denn hier los?“, rief Linda aus und sprang aus dem Auto. Jonas und Klara folgten ihr. „Ah, da kommt ja die Eigentümerin“, rief einer der Polizisten und kam Linda entgegen.

„Guten Tag, ich bin Hauptwachtmeister Fischer. Kennen sie diesen Herrn hier?“, fragte er und deutete auf Georg. „Allerdings kenne ich diesen Herrn, das ist mein Noch-Ehemann und ich frage mich, was er hier möchte“, sagte Linda und versuchte, die Angst, die sich gerade in ihr breit machte, zu unterdrücken. „Was ich hier tue? Ich möchte sowohl mein Eigentum hier veräußern, als auch meine Frau und meine Kinder nach Hause holen. Was denkst du dir eigentlich, Linda? Hast du nun vollkommen den Verstand verloren? Du kommst sofort nach Hause!“ schrie Georg sie an.

„Weder ist das hier dein Eigentum…“, dabei zeigte sie mit dem Arm auf den Hof und den Grund, „…noch werde ich jemals wieder zu dir zurückkommen. Mach` dass du von meinem Eigentum verschwindest oder ich zeige dich auf der Stelle wegen Hausfriedensbruch an!“, schrie Linda zurück. „Nur die Ruhe, die Herrschaften. Wessen Eigentum ist das jetzt?“, fragte der behäbige Polizist. „Es ist mein Eigentum, ich habe es geerbt. Das kann ich beweisen, wenn sie mir bitte ins Haus folgen wollen“, sagte Linda nun etwas ruhiger.

Sie untersagte Georg, der hinter ihr herkommen wollte, mit einer Handbewegung den Zutritt und zeigte dem Polizisten alle Dokumente, die sie vom Notar erhalten hatte. „Na, die Sache ist eindeutig“, sagte dieser und ging wieder hinaus zu Georg und dem verdutzt schauenden Makler, den Linda erst jetzt entdeckte. „Meine Herren, wenn sie nun bitte den Hof verlassen, sie befinden sich auf einem fremden Grundstück und sind ganz offensichtlich nicht willkommen“, sagte er bestimmt und geleitete zuerst den Makler zu seinem Auto. Beppo stützte sich auf einen Besen und beobachtete das Schauspiel lächelnd.

Jetzt erst entdeckte Linda auch Herta auf der Bank unter dem Nussbaum. Die beiden schienen das als willkommene Ergänzung ihres ansonsten so beschaulichen Daseins zu erleben. Georg entzog sich unwirsch dem Griff des zweiten Beamten und ging drohend auf Klara und Jonas zu. „Ihr beiden setzt euch jetzt sofort in mein Auto. Was soll der Quatsch denn? Wenn eure Mutter schon verrücktspielt, müsst ihr nicht auch noch mitmachen.“ Bei den Worten packte er Klara am Arm.

„Lass mich sofort los“, schrie Klara in Panik. Der Polizist ging sofort auf Georg zu. „Lassen sie das Mädchen los!“, herrschte er Georg an. „Meine Frau hat meine Kinder entführt“, rief Georg jetzt theatralisch. „Schaut nicht danach aus“, sagte der Polizist. „Aber sie können das gerne mit dem Familiengericht klären. Ab Montag ist da wieder jemand zu sprechen. Und jetzt gehen sie bitte“, sagte der Polizist und schob Georg in Richtung seines Wagens.

„Das wirst du mir büßen, du undankbares Miststück! Morgen kommen meine Eltern zum Essen. Was soll ich denen denn erklären?“ „Ihre Sorgen möchte ich haben“, sagte der Polizist und öffnete für Georg die Autotür. „Und jetzt fahren sie nach Hause und überlegen sich, was sie ihren Eltern morgen erklären. Auf Wiedersehen!“

Georg stieg tatsächlich ein, startete den Wagen und fuhr langsam die Forststraße in Richtung Wald. „Tja, da werden sie sich noch auf eine Menge Ärger einstellen müssen“, sagte er zu Linda. „Es wäre gut, wenn sie sich einen fähigen Anwalt nehmen. Diese Sorte Typen kennen wir. Die geben nicht so schnell auf. Aber wenn er wiederkommt, hier ist die Nummer unseres Reviers. Wir sind in zehn Minuten hier. Beppo hat es heute erlebt“, sagte der nette Polizist, reichte Linda die Karte und klopfte Beppo auf die Schulter. Wir müssen dann mal weiter. Vielleicht wartet schon der nächste Einsatz auf uns“, sagte er und beide Polizisten stiegen in ihre Autos und fuhren ebenfalls langsam davon.

Lindas Knie zitterten. „Uff, das war ja eine schöne Überraschung. Danke, dass du gleich die Polizei gerufen hast“, sagte sie zu Beppo. „Das war Herta, ich wollte eigentlich alleine mit denen fertig werden. Aber Herta hatte Angst um ihren alten Beppo“, sagte er lachend. „Kinder, das ist echt toll, dass ihr so viel Leben in unsere langweiligen Tage bringt.“ „Freut mich, wenn wir euch damit unterhalten können, ich hätte es ganz gerne etwas ruhiger“, sagte Linda und lächelte die beiden an. „Dann hättest du einen netteren Kerl heiraten müssen“, sagte Beppo und Linda nickte zerknirscht. „Stimmt. Das hätte ich mir früher überlegen müssen.

Wie wäre es mit einem Kaffee?“, fragte sie und wechselte damit rasch das Thema. „Gute Idee“, sagte Herta. „Aber zuerst helfen wir euch noch, die Sachen ins Haus zu tragen. Dein Auto geht ja schon ganz in die Knie“, sagte Beppo und machte sich bereits an der Kofferraumtür zu schaffen. Zu fünft hatten sie in wenigen Minuten alles ins Haus getragen und während Jonas und Klara die Kisten in die entsprechenden Zimmer schleppten, packten Herta und Linda die Lebensmittel aus und verstauten sie in der Küche. Nach einem gemütlichen Kaffeestündchen verabschiedeten sich Beppo und Herta und machten sich gemächlich wieder über die Felder auf den Heimweg. Linda schauten den beiden nach. Herta hatte sich bei Beppo eingehakt und gemeinsam strahlten sie unglaublich viel Ruhe und Frieden aus.

Die Kinder hatten schon damit begonnen, ihre Errungenschaften auszupacken und dem Haus eine persönliche Note zu geben. Jonas und Klara schafften es sogar, die Deckenlampen zu tauschen und innerhalb weniger Stunden sah das Haus ein weiteres Mal völlig verändert aus. So langsam wurde aus dem Haus ein Zuhause.

Hat Linda es nun geschafft, oder hat Georg noch ein Ass im Ärmel?

Das erfahrt Ihr in den weiteren Folgen.

Ich wünsche Euch einen wunderschönen Freitag.

Ganz liebe Grüße

Manou

4 Kommentare zu „Lindas neues Leben 11

  1. Klar, hat er! Erläßt sicher die Kreditkarten sperren und räumt das Konto leer……Ich hab schon so ne Krawatte auf den Kerl.
    Nein, ich kann durchaus vonm Gelesenen und dem Leben unterscheiden. Gruß am Freitag!

  2. Spannend wie immer, das ist nach dem Frühstück mein erster Weg: zum PC, um weiter zu lesen. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass uns Manou keine traurige Geschichte anbietet, sondern eine die Hoffnung macht und Mut gibt. Bei mir war es nicht der Ex, der so reagierte, sondern seine neue Frau, die uns das Leben zur Hölle machte. Aber als Familie und mit Hilfe unser Freunde waren wir stark genug, um auch das zu überstehen.

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