„Mir hat er immer recht leidgetan. Es ist nicht gut, wenn ein Mensch so einsam ist. Aber alle unsere Versuche ihn ein wenig ins Dorfgeschehen einzubinden, hat er rigoros abgelehnt. Beppo brachte Kaffeetassen und schenkte allen dreien ein. Außerdem stellte er Milch und Zucker und einen wunderbaren Hefezopf auf den Tisch.
„Aber jetzt erzähl mal. Wir wissen ja noch gar nichts von dir, sagte Herta. Linda nahm einen kräftigen Biss vom Hefezopf und einen Schluck Kaffee. Ohne lange nachzudenken, schüttete sie Herta und Beppo Ludwig ihr Herz aus. Die beiden hörten schweigend zu. Als Linda damit geendet hatte, dass Georg den Hof so schnell wie möglich verkaufen wollte und dass sie heute Morgen gekündigt worden war, lehnte Herta sich zurück und sagte: „Mein liebes Kindchen. Manchmal muss man auf die Zeichen achten.“ Linda biss noch einmal in den Zopf und sah Herta nachdenklich an. „Das habe ich auch schon gedacht. Aber ich fühle mich gerade total überfordert.
In den letzten Jahren hat Georg mir jedes Selbstbewusstsein ausgetrieben. Ich traue mir gar nichts mehr zu. Allein die viele Arbeit, die auf dem Hof wartet, bevor er jemals bewohnbar sein wird, macht mir Angst. Klar können die Kinder mir helfen, aber die Wahrheit sieht doch so aus, dass ich keine Ahnung habe.“ Beppo lachte. „Aber du hast doch uns. Wir werden dir dabei helfen. Wirst sehen, das ist gar nicht mehr so schlimm, wenn mal das ganze Zeug vom Breitner Hans weggeräumt ist.“
Linda sah Beppo Ludwig. War das wirklich wahr? Er würde ihr helfen? „Jetzt schau nicht so überrascht. Natürlich helfen wir dir. Das ist hier draußen so. Wir leben hier miteinander. Naja, zumindest wenn alle das wollen. Hans war eine Ausnahme. Aber es ist hier im Dorf normal, dass man sich gegenseitig hilft. Die anderen Dinge mit deinem Mann musst du sowieso selbst regeln“, sagte Herta und schaute Linda prüfend an. „Du musst natürlich selbst wissen, wie und mit wem du leben möchtest. Aber so wie du das gerade erzählt hast, ist das Leben mit deinem Mann kein Zuckerschlecken.
Es hat halt alles seinen Preis. Du lebst in einem schicken Haus am Stadtrand und bist finanziell gut versorgt, dafür zahlst du den Preis, dass du nicht du selbst sein kannst.“ Herta schwieg und schien fast ein wenig erschrocken über ihre eigenen Worte.
Linda schaute nachdenklich in ihre Kaffeetasse. Natürlich hatte Herta recht. Es waren schon ein bisschen viele Zufälle, die sich da gerade in ihr Leben schlichen. Der Hof, die Kündigung, die Offenbarung der Kinder, wie sehr sie unter der Situation litten und nun auch noch Herta und Beppo, die ihr ihre Hilfe anboten. Das waren eine Menge Zeichen. Aber wie sollte sie vorgehen? Wenn sie Georg sagen würde, dass sie sich trennen wollte, würde vermutlich ein schrecklicher Krieg beginnen.
Nicht dass sie Georg so viel bedeutete, das war gar nicht das Thema. Es ging um Macht. Sie durfte seiner Meinung nach nicht einfach so eine Entscheidung treffen. Aber war nicht alleine das schon Grund genug? Sie war doch nicht auf der Welt um Georg zu gehorchen. „Du hast Angst, nicht wahr?“, fragte Herta mitfühlend. In dem Moment als sie das aussprach, traten Tränen in Lindas Augen.
Ja, sie hatte Angst. Angst vor der Unberechenbarkeit ihres Mannes, der sich sicher nicht einfach so geschlagen geben würde. „Ja, Herta. Es ist mir unsagbar peinlich. Aber ich habe wirklich Angst. Ich weiß nicht, was ich lostrete, wenn ich Georg plötzlich sage, dass ich ihn verlassen werde. Auch wenn ich nichts lieber täte als das.“ „Du bist mutig und wirst das schaffen“, sagte Herta voller Vertrauen.
Linda sprang auf und drückte Herta fest an sich. Das waren die Worte, die sie jetzt, in diesem Moment, brauchte. Und alles Weitere würde sich ergeben. Jetzt mischte sich Beppo wieder ein. „Gut, dann werden wir nachher gleich nochmal hinübergehen und besprechen, was ich tun kann.“ Linda sah ihn mit großen Augen an. Beppo schien ein Mann der Tat zu sein. „Lieber Beppo, ich weiß gar nicht, ob ich das annehmen kann“, sagte Linda. Aber Herta fiel ihr ins Wort: „Kindchen, du könntest mir keinen größeren Gefallen tun, als Beppo möglichst viel Beschäftigung zu geben.“
Es war einfach perfekt! Gemeinsam marschierten sie wieder zurück über die Felder und Beppo ging fachmännisch durchs Haus. „Ich möchte all die Sachen von meinem Großonkel eines Tages mal in Ruhe durchschauen. Vielleicht suchen wir einen Platz, wo wir sie bis dahin unterstellen können“, sagte Linda. Beppo schaute sich um und sagte: „Dafür eignet sich die Scheune am besten. Das Dach ist dicht und es ist genügend Platz, damit du das dann eines Tages alles sortieren kannst. Dann fange ich damit an. Ich räume die Sachen von Hans alle hier herüber. Was willst du mit den Möbeln machen?“ „Ich glaube, die lassen wir einfach mal stehen. Ich brauche hier ja auch Möbel und soweit ich es gesehen habe, sind die alle sehr passabel.“
Linda fuhr auch heute wieder zur Schule um die Kinder abzuholen. Sie würden sich heute nochmal zusammensetzen und alles besprechen. Um die Zeit nicht mit Kochen zu verschwenden, aber gleichzeitig Georg keinen Anlass zum Meckern zu geben, hielt Linda rasch beim Metzger an und kaufte vier komplette Menüs, die sie zuhause in Töpfe schüttete, sodass es aussah, als hätte sie sich viel Mühe mit dem Kochen gemacht. Sie und die Kinder grinsten in Anbetracht dieses Täuschungsmanövers. Das verschaffte ihnen mehr als eine Stunde zusätzliche Zeit um sich zu beraten.
Der heutige Besuch beim Notar hatte Linda Mut gemacht. Sie war im Recht. Sie erzählte den Kindern von der Kündigung und dem Besuch bei Beppo und Herta auf dem Nachbarhof. Jonas, wie immer sehr pragmatisch, sagte: „Das trifft sich doch gut mit der Kündigung. Vom Hof aus könntest du sowieso nicht jeden Tag ins Büro fahren. Ich möchte gerne Nägel mit Köpfen machen. Sei mir nicht böse Mama, aber ich fürchte immer noch, dass du dich von Papa breitschlagen lassen wirst. Das wäre das Schlimmste, das ich mir im Moment vorstellen könnte. Ich freue mich so sehr auf unser neues Leben“, sagte Jonas und bei den letzten Worten traten Tränen in seine Augen.
Linda nahm ihren großen Sohn in den Arm und Klara kam um den Tisch herum und schmiegte sich an die beiden. „Ich verspreche euch, dass ich das durchziehen werde. Wir werden zum nächsten Schuljahr auf dem Hof wohnen!“ Bei diesen Worten begann Lindas Herz zu rasen. Sie hatte eine harte Zeit vor sich. Aber sie würde das schaffen. Lieber ein paar heftige Wochen als noch viele Jahre in diesem Kerker.
Rasch erklärte sie den Kindern, dass Bauer Beppo bereits das Haus entrümpelte.
Linda sah zur Uhr. „Oh, es ist zwanzig nach sechs. Euer Vater wird gleich da sein. Deckt mal rasch den Tisch. Sie rührte noch ein wenig in den Töpfen und machte das Essen warm. Der Zeiger rückte vor, es wurde halb sieben, dann dreiviertel, aber von Georg war noch nichts zu sehen. „Da stimmt was nicht“, murmelte Jonas. Normalerweise wäre er schon hier oder hätte angerufen. Wo kann er sein?“
Linda dachte nach. Ihr Bauch machte ihr deutlich bemerkbar, dass tatsächlich irgendwas faul war. „Wollen wir essen?“, fragte sie die Kinder. Klara schüttelte den Kopf. „Ich bin so aufgeregt, ich habe keinen Hunger“, sagte sie. Jonas nickte. „Mir geht es genauso.“ Auch Lindas Magen war wie zugeschnürt. Kurz nach halb acht hörten sie Georgs Wagen vorfahren. Sie schauten sich an. Was würde jetzt kommen?
Schon an der Art wie er das Auto parkte, war zu erkennen, dass er ziemlich wütend war. Georg stürmte zur Tür herein. „Du bist mir ja ein schönes Früchtchen!“, schrie er Linda an und sein Gesicht war vor Wut verzerrt. „Wolltest mir diese alte Hütte unterjubeln. Ich war dort. Den Typen, der das Haus ausgeräumt hat, habe ich gleich verjagt und werde ihn morgen anzeigen. Morgen kommt ein von mir beauftragtes Entrümpelungsunternehmen und übermorgen ein Makler, der die ersten Fotos macht. Das Ding wird so schnell wie möglich verkauft!
Und außerdem habe ich bereits erfahren, dass du heute gekündigt wurdest. Das ist wirklich ein starkes Stück. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt. Ich wusste ja immer, dass du nicht die hellste Kerze auf der Torte bist, aber dass du so unfähig bist, hätte ich mir nicht träumen lassen.“
Linda öffnete den Mund und wollte etwas sagen, aber Georg schnitt ihr mit einer herrischen Bewegung das Wort ab. „Sei still, sonst vergesse ich mich!“, schrie er. „Und übrigens, die Putzfrau habe ich auch gleich gekündigt. Als Arbeitslose hast du ja genug Zeit zum Putzen bis ich wieder einen Job für dich gefunden habe.“ Lindas Puls raste. Damit war er jetzt gewaltig zu weit gegangen. In ihr breitete sich eiskalte Wut aus. „Woher hast du die Adresse von dem Haus?“, fragte sie und ihre Stimme war bedrohlich leise. „Glaubst du, du bist mit einem Trottel verheiratet? Einer von uns muss ja etwas im Kopf haben!“, schrie er sie an. Wenn meine Frau schon so dämlich ist, dann braucht es wenigstens einen hier, der denkt.“
Klara und Jonas schauten sich an und dann zu Linda. Linda spürte den Blick ihrer Kinder mehr, als dass sie ihn sah und sie wusste, dass sie nun am Zug war. Sie durfte nicht mehr zögern. „Mir reicht es! Ich werde dieses Haus heute noch verlassen und die Kinder nehme ich mit!“, sagte sie mit zitternder Stimme.
Ob Linda nun wirklich den Mut findet in ihr neues Leben zu gehen, erfahrt Ihr morgen.
PS: Heute Abend gibt es eine weitere Folge von Spirit Talk auf Youtube.
Hier geht´s zum Kanal: Manous Youtube Kanal
Ich wünsche Euch einen wunderschönen Dienstag
Herzliche Grüße
Manou
Das kannst nicht machen, einen Teil noch…..jetzt!
Hahaha…. Nein, der kommt doch erst morgen 🤣🤣🤣
Liebe Manu, mir bleibt die Luft weg beim Lesen !!!!!
Ich hoffe, du erlöst mich bald von dieser Anspannung 😉
Liebe Grüße, Antonia
Sicher liebe Antonia, aber du musst Geduld haben 🤣🤣🤣
Ging mir gerade genauso, mir blieb die Luft weg. Aber weil ich eine Hochgeschwindigkeitsdenkerin bin, weiß ich, dass es gut ausgeht. Bin trotzdem total gespannt und freu mich schon auf morgen. Ich freue mich für Linda und die Kinder und hoffe, dass diese Geschichte Mut macht. Es gibt Frauen, die haben diese Chance nicht. Danke Manou für diese schöne Geschichte, due Mut macht.
Sehr gerne, danke für dein Mitfiebern….❤️🙏❤️