Mein Mann und ich haben vor 18 Jahren noch in Wien gelebt – in einer wunderschönen, riesengroßen Altbauwohnung in der Hietzinger Hauptstraße. Dann wurde ich schwanger. Ich dachte: Mit Kind möchte ich auf jeden Fall wieder ein Häuschen haben. Und so begannen wir zu suchen. Im 13. Bezirk – teuer! Richtung Süden raus – Gießhübl, Mödling – noch teurer! Und so sind wir in Reichenau gelandet. Ein Geschäftspartner hatte das Angebot für die Alte Schule in Reichenau-Edlach erhalten. Wir machten uns sofort danach auf den Weg und stellten fest: Edlach ist ganz schön weit weg von Wien. Gemeinsam saßen wir hinter dem Haus auf dem Hügel und stellten fest: Zu weit weg von Wien, zu groß, zu viel zum Umbauen – alles spricht dagegen. Und wir schauten uns an und sagten: Das nehmen wir! Eigentlich völliger Irrsinn, aber wir hatten uns entschieden. Und so kamen wir nach Reichenau.
Alle unsere Freunde sagten: „Das werdet ihr bereuen! Das ist viel zu weit weg. Und das ist viel zu viel Arbeit.“ Und was soll ich sagen: Wir haben es nicht einen Tag bereut. Mittlerweile ist zumindest für mich völlig egal, wie weit es von Wien weg ist. Ich bin nur noch einen Tag pro Woche in Wien. Und mein Mann pendelt mit dem Zug und nutzt die Zeit für seine Emails.
Heute Morgen trank ich, wie jeden Morgen, meinen Kaffee auf der Terrasse und genoss den Ausblick, den Ihr auf dem Foto seht. All die vielen Grüntöne, die Vögel, die gute Luft. Es ist wunderbar. Und ja: Es ist eine Menge Arbeit. Aber wir lieben es, hier zu sein.
Die Stadt löst Stress in mir aus
Seit ich hier lebe, bin ich empfindlicher geworden. Natürlich auch älter. Aber ich spüre, dass ich nicht mehr in der Stadt leben möchte. Die vielen Energien von vielen Menschen auf engem Raum haben mir immer schon zu schaffen gemacht, doch mittlerweile ist es fast unerträglich. Ich liebe es, am Morgen eine Runde durch den Garten zu spazieren. Und klar, ich sehe nicht nur das schöne Grün, sondern auch eine Menge Arbeit. Aber damit komme ich klar. Ich komme auch damit klar, wenn mal was nicht erledigt ist. Aber ich mag es, dass ich meinen Raum – auch im Freien – habe. Ich mag es, alle Bäume schon so lange zu kennen – manche davon haben wir selbst gepflanzt, andere waren schon vor uns hier. Und ich mag es ebenfalls, dass ich – wenn ich nicht will – einfach mein Grundstück nicht verlassen muss. Es ist alles hier, was ich brauche. Dafür sorgt auch mein Mann, der hier unermüdlich weiterbaut und alles installiert, was uns ein sicheres und angenehmes Leben erlaubt. Darüber bin ich unendlich dankbar.
Was ich am Landleben besonders mag:
- es ist alles langsamer und entspannter
- ich kenne die meisten Menschen hier
- ich weiß, wo ich gute Lebensmittel direkt vom Erzeuger bekomme
- ich habe die Möglichkeit mich zu einer halbwegs passablen Gemüsegärtnerin zu mausern
- ich kann ein wenig Eremitendasein leben
- ich liebe die Rehe morgens in der direkten Nachbarschaft und den Gesang der Vögel
- meine Kinder sind hier wunderbar behütet aufgewachsen
- ich kann immer raus gehen, wenn ich es mag und mir ein schönes Plätzchen suchen
- es fühlt sich für mich freier an
- …es gäbe noch viele Punkte
Ich habe Wien auch gemocht
Wien ist eine wunderbare Stadt und ich habe sehr gerne dort gelebt. Doch es sind mir einfach mittleweile viel zu viele Menschen. Und die Stimmung hat sich in den letzten beiden Jahren ja auch stark verändert. Von der typischen Wiener Gelassenheit ist nicht mehr allzu viel zu spüren, es ist eher aggressiv geworden – zumindest kommt mir das so vor. Aber das ist ja nur eine Zeiterscheinung. Irgendwann werden die Zeiten wieder besser sein und Wien kann sich seine Atmosphäre zurück erobern. Diese ist so stark, die überdauert diese Phase der Menschheitsentwicklung schon.
Doch heute bin ich wieder sehr glücklich, wenn ich nachher in meinen Garten gehe und, anstatt mich über den wuchernden Giersch zu ärgern, ihn einfach fürs Mittagessen ernte. Heute gibt es Vollreisnudeln mit Giersch. Klingt gut – ist auch gut.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen einen wunderschönen Dienstag
Manou Gardner aka Manuela Pusker
Schreibe eine Antwort zu Manuela PuskerAntwort abbrechen