An diesem Abend definierten die Erzengel, Hannes, Martin und Klara das Team, das sich nun um all die wunderbaren neuen Ideen kümmern würde. Nur die Moderation der abendlichen Live-Sendung würde Hannes noch selbst machen. Speziell die Damen, mit denen Klara früher die Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert hatten, erwiesen sich als wertvolle Kräfte. Sie verstanden genau, worum es ging und waren voll in ihrem Element. So konnten sich die fünf Engel und drei Menschen am nächsten Morgen zur Lagebesprechung treffen.
Phanuel ergriff als erster das Wort: „Es ist toll, was wir hier veranstalten, aber es geht zu langsam. Elohim sagte mir gestern, dass sich schon wieder etwas zusammenbraut. Die dunklen Mächte werden in den Rauhnächten versuchen, sich der Menschen zu bemächtigen. So gut die Rauhnächte für die Menschen sind, die sich bewusst mit dem Unsichtbaren beschäftigen, so anfällig sind die anderen Menschen in dieser Zeit – speziell diejenigen, die sich nicht darauf vorbereiten. Sie merken nicht einmal, wie die dunklen Mächte von ihnen Besitz ergreifen.“
„Wie wirkt sich das dann aus?“, fragte Martin. Phanuel überlegte eine Weile. „Das ist ganz unterschiedlich, aber generell kann man sagen, dass in den Rauhnächten alles verstärkt wird, was da ist. Wenn Menschen zum Bösen neigen, dann wird das noch viel mehr. Und wenn Menschen dazu neigen, andere Menschen auszubeuten, dann wird auch dies viel mehr. Aber im Moment geht es um die Unterdrückung. Es werden gerade diejenigen Menschen zum Schweigen gebracht, die eigentlich viel zu sagen hätten. Doch die dunklen Mächte sorgen dafür, dass diese Menschen keine Stimme erhalten.“
Alle acht schwiegen einen Moment. „Was können wir konkret tun?“, fragte Hannes. Michael schaltete sich ein: „Wir müssen die kritischen Menschen zusammenbringen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie gehört werden. Aber es reicht nicht, wenn wir sie in deinen Sender holen, Hannes. Das ist zu wenig. Wir müssen Wege finden, wie wir sie in vielen Kanälen zu Wort kommen lassen. Und wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie wir ihnen noch mehr Glaubwürdigkeit verschaffen können. Wir brauchen ein Ereignis, das alle Menschen aufhorchen lässt. Aber ich habe keine Ahnung, was das sein kann.“ Michael schaute in die Runde und schwieg wieder. „Was sagt der Elohim dazu?“, fragte Klara. „Der Elohim ist dafür nicht zuständig und er hat gerade auch so viel zu tun, um all die Angriffe abzuwehren oder zumindest abzuschwächen. Wir sind jetzt diejenigen, die eine Lösung finden müssen“, sagte Gabriel.
„Wir brauchen also ein Weihnachtswunder?“, fragte Klara. „Ja, so könnte man es nennen“, antwortete Gabriel. „Ich bin ja der Erzengel, der für die Weihnachtszeit zuständig ist, aber ich weiß nicht, was die Menschen in diesem entscheidenden Jahr dazu bringen könnte, aufzuhorchen. Die Menschen sind mir so fremd geworden. Sie haben alles Vertrauen in uns verloren. Und nun stehen wir da und wissen nicht, wie wir ihre Aufmerksamkeit erzielen können. Derzeit ist es ja so, dass die Menschen selbst das Augenscheinlichste nicht glauben wollen. Wir müssen also etwas wirklich Gutes finden, das sie aufwecken kann.“
Die acht versanken in tiefes Schweigen. Was könnte die Menschen sofort und auf der Stelle aufhorchen lassen? Was könnten sie tun, damit die Menschen zuhörten? Sie dachten alle nach und hatten einfach keine Idee. „Wir brauchen eine Art himmlischer Erster Hilfe“, sagte Klare versonnen. „Wie könnten wir das erreichen?“
In diesem Moment schaute Hannes auf. „Ich habe eine Idee“, sagte er. „Könnt ihr euch vorstellen, dass wir in drei Tagen, wenn die Wintersonnwende stattfindet, eine Illusion am Himmel erzeugen können? Wäre es möglich, dass eure Kollegen aus der Engelwelt am Himmel ein Zeichen entstehen lassen? Und wir bringen die Vorhersage dazu auf allen Sendern, die jetzt mit uns kooperieren? Dann würden doch vielleicht ein paar Menschen aufwachen. Wir müssten etwas entstehen lassen, das sich mit der normalen Wissenschaft nicht erklären lässt!“ Die fünf Erzengel schauten sich an. Eigentlich sollten sie ja die Menschen nicht mit solch einem Zeichen überzeugen, aber vielleicht war dies unter den besonderen Umständen möglich. „Das müssen wir mit dem Elohim klären und er müsste es sicher mit den ganz großen Engeln besprechen. Aber es wäre eine Möglichkeit. Denkst du, dass die anderen Sender dies auch bringen würden?“ Hannes dachte einen Moment nach. „Also ich bin überzeugt davon, dass ich einige Sender davon überzeugen kann. Ob ich es bei allen schaffe, weiß ich nicht. Aber ihr müsstet natürlich absolut zuverlässig sein, sonst kann ich meinen Hut nehmen. Dann wird nie wieder jemand mit mir kooperieren und es wäre sicher schädlich für unsere ganzen schönen Projekte.“
Phanuel nickte. „Das ist klar. Ich denke, wir sollten alle zu Elohim gehen und das mit ihm besprechen“, sagte er. So machten sie sich alle gleich auf den Weg, um dem Elohim diese Idee zu unterbreiten.
Jonas hatte sich mittlerweile etwas besser zurechtgefunden. Nach einer weiteren Nacht kamen seine Erinnerungen langsam zurück und auch seine Mutter beruhigte sich wieder. Nur Paula, seine kleine Schwester, schaute ihn immer wieder prüfend an. Der erste Tag in der Schule war das reinste Fiasko. Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wo seine Klasse war und auch die Mitschüler waren ihm nicht bekannt. Er rettete sich aus der Situation indem er sich ganz zurückzog und schwere Kopfschmerzen vortäuschte. Das ging halbwegs gut. Ein Mädchen schien besonders sauer auf ihn zu sein und am nächsten Tag wurde ihm auch bewusst, warum. Sie war offensichtlich seine Freundin. Das wusste er gestern nicht. Aber heute Morgen war es ihm eingefallen. Er würde das heute in Ordnung bringen. Irgendwie musste er es ihr erklären. Am besten würde er ihr reinen Wein einschenken und ihr sagen, dass er sich gestern an nichts erinnern konnte, als hätte er bisher gar nicht dieses Leben gelebt. Er hoffte nur, dass sie ihn nicht für verrückt halten würde. Aber er musste selbst zugeben, dass es ziemlich verrückt klang, wenn man plötzlich morgens nicht einmal mehr seine Familie erkennt.
An diesem Morgen ging er schon deutlich entspannter in die Schule. Eigentlich machte ihm der Unterricht großen Spaß. Was man da alles erfahren konnte! Als er die Lehrer mit vielen Fragen löcherte fiel ihm auf, dass ihn alle Mitschüler seltsam anschauten. In der Pause fragte er Tim, der offenbar sein bester Freund war: „Warum habt ihr mich vorhin alle so seltsam angesehen?“ Tim verzog das Gesicht. „Jetzt hör schon auf mit diesem komischen Spiel, Jonas. Du warst mir sympathisch, wie du warst. Ich weiß ja nicht, was in dich gefahren ist. Aber ich möchte gerne den alten Jonas wiederhaben. Du bist mir irgendwie unheimlich geworden.“
Jonas kratzte sich am Kopf. „Kannst du das bitte näher erklären?“, fragte er. „Ich sagte doch, hör auf damit!“, sagte Tim, drehte sich wütend um und ging weg. Jonas lief ihm hinterher. „Tim! Warte doch! Sag mir doch, was plötzlich an mir so anders ist.“ Tim blieb stehen. „Entweder du versuchst mich jetzt auf den Arm zu nehmen, oder ich muss mir echt Sorgen machen. Du warst immer der Klassenclown und bist über Nacht zum Streber geworden. Das ist doch seltsam. Und du tust auch noch so, als wäre das völlig normal. Wenn du dich früher im Unterricht gemeldet hast, dann höchstens um die Lehrer auf den Arm zu nehmen, aber doch niemals um Interesse am Unterricht zu zeigen. Ich finde das sehr merkwürdig und alle anderen auch.“ Jonas dachte nach. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals der Klassenclown gewesen zu sein. Irgendwie machte ihm das nun doch Angst. Vielleicht sollte er doch zum Arzt gehen. Nachdenklich ging Jonas wieder in die Klasse zurück. In dieser Stunde hielt er sich zurück. Obwohl er viele Fragen gehabt hätte, traute er sich nicht, diese zu stellen. Er verhielt sich nun einfach ganz still.
Und wie es weitergeht, erfahrt Ihr morgen. Auch, was die Engel nun aushecken, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erlangen.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht und schöne Träume
Manou